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Warum manche Menschen Anstoß an einem Denkanstoß zur "Macht der Sprache" nehmen
Unser aktueller Produktbestseller bei Red42 ist ein A1-Poster. Es trägt den Titel Die Macht der Sprache. Erstmals haben Silke Hermann und ich dieses Poster im Jahr 2018 publiziert. Damals war das Design dieses Posters noch in schwarz und weiss gehalten, seit der 2. Auflage kommt es etwas sanfter daher, in lila und gelb. Warum wir gerade in diesen Tagen so viele Macht der Sprache-Poster verkaufen, das liegt, oberflächlich betrachtet, an einem einzigen LinkedIn-Thread, der in den letzten Tagen über 115.000 Views produziert hat. Eine unglaubliche Resonanz, die uns allerdings auch nachdenklich stimmt.
Die enorme Resonanz rund um das Poster zur Macht der Sprache hat auch damit zu tun, dass unser Produkt etwas unternimmt, das einigen wohl als "unglaublich", als "unmöglich", ja sogar als frevelhaft erscheint: Das Poster vereint mehr als 320 sorgfältig ausgewählte Begriffe, von denen Organisationen einen Teil, nämlich ungefähr die Hälfte, komplett ablegen sollten, wenn sie komplexitätsrobust und beweglich sein wollen. Und es enthält andere, wunderbare Begriffe, die in Organisationen viel zu wenig und zu selten verwendet werden, die aber nützlich sind, um in komplexen Märkten zu bestehen. Ein Affront? Auf den ersten Blick möglicherweise schon. Zumindest ungewohnt, da viele Begriffe der Organisationssprache wohl als "alternativlos" gelten. Falls du den LinkedIn-Thread zum Poster Macht der Sprache bislang verpasst hast, findest du ihn hier.
Ein Unterscheidungsangebot, um Sprachmuster begreifbar zu machen
Der Thread zum Poster Macht der Sprache führte zu sehr viel Zustimmung, Lob, Nachdenklichkeit und starkem Interesse, das sich auch in Posterkäufen niederschlug. Über diese Resonanzen freuen wir uns natürlich sehr. Es gab aber auch nicht wenige Rückmeldungen mit dem Charakter der Empörung. Einer Empörung, die uns als erfahrene Berater und Autoren mit jahrzehntelanger Tätigkeit rund um Organisationsforschung und Organisationsgestaltung erstaunt hat. Die Aufreger kamen von Menschen, die die angebotenen Unterscheidungen offenbar als Infragestellung ihrer eigenen Arbeit und ihrer professionellen Selbstverständnisse interpretiert haben. Anders gesagt: Da gingen eine ganze Menge Filme ab, die mit unserem Poster wenig zu tun haben, und die auch nicht beabsichtigt waren. Zum Kontext: Das Poster ist seit sechs Jahren am Markt; es ist bisher in drei Auflagen erschienen und von Kolleginnen und Beratern im ganzen deutschsprachigen Raum in vielfältigster Form genutzt worden. Ausgeprägt heftige Reaktionen auf das Poster gab es in all dieser Zeit nie.
Was uns zu der Frage führt: Warum wird etwas zum Thema "Sprachkritik" gerade jetzt zu einem Triggerpunkt, wo es doch weder völlig neu, noch im Kontext der Organisationsgestaltung fachlich unerwartbar ist? Eine These, über die wir intensiv nachdenken, und über die es sich vielleicht zu diskutieren lohnt: Hat die Aufregung um das Thema, die wir beobachten konnten, auch etwas mit den autoritär-konservativen Rückschlägen zu tun, die sich derzeit in gesellschaftlich-sozialen Kontexten insgesamt beobachten lassen? Die Krise der aufgeklärten, modernen Demokratie ist, so könnte man vermuten, gleichlaufend mit einer Krise der aufgeklärten, modernen Unternehmensführung. Das mag zunächst als Überinterpretation erscheinen. Nichtsdestotrotz gilt es zu beachten, dass Organisationen Debattenräume sind.
Für uns als Red42 war auch ein weiteres Muster in den Reaktionen deutlich erkennbar: Häufig wurde innerhalb der Empörungsresonanzen implizit oder explizit zum Ausdruck gebracht, man habe ein Anrecht und einen Anspruch auf beliebig viel und beliebig formulierte persönliche Diskussion und Auseinandersetzung mit mir. Es wurde unterstellt, dass jemand, der Inhalte teilt oder anbietet, ohne Begrenzung und nach dem Gusto all jener, die sich in einem Thread zu Wort melden, Rede und Antwort stehen muss (und nicht nur kann). Andernfalls, so lautet diese Anspruchslogik, sei man ein "Diskursverweigerer". Es ist eine Logik, die all das produziert, was sich Plattformen wie LinkedIn wünschen.
Aber kommen wir zurück zum Inhalt des Posters.
Organisationen treten sprachlich und begrifflich auf der Stelle
Die Gründe dafür, warum Organisationen in der Nutzung vieler "schlechter", ja sogar dysfunktionaler Begriffe verharren und warum sie viele exzellente, nützliche Begriffe kaum nutzen, sind vielfältig. Wir, Silke Hermann und ich, sind es ein wenig leid, die Gründe für diese Schieflage immer wieder aufzuzählen und dabei möglicherweise auch noch den Zeigefinger erheben zu sollen. Nicht zuletzt darum haben wir in den vergangenen Jahren einige Bücher, viele Artikel und auch Forschungspapers geschrieben, die nicht nur Kritik formulieren, sondern die vor allem konstruktive Lösungen aufzeigen. In diesem Zusammenhang ist unser Buch Komplexithoden zu erwähnen, der im Redline Verlag erschienen ist und jetzt in einer Neuauflage vorliegt. Mit bislang mehr als 30.000 verkauften Exemplaren bietet Komplexithoden alle fachlichen Grundlagen dazu, die man braucht, um eine zeitgemäße BWL in Organisationen aller Art zum Leben zu erwecken. Unser Poster zur Macht der Sprache ist aus der Arbeit an "Komplexithoden" heraus entstanden. Es geht aber ganz anders vor.
