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Warum tun sich Menschen mit Lean & Co. schwer?
Wenn man sich und speziell anderen diese Frage stellt, ist es wichtig, dass das "Warum" nicht als versteckter Vorwurf wahrgenommen wird. Dies gilt sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeiter. Denn wenn eine solche Wahrnehmung entsteht – unabhängig von der Intention des Fragestellers – führt dies oft zu Widerständen, Rechtfertigungen oder gar einer Verstärkung bestehender Vorbehalte.
Gemeinsame Herausforderungen für Führungskräfte und Mitarbeiter
In meiner Praxis sind mir immer wieder ähnliche Sorgen und Bedenken begegnet – sowohl auf Seiten der Führungskräfte als auch bei den Mitarbeitern. Diese lassen sich in vier wesentliche Bereiche unterteilen:
- Sorgen oder Bedenken wegen neuer Anforderungen auf der Kompetenzebene
- Sorgen oder Bedenken wegen der Veränderung der Führungsrolle bzw. Arbeitsweise
- Sorgen oder Bedenken wegen der zeitlichen Anforderungen
- Sorgen oder Bedenken über die berufliche Zukunft
Obwohl die Perspektiven unterschiedlich sind, zeigen sich in diesen Punkten klare Parallelen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.
Sorgen oder Bedenken wegen neuer Anforderungen auf der Kompetenzebene
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Für Führungskräfte bedeutet Lean oft eine Verschiebung der geforderten Kompetenzen. Statt der ursprünglich im Studium oder der Ausbildung erworbenen Fachkompetenz rücken plötzlich Führungs- und Methodenkompetenzen in den Vordergrund. Insbesondere dann, wenn Lean nicht nur als Sammlung von Werkzeugen verstanden wird, sondern auf Prinzipien und eine tiefere Philosophie aufbaut, entstehen Unsicherheiten. Die Notwendigkeit, nicht mehr selbst im Mittelpunkt zu stehen, sondern vielmehr die Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern, stellt eine Herausforderung dar.
Auch für Mitarbeiter kann diese Veränderung verunsichernd sein. Die eingeführten Methoden erfordern nicht nur ein neues Denken, sondern auch das Übernehmen von Verantwortung in Bereichen, die zuvor vielleicht nicht zu ihren Aufgaben zählten. Gerade wenn eigenständiges Problemlösen oder die Anwendung neuer Konzepte erwartet wird, kann das für manche Mitarbeiter eine Hürde darstellen. Sie fragen sich: "Mache ich das richtig?" oder "Was passiert, wenn ich eine falsche Entscheidung treffe?" Diese Unsicherheiten müssen adressiert werden, um Widerstände zu vermeiden.
Sorgen oder Bedenken wegen der Veränderung der Führungsrolle bzw. Arbeitsweise
Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, dass sich ihre Rolle verändert. Sie sind nicht mehr primär Entscheider und Anweiser, sondern Unterstützer und Coach. Das bedeutet, dass klassische Hierarchiemuster aufgebrochen werden, Entscheidungsprozesse sich verändern und Fachkompetenz stärker auf die operativen Mitarbeiter verlagert wird. Manche Führungskräfte empfinden dies als Kontrollverlust oder gar als Infragestellung ihrer bisherigen Rolle.
Mitarbeiter wiederum erleben die Veränderung ihrer Arbeitsweise. In einem Lean-Umfeld wird erwartet, dass sie aktiv an Verbesserungen mitarbeiten, Verantwortung übernehmen und sich kontinuierlich weiterentwickeln. Während das für einige eine willkommene Herausforderung darstellt, fühlen sich andere möglicherweise überfordert oder sehen nicht den unmittelbaren Nutzen für sich selbst.
Sorgen oder Bedenken wegen der zeitlichen Anforderungen
Lean bedeutet Veränderung – und Veränderungen kosten Zeit. Führungskräfte fragen sich: "Wann soll ich das alles noch machen?" Neben dem Tagesgeschäft scheinen neue Aufgaben hinzuzukommen, die zusätzliche Kapazitäten binden. Wenn zudem die Einbindung der Mitarbeiter nicht frühzeitig berücksichtigt wird, kann Lean schnell als zusätzliche Last empfunden werden.
Auf der Seite der Mitarbeiter ist das Problem ähnlich gelagert. Auch sie sehen Lean oft als zusätzliche Arbeit, besonders wenn der Nutzen nicht sofort erkennbar ist. Wenn Verbesserungsvorschläge zwar eingefordert, aber nicht ernsthaft verfolgt werden oder wenn Zeitersparnisse ausschließlich zur Reduzierung von Personal führen, entsteht Skepsis gegenüber dem gesamten Ansatz. Der Schlüssel liegt darin, Lean als Erleichterung und nicht als Belastung zu positionieren – beispielsweise indem frühzeitig Kapazitäten für Verbesserungen geschaffen werden, anstatt von Beginn an zusätzliche Arbeit aufzubürden.
Sorgen oder Bedenken über die berufliche Zukunft
Für viele Führungskräfte ist Lean mit der Angst verbunden, dass ihre Position an Bedeutung verliert oder gar überflüssig wird. Gerade in der Vergangenheit wurde Lean häufig zur Verkleinerung von Führungsebenen genutzt, was sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Selbst wenn diese Praxis heute nicht mehr verfolgt wird, bleibt die Unsicherheit bestehen – interessanterweise eben sogar, obwohl man als einzelne Personen gar keine aktive Erfahrung damit hat.
Mitarbeiter sehen sich einer ähnlichen Herausforderung gegenüber. Wenn Lean falsch kommuniziert wird oder als reine Effizienzmaßnahme wahrgenommen wird, kommt schnell die Angst auf, dass Rationalisierungen oder Arbeitsplatzverluste folgen. Diese Angst ist besonders in gewerkschaftlich geprägten Unternehmen stark ausgeprägt (was aber den „Schwarzen Peter“ nicht dort platzieren soll!). Um dem entgegenzuwirken, ist es entscheidend, Lean als Investition in die Zukunft zu begreifen – sowohl für das Unternehmen als auch für die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiter.
Fazit: Der Schlüssel liegt in der Kommunikation und Beteiligung
Ob Führungskraft oder Mitarbeiter – die Herausforderungen und Bedenken gegenüber Lean ähneln sich oft stärker, als es auf den ersten Blick erscheint. Der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche Implementierung ist daher eine offene Kommunikation und eine frühzeitige Einbindung aller Beteiligten.
Führungskräfte müssen verstehen, dass ihre Rolle sich verändert und dass sie die Entwicklung ihrer Mitarbeiter aktiv fördern sollten. Mitarbeiter wiederum brauchen die Sicherheit, dass Lean kein Mittel zur Einsparung von Stellen ist, sondern eine Chance für persönliche und berufliche Weiterentwicklung darstellt.
Beides muss proaktiv kommuniziert werden, weshalb Lean bei der Einführung und Vermittlung – bspw. mittels Trainings und Schulungen – nicht nur auf die methodischen Elemente reduziert werden darf.
Letztlich geht es nicht darum, ob Menschen sich mit Lean & Co. schwer tun – sondern darum, wie man ihre Sorgen ernst nimmt und einen Weg findet, Lean als gemeinsame Chance für alle Beteiligten zu etablieren.
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