Das Scheitern des innovativen Gruppenarbeitskonzepts von Volvo

Das Scheitern des innovativen Gruppenarbeitskonzepts von Volvo

In den 1970er Jahren revolutionierte Volvo die Automobilindustrie mit einem neuen Produktionskonzept, das die traditionelle Fließbandarbeit herausforderte: die Gruppenarbeit. Dieses innovative Modell, das erstmals in den Werken in Kalmar und später in Uddevalla implementiert wurde, versprach eine humanere, flexiblere und qualitativ hochwertigere Produktionsweise. Doch trotz seiner anfänglichen Erfolge und der positiven Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit scheiterte das Konzept letztlich aus mehreren Gründen.

16. Juni 2024 um 15:47 Uhr von Ralf Volkmer


Die Idee hinter der Gruppenarbeit

Volvos Ansatz zur Gruppenarbeit setzte auf kleine Teams von Arbeitern, die gemeinsam für den Zusammenbau ganzer Fahrzeugsektionen verantwortlich waren. Dies stand im Gegensatz zur herkömmlichen Fließbandproduktion, bei der Arbeiter oft nur eine einzige, monotone Aufgabe ausführen. Die Dezentralisierung der Produktion und die Schaffung autonomer Teams sollten die Arbeitszufriedenheit erhöhen, die Qualität verbessern und eine vielseitige Belegschaft fördern.

Ergonomische Verbesserungen und die Einbeziehung der Arbeiter in Entscheidungsprozesse waren weitere zentrale Elemente des Konzepts. Die Teams arbeiteten in einem rotierenden System, um monotone Tätigkeiten zu vermeiden und körperliche Belastungen zu minimieren. Jeder Arbeiter war in der Lage, mehrere Aufgaben zu übernehmen, was zu einer größeren Flexibilität und einem besseren Verständnis des gesamten Produktionsprozesses führte.

Gründe für das Scheitern

Trotz der vielversprechenden Vorteile scheiterte das Konzept der Gruppenarbeit bei Volvo aus mehreren Gründen. Ein Hauptfaktor waren die höheren Produktionskosten. Die dezentralisierte Produktionsweise erforderte mehr Platz und eine komplexere Logistik, was die Betriebskosten in die Höhe trieb. In den 1990er Jahren, als Volvo unter erhöhtem wirtschaftlichen Druck stand, wurden kosteneffizientere Produktionsmethoden bevorzugt.

Ein weiterer kritischer Punkt war die Skalierbarkeit und Effizienz. Während die Gruppenarbeit in kleineren, spezialisierten Anlagen gut funktionierte, erwies sie sich als schwierig umzusetzen, wenn es um die Produktion in großem Maßstab ging. Die Automobilindustrie verlangt oft hohe Produktionszahlen und Effizienz, die durch traditionelle Fließbandarbeit besser erreicht werden konnten.

Technologische Fortschritte in der Automatisierung spielten ebenfalls eine Rolle. Mit der Weiterentwicklung von Produktionssystemen konnten viele Aufgaben, die zuvor von menschlichen Teams erledigt wurden, schneller und kosteneffizienter durch Maschinen durchgeführt werden. Diese technologische Revolution machte einige Aspekte der Gruppenarbeit obsolet.

Auch die Unternehmenskultur und das Engagement des Managements waren entscheidend. Der Erfolg der Gruppenarbeit hing stark von der Unterstützung und dem Einsatz der Führungskräfte ab. In Zeiten wirtschaftlichen Drucks oder bei Führungswechseln konnte diese Unterstützung nachlassen, was die Effektivität des Konzepts beeinträchtigte.

Schließlich spielte die globale Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Rolle. Um im internationalen Markt bestehen zu können, musste Volvo Wege finden, um die Produktionskosten zu senken und mit anderen globalen Herstellern mitzuhalten, die oft günstigere Produktionsmethoden einsetzten. Dies führte zu einer Rückkehr zu traditionellen, kosteneffizienten Produktionsverfahren.

Fazit

Das Scheitern des Gruppenarbeitskonzepts von Volvo zeigt, wie schwierig es ist, innovative Produktionsmethoden in einer wettbewerbsintensiven Branche umzusetzen. Trotz der positiven Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit und die potenzielle Verbesserung der Produktqualität konnten wirtschaftliche und technologische Herausforderungen nicht überwunden werden. Dennoch bleibt Volvos Ansatz ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Arbeitsorganisation und hat viele moderne Ansätze zur Produktionsgestaltung und Mitarbeiterbeteiligung beeinflusst.

Die Lehren aus Volvos Erfahrung betonen die Notwendigkeit, wirtschaftliche Realitäten mit innovativen Ideen in Einklang zu bringen und die Bedeutung von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in einem sich ständig wandelnden industriellen Umfeld.



Kommentare

Götz Müller
Götz Müller, am 16. Juni 2024 um 18:25 Uhr
Bzgl. dem Monotonie-Aspekt ist mir dieses Video https://youtu.be/_oCNKsvhE00 aus einem Toyota-Werk wieder in den Sinn gekommen. Da werden bis zu neun ziemlich verschiedene Modelle auf einer Linie produziert und auch die kurz sichtbaren Tätigkeit lassen eine hohe Abwechslung vermuten. Ohne, dass ich bei Volvo in den 70ern dabei war, werd' ich trotzdem den Verdacht nicht so ganz los, dass da vielleicht auch erstmal eine (vorgedachte) Lösung im Raum stand, das Problem und die Konsequenz speziell bei dieser massiven Umgestaltung nicht ganz durchdrungen waren. So eine Vorgehensweise wäre ja auch kein Einzelfall.
LeanThinking - Andre Kürzel
LeanThinking - Andre Kürzel, am 16. Juni 2024 um 17:59 Uhr
wir haben ja vor 3 Jahren ein ähnliches Konzept für unsere CNC-Fertigung eingeführt - 2 Mitarbeiter bedienen jeweils gemeinsam 4-6 Maschinen. Das hat nachweislich die Produktivität verbessert.
Götz Müller
Götz Müller, am 16. Juni 2024 um 18:26 Uhr
Kenn' ich auch von einem Kunden 👍
Ralf Volkmer
Ralf Volkmer, am 16. Juni 2024 um 15:55 Uhr
Götz Müller, Thorsten Speil, LeanThinking - Andre Kürzel, Tobias Herwig was denk ihr, braucht es einen neuen Anlauf von diesem Konzept?

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