Zehn Fragen zu Heijunka

Zehn Fragen zu Heijunka

Warum sollte man sich mit Heijunka beschäftigen, was bringt's und welchen Nutzen kann man daraus ziehen? Wie funktioniert Heijunka, welche Voraussetzungen sind notwendig und welche Randbedingungen sollte man beachten? Wer sind die Beteiligten an Heijunka, wer sollte einbezogen werden, welche Wechselwirkungen gibt es und wie sieht der Einstieg aus?

06. Juni 2023 um 09:52 Uhr von Götz Müller


Zehn Fragen zu Heijunka

  1. Was sind Auslöser, um sich mit Heijunka zu beschäftigen?
  2. Was sind typische Gründe für die Probleme?
  3. Was bringt Heijunka?
  4. Wie funktioniert Heijunka?
  5. Welche Voraussetzungen benötigt Heijunka?
  6. Wer sind die Beteiligten? Wer muss alles einbezogen werden?
  7. Welche Wechselwirkung mit anderen Lean Methoden und Werkzeugen gibt es?
  8. Wie sieht die grundsätzliche Einführung von Heijunka aus?
  9. Was ist bei der Einführung zu beachten?
  10. Wo kann man sich über Heijunka informieren?

Teilautomatisiertes Transkript

1. Frage: Was sind die Auslöser, sich überhaupt mit Heijunka zu beschäftigen?

Von außen betrachtet sind es oft lange, schwankende Durchlaufzeiten, das heißt eine gewisse Form der Unzuverlässigkeit, vielleicht auch wahrgenommene, vermeidliche Unzuverlässigkeit der Produktion.

Das führt dann sehr oft zu Überlastung in der Produktion, zu Feuerwehr-Aktionen ausgelöst durch die unterschiedlichsten Instanzen im Unternehmen, vom Vertrieb, von der Produktionssteuerung.

Unterm Strich führt zu einer sehr unausgeglichenen Produktion, passiert besonders dann, wenn ich, vermeintlich, kundenauftragsbezogen produziere, also diesen direkten Bezug in der Produktion zu Kundenaufträgen habe und dementsprechend alle Schwankungen, die ich vom Kunden her, vom Markt her bekomme, direkt in die Produktion durchschlagen.

2. Frage. Was sind typische Gründe für die genannten Probleme?

Da gibt es ganz unterschiedliche Dinge. Man sollte sich aber darüber eben ganz bewusst sein, was gibt es für Gründe, die durchaus eben nicht alle gleichzeitig auftreten müssen? Oft ist eine lokale Informationsverarbeitung in den verschiedenen Instanzen, also vom Vertrieb, Auftragsvorbereitung, Produktionsplanung.

Da findet dann lokale Optimierung statt, die einzelnen Stufen, die einzelnen Schritte der Supply Chain sind dann linear, saisonal oder geglättet, unabhängig voneinander.

Prognosen basieren dann auf anderen Prognosen, die ganz oft mit Endkundenbedarf, gar nichts mehr zu tun haben.

Dann werden Informationen mit den Upstream-Supply-Chain-Stufen unzureichend geteilt .

Weil daraus schon erste Probleme entstehen, fängt jeder an, eine gewisse Form von Engpass-Poker zu betreiben, das heißt, es werden Bestellungen erhöht, die dann unter Umständen storniert werden, speziell eben auf Kundenvertriebsseite. Es finden komplexe Verkettungen von Einzeleffekten statt. Ein sehr berühmter Effekt ist hier der Bullwhip-/Peitscheneffekt, den man das erste Mal bei Windeln festgestellt hat.

Dann fängt es an, dass rationiert wird, dass priorisiert wird, nach ABC-Kunden, dass dann Preisaktionen, Preisfluktuationen durch Sonderaktionen passieren. Dass Kunden Vorräte sich anlegen, weil sie denken, dadurch wird durch die Marge besser. Das verfälscht wiederum den Bedarf, das verfälscht die Nachfrage. Wenn ich Promotions mache, verfälscht das auch wieder das, was im Vertrieb geplant wird, was dann in der Produktion ankommt.

Dann gehen Informationen zu Lieferanten raus, wenn ich selber eben Lieferant bin irgendwo in der Kette drin.

Dann sind es unterschiedliche Aufträge, die gebündelt werden. Economy of Scale, Überbedarfsdeckung, manchmal verzögert man Bestellungen bis dann auf den letzten Punkt raus, weil man denkt, man könnte den Bedarf steigern und dadurch bessere Preise kriegen. Alles verfälscht das.

