25 Jahre nach der Ersterscheinung von „The Machine that Changed the World“

25 Jahre nach der Ersterscheinung von „The Machine that Changed the World“

Die älteren unter Ihnen werden sich sicherlich noch gut erinnern können, als das Buch der Bücher in Sachen Lean erschien. Grundlage war eine Studie darüber, was die Unterschiede der verschiedenen Automobilproduzenten in Europa und den USA und Toyota ausmacht.

#leanmagazin
am 16. 12. 2016 in LeanMagazin von LKB


Der SPIEGEL schrieb dazu:

Forscher haben die Produktionsweise der Japaner gründlich untersucht – und kommen zu einem alarmierenden Ergebnis: Die herkömmliche Massenfertigung hat kaum noch Zukunft.“ Und das New York Times Magazin stellte fest: „Die Grundlagen dieses Systems sind in jeder Industrie auf der ganzen Welt anwendbar […] und werden die Welt verändern.

Die „Erfolgsgeschichten“ ließen nicht lange auf sich warten. Allen voran war Porsche der Benchmark für Lean in Deutschland. Der damalige Vorstandsvorsitzende Dr. Wendelin Wiedeking sagte dann auch Ende der 90iger Jahre folgenden Satz:

Wir haben Porsche einfach schlank gemacht. Gelungen ist uns das, indem wir Lean Production, Lean Management und Lean Thinking entschlossen, zügig und konsequent in allen Bereichen der Firma eingeführt und umgesetzt haben.

Noch im Jahre 1993 stand Porsche nicht nur das Wasser bis zum Hals, sondern bis zur Nasenspitze.

Lean, so schien es, war also angekommen in der deutschen Industrie, in den Konzernen sowie in den kleinen und mittelständischen Unternehmen, zumindest konnte man das meinen.
Doch wir alle wissen es heute besser, wie es scheint haben WIR nichts verstanden, WIR haben nicht wirklich verstanden, was Lean ausmacht und was die wirklichen Erfolgsfaktoren sind.

Für uns war dies Grund genug, mehr oder weniger bekannte Experten in Sachen Lean zu fragen: „Was ist von der „Idee“ 25 Jahre nach der Ersterscheinung der Publikation „The Machine that Changed the World“ (zu Deutsch „Die zweite Revolution in der Autoindustrie“) wirklich in den deutschen Organisationen angekommen?

Dazu haben wir Prof. Dr.-Ing. Andreas Syska, Christine Gebler, Conny Dethloff, Dr. Mario Buchinger, Franz-Peter Staudt, Gebhard Borck, Götz Müller, Guido Bosbach, Jan Westerbarkey und Jörg Hattenbach gebeten, uns Ihre Meinung niederzuschreiben, die wir für Sie in einem Buch mit dem Titel „25 Jahre Lean – und alles ist gut?“ zusammengefasst haben.

Dies mit einem Vorwort von Prof. Dr.-Ing. Christian M. Thurnes, welches wir Ihnen hier nicht vorenthalten möchten.

Wer sich mit dem Schlagwort „Lean“ auseinandersetzt oder wer sich mit der Sache „Lean“ auseinandersetzt, ohne das Schlagwort zu kennen, hat sich auf den Weg gemacht, etwas zu lernen. Ich habe vor vielen Jahren diesen Weg eingeschlagen und dabei einige erstaunliche Wendungen, Kreuzungen und mir unbekannte Territorien entdeckt.

