Führungskraftbezogene Mitarbeiterbindung: Vorgesetztenbindung einfach erklärt

Führungskraftbezogene Mitarbeiterbindung: Vorgesetztenbindung einfach erklärt

Was ist führungskraftbezogene Mitarbeiterbindung genau? Wie ist diese Komponente der Mitarbeiterbindung definiert? Welche positiven Effekte lassen sich durch hohe Vorgesetztenbindung erzielen? Mit welchen Maßnahmen kann ich als Führungskraft die Vorgesetztenbindung meiner Mitarbeitenden steigern? Was kann die Unternehmensleitung und was kann das Personalmanagement zur Stärkung der führungskraftbezogenen Mitarbeiterbindung tun?

31. Oktober 2025 um 04:30 Uhr von Gunther Wolf
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Seit rund 20 Jahren gewinnt das Thema "Mitarbeiterbindung" zunehmend an Relevanz. Gönnen wir uns einen kurzen Blick zurück: Im Jahre 2004, als die Konjunktur nach dem Platzen der Dotcom-Blase wieder ansprang, bemerkten Unternehmen einen Mangel an Bewerbenden für Ausbildungsstellen. Das war für Arbeitgeber ein bislang völlig unbekanntes Phänomen. Doch nur wenige Jahre später kamen der Talentmangel und ein hieraus resultierender, immer härter werdender "War for Talents" hinzu. 

Kurzzeitig sorgte die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 bis 2011 für etwas Erleichterung beim Recruiting von Personal. Doch nachdem diese überwunden war, bekamen die Unternehmen zusätzlich sowohl den Fachkräftemangel als auch einen Mangel an Führungskräften zu spüren. Seit 2018 wird fast nur noch von einem generellen Mangel an verfügbarem Personal und daher von Arbeitskräftemangel gesprochen.

Wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben

Den Fachkräften im Recruiting fällt es zunehmend schwer, die renten- und kündigungsbedingten Vakanzen in der gewünschten Zeit zu besetzen. Laut Bundesagentur für Arbeit haben sich die durchschnittlichen Vakanzzeiten in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Doch die Prognosen für die zukünftige Entwicklung des Fachkräftemangels und Arbeitskräftemangels zeigen, dass das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist: Trotz Automatisierung, Artificial Intelligence, Migration und geplanter Erhöhungen des Rentenalters wird es für die Recruiting-Mitarbeitenden keineswegs leichter, ihr Unternehmen mit dem benötigten Personal in der gewünschten Qualität und Quantität zu versorgen.

So ist mittlerweile am Arbeitsmarkt ein Verdrängungswettbewerb um Arbeitskräfte entstanden. Dies bedeutet, dass manche Unternehmen schlicht und einfach zugrunde gehen müssen, damit andere weiter existieren können. 

Wer diesen Verdrängungswettbewerb verlieren wird, liegt auf der Hand: Alle Arbeitgeber, die nicht attraktiv genug sind, um

  1. die eigenen Mitarbeitenden zu binden (gegen Verlockungen und Abwerbungsversuche anderer Arbeitgeber) und
  2. sich mit dem benötigten Personal zu versorgen (aus dem Mitarbeiterbestand anderer Arbeitgeber).

Vorausschauend planende und sich der Risiken bewusste Vorstände, Geschäftsführungen, HR Business Partner und Führungskräfte befassen sich daher intensiv mit der Frage, mit welchen Maßnahmen sie die Mitarbeiterbindung und die Arbeitgeberattraktivität erhöhen können. Das wiederum setzt präzises Wissen darüber voraus, was Mitarbeiterbindung genau ist und wie sie entsteht. Denn so werden die hilfreichsten Ansatzpunkte erkennbar.  

Vier Ebenen der führungskraftbezogenen Mitarbeiterbindung 

Hierbei nehmen die vier Mitarbeiterbindungsebenen eine bedeutsame Rolle ein. Wir kennen die → rationale Mitarbeiterbindungsebene, die auch die → juristischen Wege der Mitarbeiterbindungsebene und die → perspektivische Mitarbeiterbindungsebene inkludiert. Daneben existieren die → emotionale Mitarbeiterbindungsebene, die → habituelle Mitarbeiterbindungsebene und die → normative Mitarbeiterbindungsebene

