Vertraue mir - Folge 45
Es gibt Fragen, die so alt sind wie die Menschheit und sie sind jeden Tag und immer wieder aktuell. Eine davon ist die Frage nach dem Vertrauen. In manchen Bereichen des Lebens ist sie, auch ohne dass sie gestellt wurde, bereits beantwortet, oft also negativ.
Der Interviewer hat sich jedenfalls dem Clown anvertraut, der ihn letzte Woche auf dem Buckel 126 Stockwerke vom Vorstandsbüro in die Empfangshalle trug.
Das ging gut … und, es soll hier sehr wohl bemerkt sein, dass das schon eines gewissen Maßes an Vertrauen des Interviewers bedurfte.
So viel vorab.
Es liegt also auf der Hand, den CEO des weltgrößten Unternehmens danach zu fragen, wie er es denn mit dem Vertrauen hält.
Der Interviewer betritt das Vorstands Büro. Elvira begleitet ihn. Elvira ist die Hüterin des Vorstandsbüros, ohne sie betritt niemand die Heiligen Hallen.
Dr. Nemo fegt gerade einen ganzen Stapel Papier von seinem Schreibtisch. Die Fetzen fliegen auf den Boden.
Elvira: „Nemo, was ist los?“
Nemo: „Ach nichts … daily business. Ich bin um eine Hoffnung ärmer und eine Erfahrung reicher.“
Elvira: „So ist das Leben.“
Nemo: „Es soll aber nicht so sein.“
Interviewer: „Trau, schau, wem …“
Nemo: „Ja, Ja …“
Der Clown betritt das Zimmer oder sollte man sagen „die Bühne“?
Clown: „Ist was schiefgelaufen?“
Nemo: „Blöde Frage …“
Elvira sammelt die Fetzen vom Boden, der Interviewer hilft ihr dabei.
Clown: „Was schief lief, ist nicht die Frage, sondern Ihre Reaktion darauf!“
Nemo: „Ich hatte gehofft und hatte vertraut und nix war es.“
Clown: „Sie hatten vertraut, dass alles so läuft, wie Sie dachten?“
Interviewer: „Das ist doch Vertrauen, oder?“
Elvira: „Hätte, hätte, Fahrradkette …“
Nemo: „Lass die Sprüche!“
Clown: „Was meinen Sie mit Vertrauen?“
Nemo: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Trau, schau, wem.
Meine Mutter riet mir, auf die Schuhe von Menschen zu schauen, mein Vater hielt es mehr mit dem Spruch aus dem Film „Casablanca“, der da hieß „Schau mir in die Augen, Kleines“ … ja, da ist was dran. Die Augen sind ja die Fenster zur Seele, so sagt man.“
Clown: „Ach, ist das so? Welcher Augenfarbe trauen Sie denn Herr Vorstandsvorsitzender“?
Elvira kicherte mal wieder. Sie hat übrigens tiefbraune Augen.
Solche schönen Augen verdienen schon der Beachtung, laden sie doch den nördlichen Europäer zum Träumen ein und zu Unterstellungen, die unterhalb der Linie der Augen nicht alle Phantasien oder besser Mutmaßungen einlösen. Das gilt natürlich nicht für Elvira.
Sie ist der personifizierte Traum und der Kenner weiß, dass nicht nur die Farbe der Augen das ausmacht, was Herzen schmelzen lässt.
Clown: „Das – so sagt man – ist ja wohl nicht im Ernst ihre Verhaltensbibel?“
Interviewer: „Mmmh …“
Nemo: „Haben Sie was Besseres?“
Clown: „Was Besseres ist nicht die Frage, es geht um etwas Intelligenteres.“
Der Clown ist mal wieder ein Kommunikationsborderliner, also er traut sich was zu sagen, das eben nicht Mainstream ist, also irgendeine verkommene Psychosauce vermischt mit Aberglauben. Dies „Andere“ könnte man auch „Denken“ nennen.
Nemo schluckt und zieht die Brauen hoch: „Na dann mal raus mit der Sprache!“
Clown: „Ist Vertrauen eine Gewissheit?“
Nemo: „Nein, natürlich nicht. Schön wär’s.“
Elvira: „Das ist auch meine traurige Erfahrung.“
Clown: „Könnte es sein, Sie verwechseln Gewissheit mit Vertrauen?“
Interviewer: „Eigentlich liegt es auf der Hand. Es gibt keine Gewissheit … außer, dass morgens die Sonne aufgeht, jedenfalls irgendwo.“
Clown: „Wenn es keine Gewissheit gibt, ist Vertrauen eine seelische Schlaftablette und eine schöne Droge, deren Wirkung nachlässt, spätestens, wenn etwas dazwischenkommt.“
Jetzt hob ein kleines Palaver an, denn diese Bemerkung widerspricht natürlich dem Buch eines Erfolgsautors mit dem Titel „Vertrauen, der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme“, der Psychobibel Nemos.
Der Interviewer erinnert sich an seinen Ritt auf dem Buckel des Clowns. Der Clown stolperte und anstatt zu fallen, griff er nach einem Besen, der ihm für den Rest des Weges Halt gab.
Clown: „Eine Gewissheit gibt es jedoch.“
Nemo: „Und die wäre?“
Clown: „Das Leben ist keine gerade Linie!“
Nemo blickt auf die Uhr und verabschiedet sich.
Elvira begleitet den Clown und den Interviewer zum Fahrstuhl.
Elvira: „Gibt es denn nicht so etwas wie Vertrauen, denn ohne wäre doch alles fürchterlich.“
Clown: „Ja, gibt es, es ist allerdings die Frage, wie man darüber denkt. Nur mit Vertrauen würde ich nie über eine Brücke gehen.“
Elvira schaut nachdenklich.
Was der Clown mit der geraden Linie, die das Leben eben nicht ist, meint und was er anstelle des Vertrauens setzt, erfahren wir nächsten Dienstag …
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