Dies liegt einerseits daran, dass es anscheinend so viele verschiedene Lean-Dinge und -Ziele gibt, die jeweils unterschiedliches Vorgehen erfordern. Zum Beispiel ist das Abtauchen in Methoden und Vorgehensweisen mit hohen Anforderungen an Standardisierung oftmals schwierig in Einklang zu bringen, mit vermeintlich freigeistigen Ansätzen wie der kontinuierlichen Verbesserung und dem Lernen aus Fehlern. Das Anstreben und Erreichen höchster Optimierungsziele und Effizienzen lässt sich leicht von Consultants formulieren, aber gleichzeitig stehen Verantwortliche in Unternehmen vor dem Dilemma, ihre Ressourcen eben anscheinend nicht gleichzeitig für Produktion und für Veränderungsprozesse einsetzen zu können. Die resultierenden Konflikte sind vielfältig. Sie bauen sich zum Beispiel um Fragestellungen auf wie: „Führe ich „Lean“ ein? – Falls ja, was genau meine ich damit?“, „Führe ich die Methode X ein?“, „Entwickle ich meine Leute nach dem Prinzip Z?“, „Top-Down oder Bottom-up?“, „Was kommt zuerst, was danach – oder alles gleichzeitig?“ usw. Wenn Sie vor diesen oder ähnlichen Fragestellungen stehen, ist es wenig hilfreich, darauf hinzuweisen, dass in der japanischen Vorlage, die uns auf diesen ganzen Ideen gebracht hat, eben diese Fragen sich meist gar nicht gestellt haben. Denn in Ihrer alltäglichen Praxis müssen Sie Entscheidungen treffen, die Ihren Weg für morgen festlegen. Ich erlebe viele Führungskräfte und Entscheider in Unternehmen, die an Verzweiflungspunkte gelangen, weil sie sich zu vielen offenen Fragen gegenübergestellt sehen. Aber genau diese Verzweiflung gilt es zu bewältigen. Ganz gleich, welche Bewältigungsstrategie dann (individuell – organisational, subjektiv – objektiv, …) angewandt wird – sie führt zu der Entwicklung unseres eigenen erfolgskritischen Wissens.

Andererseits hat das Lernen an sich im Kontext Lean verschiedene Züge – insbesondere weil dieses Lernen zu Veränderung führen soll. Wir haben alle unsere eigenen Ansätze, wie man lernt – als Einzelner, als Organisation. Wir haben alle unsere eigenen Ansätze, wie wir das Lernen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern, entwickeln oder auch lenken. Und zu unseren eigenen Ansätzen kommen noch diverse Ansätze dazu, die von gerade aktuellen Hip-Themen durch die Industrie getragen werden oder solche, die aufgrund übergeordneter Konzernstrategien und –konzepte auf die operative Ebene durchschlagen. Und dann beinhaltet das Thema „Lean“ selbst auch noch eigene Ansätze des Lernens. Ich kann mich sehr gut an das anfänglich unerträgliche Gefühl erinnern, meinen japanischen Senseis in Verbesserungsworkshops nicht widersprechen zu dürfen – also anscheinend meine Kreativität und meine Selbstverwirklichung nicht einbringen zu dürfen. Erst viel später, selbst in der Rolle des Lehrers und Anleiters habe ich diese Lerntechnik wirklich inklusive aller Hintergründe verstanden und schätzen gelernt – da ich aber eben in vielerlei Hinsicht nicht derselbe bin, wie mein japanischer Lehrer, musste diese Technik von mir angepasst werden. Nicht nur an mich, auch an unsere Organisation, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Kultur und so weiter. Aber gerade die Kombination aus erforderlicher Veränderung einerseits und erforderlicher Anpassung andererseits ist eine weitere enorm große Herausforderung. Wenn diese nicht bewältigt wird, passen wir das Falsche an und vermeiden somit die für die Veränderung erforderlichen Konflikte, statt sie zu lösen. Stellen wir uns aber auch den Herausforderungen der Veränderung in unserem Lernen, dann lernen wir auch das Richtige anzupassen – und hieraus entwickeln wir unser eigenes erfolgskritisches Wissen weiter.

Mein persönliches Fazit ist sehr trivial: Ich bin noch nicht am Ende des Weges angelangt – und ich bin mir nicht sicher, ob es ein Ende des Weges geben kann. Aber jeder weitere Schritt wird sicherer, da jeder richtige und jeder falsche Schritt mein Wissen erweitert. Sehr wertvoll sind unterwegs auch die Berichte Anderer, die sich auf dem gleichen oder ähnlichen Wegen befinden – dieses Buch gewährt uns Einblicke in die Ergebnisse und Folgerungen aus ihren Schritten und somit weitere Denk- und Handlungsanstöße für unsere eigene Weiterentwicklung.

Wir sehen uns dann … unterwegs,

Prof. Dr.-Ing. Christian M. Thurnes, M.A.



Kommentare

Bisher hat niemand einen Kommentar hinterlassen.

Kommentar schreiben

Melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.

Teilen

Weitere Inhalte