Aufgabenbindung einfach erklärt

Aufgabenbindung einfach erklärt

Wie ist aufgabenbezogene Mitarbeiterbindung definiert? Wie entsteht eine Aufgabenbindung? Mit welchen Maßnahmen können Unternehmensleitungen, HR und Führungskräfte die aufgabenbezogene Bindung der Mitarbeitenden steigern? Und: Welche Vorteile kann man hierdurch als Arbeitgeber realisieren?

16. Juni 2025 um 04:30 Uhr von Gunther Wolf
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2004 beklagten Unternehmen den Azubimangel. 2008 stöhnte man zudem über den Mangel an Hochschulabsolventen (Talentmangel) und den immer härter werdenden "War for Talents". Ab 2013 kam auch noch der Fachkräftemangel hinzu. Um 2018 wurde für die Fachkräfte im Executive Recruiting zusätzlich der Führungskräftemangel spürbar. Mehr oder minder zeitgleich war obendrein ein Mangel an verfügbaren Hilfsarbeitskräften in Anlernberufen zu beobachten, sodass seit dieser Zeit fast nur noch von einem generellen Mangel an verfügbarem Personal und daher von Arbeitskräftemangel gesprochen wird.

Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt: Gewinner gibt’s und Verlierer auch

Unzweifelhaft bremst dieser Arbeitskräftemangel das wirtschaftliche Wachstum hierzulande enorm. Ist mit einem baldigen Ende dieser Situation zu rechnen? Nein. Die Prognosen für die zukünftige Entwicklung des Fachkräftemangels und Arbeitskräftemangels kündigen - aus Arbeitgebersicht - nur noch schwärzere Wolken am Horizont an. Den Fachkräften im Recruiting fällt immer schwerer, die renten- und kündigungsbedingten Vakanzen in der gewünschten Zeit zu besetzen. Laut Bundesagentur für Arbeit haben sich die durchschnittlichen Vakanzzeiten in den letzten 20 Jahren verdreifacht. 

Denn am Arbeitsmarkt ist ein Wettbewerb um Arbeitskräfte entstanden, bei dem es Gewinner und auch Verlierer gibt. Dieser hat die Dimension eines Verdrängungswettbewerbs angenommen: Manche Arbeitgeber müssen zugrunde gehen, damit andere überleben können. Die Regeln in diesem Wettkampf: Wer als Arbeitgeber nicht attraktiv genug ist, um

  • seine Mitarbeitenden zu binden (gegen Verlockungen und Abwerbungsversuche anderer Arbeitgeber) und
  • sich mit dem benötigten Personal zu versorgen (aus dem Personalbestand anderer Arbeitgeber),

wird zu denen gehören, die zugrunde gehen.

Da sie erkannt haben, dass der Arbeitskräftemangel weder durch die Politik noch durch KI nachhaltig gelöst werden kann, nehmen immer mehr Vorstände, Geschäftsführungen, HR Business Partner und Führungskräfte das Thema Mitarbeiterbindung auf die strategische Agenda. Was ist zu tun, um die Mitarbeiterbindung der Belegschaft zu steigern? Das wiederum setzt die Klärung der Frage voraus, was Mitarbeiterbindung ganz genau ist und wie sie entsteht. Denn so werden die Ansatzpunkte erkennbar. 

Vier Ebenen der Aufgabenbindung

Hierbei nehmen die vier Mitarbeiterbindungsebenen eine bedeutsame Rolle ein. Es gibt die → rationale Mitarbeiterbindungsebene, die allerdings auch die → rechtliche Mitarbeiterbindungsebene und die → perspektivische Mitarbeiterbindungsebene inkludiert. Wir kennen zudem die die → emotionale Mitarbeiterbindungsebene, die die → habituelle Mitarbeiterbindungsebene und die → normative Mitarbeiterbindungsebene

Aus dem Privatleben wissen wir: Zu einer Bindung gehören immer (mindestens) zwei. Bindung ist immer auf irgendetwas oder irgendwen gerichtet. Das ist bei der Bindung von Mitarbeitenden nicht anders: Wenn Mitarbeitende sich verbunden fühlen, dann zu 

  • dem Unternehmen (→ Unternehmensbindung), 
  • ihren Aufgaben (→ Aufgabenbindung), 
  • der jeweiligen Führungskraft (→ Vorgesetztenbindung) und 
  • ihren Kollegen (→ Teambindung). 

Diese vier Mitarbeiterbindungspartner sind im beruflichen Kontext von zentraler Bedeutung. Die Aufgabenbindung ist an zweiter Stelle genannt. Synonym werden die Begriffe „aufgabenbezogene Mitarbeiterbindung“, „Tätigkeitsbindung“, "tätigkeitsbezogene Mitarbeiterbindung", „Arbeitsbindung“ und "arbeitsbezogene Mitarbeiterbindung“ verwendet. 

