Weiteres Salz in die (schwärende) Wunde – ein echter #Syska eben!
Andreas Syska, Professor für Produktionsmanagement an der Hochschule Niederrhein, hat ein weiteres Buch veröffentlicht. „Unsere Arbeit. Unsere Wirtschaft. Unser Leben - IDEEN für das digitale Morgen“, so der Titel seiner neuesten Publikation.
Andreas Syska habe ich - initiiert durch Dr. Winfried Felser - 2016 erstmals in Köln persönlich kennengelernt. Seither sind wir uns immer wieder begegnet, haben gemeinsam das eine oder andere wie bspw. #Deutschland2040 unternommen und hatten an „besonderen“ Orten – u.a. auf der Festung Ehrenbreitstein - tolle Gespräch. Ich freute mich, wenn Andreas Syska als Teilnehmer und Speaker aber auch als Impulsgeber im Rahmen des Symposium Change to Kaizen sowie des Events #LATC zu Gast war.
Warum ich dies erwähne? Der Grund ist Syskas neuestes Buch. Wie kein zweiter legt er - wie bereits in seiner Veröffentlichung „Illusion 4.0 – Deutschland naiver Traum von der smarten Fabrik“ - den Finger in die Wunde all derer, die „behaupten, im Besitz der Wahrheit zu sein“, wenn es um die Digitalisierung geht und hält schonungslos den „Heilsversprechenden Trittbrettfahren“ den Spiegel vor.
Aber auch uns als Bürger, uns als Kunden „ermahnt“ Syska, denn schließlich sind all die verlockenden digitalen Angebote, welche uns wundervollverpackt angeboten werden, nicht kostenlos – wofür wir nicht zuletzt „wenigsten“ mit unseren Daten bezahlen. Wir dies jedoch billigend in Kauf nehmen, um nicht als digitaler Neandertaler - wie es uns suggeriert wird - zu gelten, wenn wir nicht jeden neusten Trend mitmachen.
Wie man es für einen Professor für Produktionsmanagement erwarten kann, geht es in dieser neuen Publikation selbstverständlich auch um die Frage der Digitalisierung im Umfeld von Unternehmen. Ernüchternd blickt Andreas Syska darauf, was „eigentlich“ aus der im April 2011 von der damaligen Bundesregierung auf der Hannover Messe ausgerufenen, vierten industriellen Revolution hierzulande geworden ist und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis:
„Das Narrenschiff ist auf dem Weg – ohne Ziel und ohne Kompass […] wie bei jeder großen Veränderung braucht auch Industrie 4.0 eine Vision und eine Antwort nach dem Warum. Auf beides warten wir seit bald 10 Jahren vergebens. […] Gäbe es ein Navigationssystem für die Digitalisierung der Fabriken, würde es sagen: Nach Möglichkeit bitte wenden.“
Es ist genau die Art der Direktheit, die mir an Andreas Syska gefällt, diese doch so unangenehmen Fragen und pointierten Bemerkungen. Zu Recht - jedenfalls aus meiner Sicht - „regt er sich darüber auf“, dass es hierzulande an „datenbasierten Geschäftsmodellen“ fehlt und stattdessen „selbstverliebte Nabelschau“ betrieben wird, um den „Super-Standard“ für eine exzellente Datenschnittstelle zu erfinden.
„So tüfteln die Deutschen an Schnittstellen, während die Amerikaner (A.d.V.: und auch in China) Geschäftsmodelle entwerfen […] sich fragen welches Geld verdient werden kann […] die digitalen Claims abstecken und neue Märkte schaffen.“
Wie gerne würde ich hier noch ausführlicher aus diesem Buch zitieren und darüber schreiben, aber schließlich sollten Sie sich ja ihr eigenes Bild über das von Andreas Syska Niedergeschriebene machen. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen anschließend lediglich diejenigen Kapitel aus dem Buch auflisten, in denen ich persönlich mit meinen Gedanken hängen geblieben bin und lade Sie gerne ein, dieser „Auflistung“ zu folgen. Vielleicht fragen Sie sich, weswegen ich diese Auflistung mache. Nun, das vorliegende Buch ist eine Sammlung von vielen Beobachtungen, welche Andreas Syska in diesem thematischen Kontext in den letzten Jahren gemacht und in 22 Kapitel (Kurzgeschichten) niedergeschrieben hat. Dazu glaube ich, Andreas Syska gut genug zu kennen, dass es nicht sein Anliegen war, in die tiefste Tiefe zu gehen, sondern die gesamte Bandbreite der Auswirkungen rund um die Digitalisierung zu beleuchten. Wie sonst wäre er auf den Titel des Buches „Unsere Arbeit. Unsere Wirtschaft. Unser Leben.“ gekommen.
- In Kapitel 5 mit dem Titel „Das dritte Rad am Wagen“ erhält man eine kleine Vorahnung, was geschehen wird, wenn Fabriken durchdigitalisiert sind. Hier beschreibt Syska die unweigerlich neue Ordnung der Produktionsfaktoren. Anstelle der heutigen Reihenfolge Mensch, Betriebsmittel und Material, steht das Material nun an der Spitze der Produktionsfaktoren, gefolgt von Maschinen und am Ende findet sich der Mensch wieder.