Aus dem Privatleben wissen wir: Zu einer Bindung gehören immer (mindestens) zwei. Bindung ist immer auf irgendetwas oder irgendwen gerichtet. Das ist bei der Bindung von Mitarbeitenden nicht anders: Wenn Mitarbeitende sich verbunden fühlen, dann zu 

Diese vier Mitarbeiterbindungspartnerschaften sind im beruflichen Kontext von enormer Bedeutung. Die Vorgesetztenbindung ist die last but not least genannte. Synonym werden die Begriffe „führungskraftbezogene Mitarbeiterbindung“, "vorgesetztenbezogene Mitarbeiterbindung" und „Führungskraftbindung“ verwendet. Unter "Führungskräftebindung" hingegen versteht man üblicherweise die Bindung von Führungskräften, nicht die – hier, bei der Vorgesetztenbindung zentrale – Bindung von Mitarbeitenden <em>durch</em> Führungskräfte.

Wichtig ist: Die Stärke und Intensität von jeder der vier Mitarbeiterbindungspartnerschaften wird stets von den zuvor genannten vier Mitarbeiterbindungsebenen beeinflusst. Vereinfacht könnte man sagen: Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. in allen vier Bindungspartnerschaften.

Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. auf allen vier Bindungspartnerschaften.

Somit bestehen vier Formen der führungskraftbezogenen Mitarbeiterbindung: 

  1. rationale Vorgesetztenbindung
  2. habituelle Vorgesetztenbindung
  3. normative Vorgesetztenbindung
  4. emotionale Vorgesetztenbindung

Welche Bedeutung fällt der Vorgesetztenbindung zu?

Typischerweise richtet sich die Mitarbeiterbindung auf den direkten Vorgesetzten, bisweilen aber auch auf dessen Führungskraft. Ob dies so ist oder nicht, hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Befugnissen der direkte Vorgesetzte ausgestattet ist. Darf ein Schichtleiter beispielsweise keine für den Mitarbeitenden relevanten Entscheidungen treffen, wird sich das führungskraftbezogene Bindungspotenzial des Mitarbeitenden eher auf den seinem Schichtleiter überstellten Vorgesetzten richten. 

Definition Vorgesetztenbindung

"Vorgesetztenbindung bezeichnet die Bindungspartnerschaft zwischen dem Mitarbeitenden und seiner nächsthöheren, entscheidungsbefugten Führungskraft.“

Quelle: Wolf, G.: Mitarbeiterbindung

Entscheidend für die Bestimmung des Bindungspartners ist somit dessen Möglichkeit zur disziplinarischen Führung und direkten Machtausübung auf den Mitarbeitenden. Daher wird die führungskraftbezogene Komponente von vielen Psychologen als die im beruflichen Kontext bedeutsamste Bindungspartnerschaft bezeichnet: Die Bindung an einen Menschen, der mächtiger ist als wir und der die Möglichkeiten und Grenzen unseres Handelns bestimmt, stellt entwicklungspsychologisch die erste von uns erlebte Bindungspartnerschaft dar.

Zudem ist hinlänglich bekannt, dass die direkte Führungskraft für das Entstehen von negativer Bindung und für das Aufkommen von Fluktuationsabsichten eine zentrale Rolle spielt: "Ein erfolgreiches Unternehmen zieht gute Mitarbeiter an. Doch mit schlechten Vorgesetzten verliert es sie wieder!" (Wolf, Mitarbeiterbindung, S. 111). 

Mit welchen Maßnahmen kann die Vorgesetztenbindung gestärkt werden?

Bei Mitarbeitenden kann eine positive, neutrale oder negative Vorgesetztenbindung vorliegen. Dies hängt zum einem von den individuellen Persönlichkeitsdispositionen des Mitarbeitenden ab: Manche neigen stark zu einer führungskraftbezogenen Bindung, andere weniger.

Zum anderen ist die Response der Führungskraft auf das Bindungsangebot des Mitarbeitenden relevant: Vorgesetzte, für die beispielsweise "nicht geschimpft schon genug gelobt" und ohnehin "jeder Mensch ersetzbar" ist, werden nur selten eine hohe Ausprägung der Vorgesetztenbindung bei ihren Mitarbeitenden erreichen können. 

Entscheidend für die Intensität der vorgesetztenbezogenen Bindung ist somit dessen Führungsverhalten. Daher fokussieren sich Maßnahmen zur Stärkung der Vorgesetztenbindung primär darauf, das Führungsverhalten der Vorgesetzten mit Blick auf die mitarbeiterzentrierte Erfolgskultur zu verbessern. Viele Unternehmen buchen hierzu spezielle Führungskräftetrainings, bei denen die Mitarbeiterbindungskompetenzen der Führungskräfte geschult werden. Zudem üben die Führungskräfte in diesen Trainings nachhaltig bindungswirksame Führungsverhaltensweisen ein.