Dann wird extern gebündelt beim Logistiker. All das sind Ursachen, die zu diesen Effekten, wie sie in der ersten Frage diskutiert wurden, führen.

3. Frage: Was bringt Heijunka?

Es gibt drei japanische Begriffe Muda, Mura und Muri, die alle eng miteinander verwandt sind, die 'ne Folge ganz oft darstellen. Das beginnt damit, dass ich keinen ruhiges, gleichmäßiges Arbeiten in der Produktion habe. Das ist das, was unter Mura fällt, also Unausgeglichenheit, was dann logischerweise in der Folge bis hinzu eben Überlastung von Menschen und Maschinen führt. Das ist das, was Muri nennt, das Ganze dann zu Muda führt. Zu den bekannten sieben plus eine Verschwendungsarten.

Insgesamt bringt mir Heijunka aber eben auch eine höhere Effizienz und Flexibilität in der Produktion.

4. Frage: Wie funktioniert Heijunka?

Ein ganz wichtiges Element ist Every Part Every Intervall. Das heißt, jedes Teil in jedem Intervall zu produzieren.

Intervall heißt hier in dem Fall Schicht, Tag, Woche oder eventuell auch mehr. Dadurch erreiche ich also 'ne Entkopplung der Produktion vom direkten Kundenbedarf.

Gleichzeitig verteil' ich unter Umständen eben Störungen, die im Grunde auch nie hundertprozentig auszuschließen sind, die verteile ich halt auf mehrere Artikel.

Was ich dann aber durchaus über etwas erhöhte Bestände auffangen kann. Bestände grundsätzlich sind nicht schlimm, wenn ich sie ganz gezielt einsetze.

5. Frage: Welche Voraussetzungen benötigt Heijunka?

Für Heijunka ist ganz, ganz zentral, dass ich sehr stabile Prozesse habe, dass ich es vermeide, Störfaktoren von außen, aber eben auch innere Störfaktoren. Dass ich sehr kurze Rüstzeiten habe, so sonst gelingt mir das nicht eben, möglichst schnell möglichst in jeder Zeiteinheit, in jeder Schicht jedes Teil zu produzieren, wenn ich dazwischen unheimlich lange Rüstzeiten hätte, wäre das absolut kontraproduktiv. In dem gleichen Zusammenhang ich hab' dann auch sehr hohe Anforderungen an die Materialbereitstellung. Also da darf dann auch nicht dem Zufall überlassen sein, ad hoc erfolgen, sondern ganz gezielt und geplant.

Das heißt auch durchaus, wie schon erwähnt, dass ich mit Supermärkten arbeite, mit Beständen innerhalb der Produktion und aber auch eben mit Beständen in Form von Fertigteillager Richtung Kunde.

6. Frage: Wer sind die Beteiligten, wer muss alles einbezogen werden?

Das klingt schon in den vergangenen Fragen an. Bei Heijunka ist ganz zentral, dass ich im Grunde alle Beteiligten in der gesamten Wertschöpfungskette, also von Lieferanten bis raus zum Kunden, bis zum Vertrieb davor, dass sich die miteinbeziehe, dass ich die Produktionsplanung und -steuerung einbeziehe.

Dass ich meinen Vertrieb auch soweit etwas einschränke, dass ich ihm keinen direkten Durchgriff, Zugriff auf Produktionsprioritäten gebe, weil eben sonst dieser Effekt der Unausgeglichenheit und folgenden Überlastung auftritt. Das heißt auch, das Marketing darf hier keine unabgestimmten Sonderaktionen fahren.

7. Frage: Welche Wechselwirkungen mit anderen Lean-Werkzeugen und -Methoden gibt es?

Heijunka ist sicher eine der anspruchsvollsten Methoden im Werkzeugkoffer des Lean Managements. Da gehört dann auch dazu als Voraussetzung, dass ich Wertstromanalyse, dass ich Wertstromdesign mache, dass ich also meinen Wertstrom wirklich im Griff habe, im Sinne der vorher genannten kleinen Elemente genauso wichtig für kürzeste Rüstzeiten eben, dass ich laufende Rüstzeitoptimierung mache, dass ich meine Ruhezeiten stabilisiere, dass ich mich also darauf verlassen kann, welche Zeiten da notwendig sind, damit ich die auch so einplanen kann. Dann brauche ich typischerweise eben auch ganz gezielte Bestandsführung, was ich über Kanban-Mechanismen ausnutzen.