Das Poster zielt direkt auf die Begriffe ab, die wir in Organisationen verwenden (oder auch nicht). Die beiden Auflistungen ermöglichen es, in Organisationen ohne vorherige Lektüre und ohne Vorlauf ins Gespräch über das Sprechen, das Denken, die Erzeugung von Sinn und über unsere Begegnungsqualität einzusteigen. Anhand von Worten, ohne erhobenen Zeigefinger, aber auch ohne Blumigkeit oder Ideologisierung. Für manche Gemüter kann das Gespräch über die Qualität der eigenen Begriffe auf den ersten Blick durchaus ein wenig "irritierend" erscheinen: Jene, die sich anfangs "angefasst" fühlen, kommen unserer Erfahrung nach aber schnell auf den Geschmack, wenn sie das Gespräch über die entsprechenden Muster erst einmal begonnen haben.
Nicht nur zu etwas hin: Auch von etwas weg!
Aber warum das alles? Warum lohnt es sich, die Sprache zum Thema zu machen, die wir in Arbeit und Organisationen verwenden? Eine Antwort darauf ist simpel: Die Qualität unserer Beziehungen ist eng mit der Qualität der Zusammenarbeit verbunden. Sprache macht einen Unterschied für gemeinsame Arbeit und Wertschöpfung. Für uns gibt es aber noch einen weiteren Grund zur Auseinandersetzung mit Organisationssprache. Und der ist etwas weniger offensichtlich. Alles, was meine Kollegin Silke Hermann und ich im Zusammenhang mit Red42 machen, hat dezentralisierte und demokratische Organisationen "jenseits von Command-and-Control" zum Thema. Das gilt für unsere Bücher, unsere Beratungsarbeit, unsere Transformationsunterstützung für Unternehmen: Alles, was wir tun, soll auf Dezentralisierung (oder Föderalisierung) von Organisationen abzielen bzw. einzahlen.
Andere machen andere Dinge - wir machen nur das: Dezentralisierung. Was wir aber zuweilen in öffentlichen Arenen wie dem Thread zum Poster beobachten, sind Äusserungen mit dem Tenor: "Aber ich beschäftige mich doch auch mit Selbstorganisation und Agilität – und ich sehe das trotzdem völlig anders!". Das Problem dabei: Selbstorganisation, Lean und Agilität sind wichtig und gut. In der Praxis laufen sie zumeist aber auf etwas fundamental Anderes hinaus als die Dezentralisierung ganzer Unternehmen, wie wir sie anstreben und betreiben. Es bedarf einer sauberen Unterscheidung zwischen Arbeit im System und Arbeit am System.
Denn wenn wir uns mit konsequenter Dezentralität in Organisationen beschäftigen, spielt die Überwindung von Begriffen, die aus der Welt von Command-and-Control kommen, die also letztlich autoritär und patriarchalisch geprägt sind, eine entscheidende Rolle. Anders als in der Arbeit mit Agile, Lean, New Work und Selbstorganisation. Die Begriffe infrage zu stellen und die Begriffsqualität organisationsweit zu erhöhen hat nichts mit persönlichem Geschmack oder gar mit moralischen Urteilen zu tun. In Dezentralisierung und Demokratisierung von Unternehmen ist die Arbeit an den Begriffen kein "nice-to-have" – sie ist eine Notwendigkeit!
Für unsere Arbeit hat das Konsequenzen: Wir als Red42 arbeiten ausschliesslich mit Kunden zusammen, die sich entschieden haben, ihre Unternehmen konsequent dezentralisiert aufzustellen, um diese leistungsfähiger, belastbarer, beweglicher und erfolgreicher in die Zukunft führen zu können. Wie gesagt: Andere machen andere Dinge, wir machen nur das. Unsere Kundinnen jedenfalls begreifen Dezentralisierung einerseits als Akt der Unternehmenssicherung, andererseits wollen sie humanistischen Ansprüchen an moderne Arbeit und Organisation genügen. Für sie ist das Poster zur Macht der Sprache ein Füllhorn der Ideen und Einsichten.
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Mehr zum Thema und zum Poster "Macht der Sprache"
Hier gibt's ein kurzes Video von mir zu diesem Poster
Hier geht's zum Shop von Red42 mit vielen Produkten in Deutsch und in weiteren Sprachen
Das A1-Poster "Die Macht der Sprache" ist exklusiv bei Red42 zum Einzelpreis von EUR 9,00 erhältlich. Mengenrabatte gibt's ab 10 Exemplaren. Das Poster wird mit einem praktischen Sticker geliefert, der verschiedene praktische Übungen für Workshops, Arbeitssessions und Gruppenevents anbietet.
Links: Überblick zum Poster "Die Macht der Sprache" von Red42. Nutzungshinweis: Anfängliche Irritation löst sich nach wenigen Minuten des Nachdenkens auf!
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Hauptsache bunte Bilder und viele Anglizismen
So wird das nichts mit Lean!
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