Welche Effekte erzielen Unternehmen durch Verbesserung der Vorgesetztenbindung?

Das lohnt sich durchaus. Im Hinblick auf die erwünschte Senkung der Fluktuationsneigung ist festzustellen: Gründe, die in den Verantwortungsbereich der Vorgesetzten fallen, bilden das Gros der Fluktuationsursachen (Wolf, Mitarbeiterbindung, S. 194 ff.). Der direkte Vorgesetzte hat es daher wie kein anderer in der Hand, den Verbleib der Mitarbeiter sicherzustellen.

Durch Maßnahmen zur Verbesserung der führungskraftbezogenen Bindung wird eine starke Senkung der Fluktuationsneigung erzielt. 

Nicht viel anderes sieht es im Hinblick auf die Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden aus: Mitarbeitende mit hoher Vorgesetztenbindung richten sich bei der Wahrnehmung ihrer Arbeitsaufgaben insbesondere auf die Wünsche und Ziele ihrer Führungskraft aus. Sie achten auf hohe Qualität und Quantität, arbeiten zuverlässig, eigenständig, verantwortungsbewusst, kostenbewusst und vieles mehr. Klar: Für ihren Chef gehen sie auch die "Extra-Meile".

Maßnahmen zur Stärkung der Vorgesetztenbindung haben höchst positive Auswirkungen auf die Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden. 

Und wie stellt sich die Wirkung auf die Arbeitgeberattraktivität dar? Mitarbeitende, die unter schlechtem Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten leiden, machen ihrem Unmut oftmals auf Arbeitgeberbewertungsplattformen, im Bekanntenkreis oder in den Sozialen Medien Luft. Das kann die Arbeitgeberattraktivität des gesamten Unternehmens enorm in Mitleidenschaft ziehen. 

Sind Mitarbeitende hingegen von ihrem Chef begeistert, unterstützen sie ihn auch beim Gewinnen von neuen Mitarbeitenden. Beispielsweise durch die Teilnahme an Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programmen, durch direkte Ansprache geeigneter Personen im Bekanntenkreis oder durch positive Bewertungen. 

Obendrein ist davon auszugehen, dass mitarbeiterbindungskompetente Führungskräfte bei Einstellungsinterviews darauf achten, bei allen Bewerbenden ein positives Candidate Experience zu erzielen. Der Eindruck, den die Führungskraft auf den Bewerbenden hinterlässt, prägt dessen Bild vom Unternehmen. Mitarbeiterbindungskompetente Führungskräfte tragen auf diese Weise zu hoher Arbeitgeberattraktivität des Unternehmens bei.

Auf die Stärkung der Vorgesetztenbindung gerichtete Maßnahmen zahlen in gewissem Maße auf die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber ein.

Allein im Hinblick auf das Ziel, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern, dürften sich jedoch Maßnahmen zur Steigerung der Unternehmensbindung als wesentlich wirkungsvoller erweisen.

Fazit zur Vorgesetztenbindung

Die Verbesserung von Mitarbeiterbindungskompetenzen und von Führungsverhaltensweisen der Vorgesetzten stellt stets die wichtigste Maßnahme zur Stärkung der Vorgesetztenbindung dar. Denn der Return on Investment (ROI) ist außerordentlich hoch: Zum einen stellt gutes Führungsverhalten die kostengünstigste unter allen denkbaren Mitarbeiterbindungsmaßnahmen dar. Zum anderen ist der Nutzen allen anderen Maßnahmen weit überlegen. Das betrifft erstens die Senkung der Fluktuationsneigung der Mitarbeitenden und zweitens deren Leistungsbereitschaft. 

Drittens stimmt auch der Return on Employee Attractiveness Investment (ROEAI) zuversichtlich: Es sind hierdurch wertvolle, positive Effekte im Hinblick auf die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und auf Verbesserungen bei der Gewinnung von Personal zu erwarten. In vielen Unternehmen ist daher ein für alle Führungskräfte verpflichtendes Mitarbeiterbindungstraining die allererste Maßnahme, die zur Steigerung der Mitarbeiterbindung umgesetzt wird.



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