Wichtig ist: Die Stärke und Intensität von jeder der vier Mitarbeiterbindungspartnerschaften wird regelmäßig von den zuvor genannten vier Mitarbeiterbindungsebenen beeinflusst. Vereinfacht könnte man sagen: Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. in allen vier Bindungspartnerschaften.

Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. auf allen vier Bindungspartnerschaften.

Somit bestehen vier Formen der Aufgabenbindung: 

  1. rationale Aufgabenbindung
  2. habituelle Aufgabenbindung
  3. normative Aufgabenbindung und 
  4. emotionale Aufgabenbindung

Woran erkennt man niedrige oder hohe Aufgabenbindung?

Bei Mitarbeitenden kann eine positive, neutrale oder negative Aufgabenbindung vorliegen. Wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer die alltäglichen Arbeitsaufgaben beispielsweise als sinnlos, unnötig oder widerwärtig ansieht, haben wir es mit einer negativen Aufgabenbindung zu tun. Mitarbeitende, die „ihre Arbeit lieben“, haben hingegen offenbar eine stark positive Aufgabenbindung.

Definition Aufgabenbindung

"Aufgabenbindung bezeichnet die Bindungspartnerschaft zwischen dem Mitarbeitenden und seinen Arbeitsaufgaben sowie deren Adressaten.“

Quelle: Wolf, G.: Mitarbeiterbindung

Für die Aufgabenbindung gilt, was für jede der vier Bindungspartnerschaften gilt: Menschen investieren nur in Bindungen, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Stellen sich Beziehungen als einseitig heraus, beenden wir sie üblicherweise recht schnell wieder. Nun sind aber Arbeitsaufgaben auf den ersten Blick keine Person. Sie sind daher nicht in der Lage, das Bindungsangebot des Mitarbeiters zu respondieren. Dennoch kann es zu intensiven Bindungen kommen. Manch einer bezeichnet sogar ein ihm übertragenes Projekt, das er von Anfang an betreuen darf, als „sein Baby“: Für das von ihm betriebene Projekt gibt er alles, kennt oftmals weder Müdigkeit noch Feierabend. 

Mit welchen Maßnahmen kann die Aufgabenbindung verstärkt werden?

Zudem kann sich die jeweilige Haltung bzw. die Bindung gemäß Definition nicht auf die Aufgaben selbst, sondern auch auf die Adressaten beziehen. Diese Adressaten sind Personen, an denen der Mitarbeitende eine Dienstleistung erbringt (z. B. Patienten, Heimbewohner) oder Personen, denen er seine Arbeitsergebnisse zur Verfügung stellt (z. B. interne oder externe Kunden, Gäste, User). Die Aufgbenbindung inkludiert sozusagen eine „Kundenbindung andersherum“: die Bindung des Mitarbeitenden zu seinen Kunden.

Es ist anzunehmen, dass beispielsweise die Aufgabenbindung einer Pflegekraft maßgeblich davon beeinflusst wird, ob und inwieweit die Patienten das – durch Aufmerksamkeit oder Zuwendung ausgedrückte – Bindungsangebot der Pflegekraft respondieren, etwa in Form von Dankbarkeit.

Die Aufgabenbindung von Mitarbeitenden ist in den meisten Branchen und Berufsbildern recht positiv. Studien wiesen besonders hohe Ausprägungen in Berufen des Gesundheitswesens, in sozialen Berufen, bei Rettungsdiensten, bei IT-Berufen und Ingenieurberufen nach. Für zahlreiche Menschen ist ihr Beruf auch zugleich ihre Berufung. Diese Personen gehen zur Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben oftmals bis ans letzte. Und haben Freude daran.

Führungskräfte haben den Schlüssel in der Hand

Welche Maßnahmen zur Steigerung der arbeitsbezogenen Mitarbeiterbindung sind zielführend? Wer die Aufgabenbindung stärken möchte, kann zum einen mit Maßnahmen zur Intensivierung der Beziehung des Mitarbeitenden zu Kunden, Usern, Patienten, Adressaten etc. ansetzen. Zum anderen ist es sicherlich nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Mitarbeiterbindung sinnvoll, Mitarbeitende mit möglichst neigungsgerechten Aufgaben zu versehen. Diese beiden dürften die bedeutsamsten Ansatzpunkte für Maßnahmen sein.

Deutlich wird dabei: Dieses Element der Mitarbeiterbindung kann insbesondere derjenige gut beeinflussen, der den Mitarbeitenden mit seinen Stärken und Neigungen ohnehin sehr gut kennen muss, weil er ihn zu führen und zu motivieren hat: Die direkte Führungskraft. Sowohl die Unternehmensleitung als auch das Personalmanagement können somit maßgeblich indirekt, über die Führungskräfte, auf den Grad der aufgabenbezogenen Mitarbeiterbindung einwirken. Sie können beispielsweise die Mitarbeiterbindungskompetenzen aller Führungskräfte in speziellen → Mitarbeiterbindungs-Führungskräftetrainings schulen. Und das sollten sie auch tun, wenn sie von den Effekten hoher Aufgabenbindung profitieren wollen.