- Spannend ist auch Kapitel 6 mit der Überschrift „Work-Life-Bullshit“. Spannend deshalb, weil wir bei der Verwendung von so manchen, sich eingebürgerten Begriffen nicht mehr so genau hinschauen - Syska hingegen schon: “Work-Life-Balance geht davon aus, dass Berufsarbeit etwas anderes ist als das Leben und das beide Bereiche in Balance zu bringen sind.“ Richtigerweise bemerkt Syska dann auch, dass das „Pärchen Arbeit und Freizeit“ die bessere Bezeichnung wäre, denn auch in der Freizeit arbeiten wir, müssen Verpflichtungen nachkommen. Möglicherweise fragen auch Sie sich, weswegen Syska die zuvor genannte und mittlerweile gängige Begrifflichkeit hinterfragt bzw. ersetzen möchte.
Eine Seite weitergelesen, wird dies jedoch klar, denn Andreas Syska hinterfragt in seiner Betrachtung den kontextuellen Zusammenhang zwischen „Arbeitszeit und Privatzeit – Fremd- und Selbstbestimmung“. Was hat das alles jedoch in einem Buch rund um Digitalisierung & Co. zu suchen? Ich meine es verstanden zu haben, schließlich erschien das Buch in der Hochphase der Corona-Pandemie, also just in der Zeit, als wir „alle“ mehr oder minder im Home-Office arbeiteten.
- Ich kann nicht sagen, ob es Absicht war, dem Kapitel mit der Überschrift „Die Illusion von der eigenen Unantastbarkeit“ die Nummer 13 zu vergeben.
Sollten Sie Mitarbeiter:in einer HR-Abteilung und (möglicherweise) zart besaitet sein, möchte ich Ihnen empfehlen, dieses Kapitel 13 zu überspringen. Eine Kostprobe gefällig?
„Die gute alte Personalabteilung nennt sich heute HR […] und genau diese schreibt derzeit mit Begeisterung Qualifikationspläne weil es glaubt, Dirigent des digitalen Wandels zu sein, dabei ist es dessen erstes Opfer.“
Und für den Fall, dass Sie Gewerkschaftler:in oder in der Wissensvermittlung bspw. als Trainer:in, Hochschullehrer:in tätig sind, „um Dinge vorzulesen, die jemand anders vor Jahren aufgeschrieben hat“, so empfehle ich Ihnen - sofern Sie zur sensiblen Menschengattung gehören - dieses ebenso.
Aber ganz ernsthaft jetzt! Bitte lesen Sie ALLE das Kapitel 13, auch wenn es Ihnen so manches Mal wie Science-Fiction vorkommen mag. Zumal auch meine Eltern sich damals bereits nicht vorstellen konnten, dass ein Schriftstück nicht mehr ausschließlich per Post versendet werden muss, sondern per Telefax übermittelt werden kann und tatsächlich Minuten später beim Empfänger bereits ankommt.
Anmerkung für alle Jüngeren unter Ihnen: Sofern Sie nicht wissen sollten, was mit dieser Gerätebezeichnung „Telefax“ gemeint ist, schauen Sie bitte hier nach.
Ich kann Ihnen allen wirklich sehr empfehlen, dieses Buch zu lesen. Und sollten Sie den Eindruck gewonnen haben, dass ich ein großer Fan von Prof. Dr.-Ing. Andreas Syska bin, dann möchte ich das hiermit bestätigen. Und um zu verstehen, was ihn umtreibt, worauf er wirklich hinweisen möchte, gibt es neben seinen Publikationen ebenfalls weiterführende Videos wie bspw. dieses hier von 3Sat aufgezeichnete.
In seinem Schlusskapitel richtet Andreas Syska den Blick nach vorne und wiederholt nochmals, dass wir ALLE eine Idee davon haben müssen, wie die Zukunft aussehen soll, dass es eine Vision braucht und „Performanceverbesserung eben keine Vision ist“ sowie „Vernetzung um des Vernetzen willen erst recht nicht.“ Abschließend erinnert Syska uns an Ford und Toyota. Was für ein „Vergleich“ denken Sie jetzt möglicherweise. Ja, das eben ist die Art, wie Andreas Syska versucht, unsere Blickrichtung zu verändern. Sofern Sie diesem nicht folgen, möchte ich Ihnen noch folgendes Zitat ans „Herz legen“, um gemeinsam mit Ihnen darüber nachzudenken.
„Ford und Toyota haben das Verständnis von Industrie geprägt wie sonst niemand. Es waren keine technischen Revolutionen, sondern geistige. Sie entstanden in einem dazugehörigen Kontext und haben die Technik nicht als Selbstzweck verstanden sondern gezielt genutzt. Über allem stand eine Vision, eine Idee. Beiden ist gemein, dass es ihnen nicht nur um bloße Performanceverbesserung, sondern um Märkt, Menschen und die Gesellschaft ging.“
Welch eine großartig zusammenfassende Aussage!
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