8. Frage: Wie sieht die grundsätzliche Einführung von Heijunka aus?

Typischerweise wird es in fünf Schritten gemacht. Ganz am Anfang beginnt mit einer Ist-Aufnahme, mit einem Status quo. Ich klassifiziere überhaupt erst mal meine Wertströme in rote und grüne. Grün heißt das sind die Vorhersagbaren und die Roten sind die eben, die nicht vorhersagbar sind und ich arbeite dann mit festen Sequenzen und dem festen Volumen. Das ist der Einstieg. In dem Zusammenhang schaffe ich mir dann auch die notwendigen Unterstützungsfunktionen, in der Logistik, im Rüsten.

In den hier implementierten Zyklus produziere ich also jedes Produkt in jedem Intervall, das muss ich mir überlegen.

Im zweiten Schritt, dann arbeite ich mit schnelleren, festen Sequenzen und festem Volumen, das heißt über die Beschleunigung, über kürzere Rüsten, über kleinere Lose schaffe ich also Routine, schaff ich Wiederholungsroutine?

Ich beginne zu optimieren, ich lerne dabei.

Im dritten Schritt geht es darum, weiter mit festen Sequenzen, aber jetzt mit variablen Volumen zu arbeiten, und dann berücksichtigt ich also auch aktuelle Verkaufsmengen als Einflussfaktor auf das, was ich produziere, auf das, was ich einkaufen muss, auf die Rohstoffe und auf Unterstützungsfunktionen.

Im vierten Schritt da dreht sich dann. Jetzt arbeite ich mit variablen Sequenzen, aber festem Volumen.

Das heißt, ich mache nicht alles auf einmal, ich fange an mit einer behutsamen Flexibilisierung. Durch die festen Volumina gelingt es mir aber, das besser handzuhaben.

Und dann erst im letzten und fünften Schritt arbeite ich also mit variablen Sequenzen ,mit variablem Volumen. Dadurch habe ich dann das ultimative Fluss- und Pull-Prinzip. Ich reduziere die Losgröße soweit wie es geht, bis im Idealfall auf 0. Die Frage, die ich mir hier natürlich immer stellen muss, was ist die angemessene los? Einheit ist das 'ne Palette, ist das ein Bag, ist es eine LKW-Ladung, ist es vielleicht das Einzelteil.

9. Frage: Was ist bei der Einführung zu beachten?

Ganz klar, Heijunka geht nicht von 0 auf 100. Ich muss in diesen genannten fünf Schritten anfangen. Ich muss es schrittweise einführen. Ich brauche auch zwischendrin, zwischen den Schritten, in den Schritten immer wieder Entwicklungsphasen, Stabilisierungsphasen, bis ich zum nächsten Schritt, bevor ich zum nächsten Schritt übergehe. Ich brauche auch ganz wichtig gezielte Bestandsauslegungen, die eben auch nicht konstant sind, sondern sich verändern können, aber ich muss es ganz gezielt machen. Ich muss mir Supermärkte ganz gezielt berechnen.

10. Frage: Wo kann man sich über Heijunka informieren?

Da ist leider so mir ist persönlich keine dezidierte Literatur bekannt, es kommt immer wieder in der einschlägigen Literatur vor. Es wird dort am Rande erwähnt, es gibt aber anders wie bei Toyota Kata oder beim A3 Management oder vielen kleinen und größeren Methoden und Werkzeugen gibt es kein mir bekanntes Buch, das sich nur auf das Thema konzentriert.

Es gibt eben kein universelles Schema von diesen fünf Schritten vielleicht mal abgesehen. Man muss es definitiv immer in Verbindung mit anderen Maßnahmen sehen. Wertstromanalyse ganz zentral, Wertstromdesign, den Wertstrom eben umgestalten. Rüstzeitoptimierung dann im Grunde ist eben eines der zentralen Elemente, auch hier grundsätzlich die Durchlaufzeit zu reduzieren, da ist Heijunka eine Methode dazu, die aber definitiv nicht alleine steht, die andere Methoden erfordert.

Zusammenfassend kann man über Heijunka, die Produktionsglättung sagen, in meinen Augen ist die Königsdisziplin im Lean Management. Das mag auch der Grund sein, warum sich relativ wenige damit beschäftigen, weil man unheimlich viele Dinge berücksichtigen muss, weil es keine Sache ist, die man in wenigen Wochen und auch nicht in wenigen Monaten einführt.

Es betrifft die gesamte Wertschöpfungskette wirklich von den Lieferanten raus, manchmal bis zu den Lieferanten hin bis zum Kunde, alle Instanzen zwischendrin müssen da eng miteinander zusammenarbeiten, sonst wird es unterm Strich nicht funktionieren.



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