Welche Effekte erzielen Arbeitgeber durch eine Stärkung der aufgabenbezogenen Mitarbeiterbindung?

Lohnt es sich, Zeit und Geld in die tätigkeitsbezogene Ebene der Mitarbeiterbindung zu investieren? Wie werden sich einerseits die Fluktuationsneigung und andererseits Leistungsbereitschaft, Engagement und Einsatzfreude der Mitarbeitenden verändern, wenn Unternehmensleitungen, HR und Führungskräfte damit beginnen, gezielt aufgabenbezogene Mitarbeiterbindungsmaßnahmen umzusetzen? Und welchen Nutzen im Hinblick auf die Arbeitgeberattraktivität darf man erwarten?

Im Hinblick auf die Leistungsbereitschaft ist festzustellen: Sie ist bei hoher Aufgabenbindung üblicherweise enorm. Arbeitgeber, die mithilfe der direkten Führungskräfte die Aufgabenbindung der Mitarbeitenden gezielt verbessern, berichten stets von höherem Engagement und stärkerer Einsatzbereitschaft. Es gibt nur ein kleines „Aber“: Der hoch Aufgabengebundene strebt nach maximaler Qualität und maximalem Nutzen für den Adressaten. Er neigt daher oftmals dazu, Aufwand und Kosten außer Acht zu lassen, um perfekte Ergebnisse zu erzielen.

Maßnahmen zur Stärkung der Aufgabenbindung haben höchst positive Auswirkungen auf die Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Mitarbeitenden. 

Anders sieht es mit der Auswirkung von hoher Aufgabenbindung auf die erwünschte Senkung der Fluktuationsbereitschaft aus: Für Menschen mit hoher, aufgabenbezogener Mitarbeiterbindung spielt oftmals nur eine untergeordnete Rolle, für welchen Arbeitgeber sie tätig sind. So findet beispielsweise die begeisterte Altenpflegekraft in nahezu jedem Heim die Aufgaben und Adressaten (hier: Bewohner) vor, die sie schätzt. Entsprechend ist die Fluktuationsneigung von Arbeitnehmern mit ausschließlich hoher aufgabenbezogener Bindung nur unwesentlich geringer als die von Mitarbeitern mit niedriger Aufgabenbindung. Über eine Ausnahme von dieser Regel dürfen Sie sich beispielsweise dann freuen, wenn die von dem Mitarbeitenden geliebten Arbeitsaufgaben nur in Ihrem Unternehmen möglich sind.

Im Hinblick auf das Ziel, die Verbleibsneigung zu steigern, sind Maßnahmen zur Steigerung der Unternehmensbindung wesentlich wirkungsvoller.

Durch Maßnahmen zur Stärkung der aufgabenbezogenen Bindung wird die Fluktuationsneigung nur gering beeinflusst. 

Und wie stellt sich die Wirkung auf die Arbeitgeberattraktivität dar? Maßnahmen, die auf die Steigerung der Aufgabenbindung abzielen, verbessern die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber aus der individuellen Perspektive stark. Hinzu kommt, dass die Arbeitsaufgaben leicht auf dem Arbeitsmarkt kommuniziert werden können: Jede Stellenanzeige nennt die Aufgaben der vakanten Position. Und auch bei Bewerberinterviews werden die anfallenden Tätigkeiten zumeist intensiv besprochen.

Auf die Stärkung der Aufgabenbindung gerichtete Maßnahmen zahlen in hohem Maße auf die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber ein.

Fazit zur Aufgabenbindung 

Auch wenn keine sonderlich hohe Auswirkung auf die Senkung der Fluktuation zu erwarten ist, sind aufgabenbezogene Mitarbeiterbindungsmaßnahmen eine Überlegung wert. Zum einen ist ihr Return on Investment (ROI) außerordentlich hoch: Mitarbeitende, die sich ihren Arbeitsaufgaben stark verbunden fühlen, zeichnen sich stets durch sehr hohes Engagement und sehr hohe Einsatzbereitschaft aus. Und auch der Return on Employee Attractiveness Investment (ROEAI) stimmt zuversichtlich: Aufgabenbezogene Mitarbeiterbindungsmaßnahmen sind gut nutzbar, um Steigerungen im Hinblick auf die Attraktivität als Arbeitgeber und um Verbesserungen bei der Gewinnung von Personal zu realisieren. Also: Schulen Sie Ihre Führungskräfte darin, die Aufgabenbindung ihrer Mitarbeitenden zu stärken! Vergessen Sie dabei jedoch bitte nicht das kontinuierliche Controlling der Mitarbeiterbindungsmaßnahmen, um die Wirtschaftlichkeit aller Maßnahmen zu sichern.



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