Habituelle Mitarbeiterbindung (verhaltensfortsetzende Mitarbeiterbindung) einfach erklärt
Was versteht man unter habitueller Mitarbeiterbindung? Wie entsteht habituelle Mitarbeiterbindung? Wie kann man verhaltensfortsetzende Mitarbeitendenbindung steigern? Und: Was hat man als Arbeitgeber davon?
Sämtliche Prognosen für die zukünftige Entwicklung des Fachkräftemangels und Arbeitskräftemangels sehen aus Arbeitgebersicht recht düster aus. Vielen Arbeitgebern gelingt es zurzeit nur mit vergleichsweise hohem Aufwand, gerade die Klientel der erfolgsrelevanten Fachkräfte, Arbeitskräfte und Führungskräfte an Bord zu halten. Auch den Recruitern fällt es heute schon sehr schwer, die vielen - und immer mehr werdenden - rentenbedingten Vakanzen zeitnah wiederzubesetzen. Dabei wird es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nie wieder so „leicht“ sein wie heute, Personal zu gewinnen und zu binden.
Folgerichtig beschäftigen sich immer mehr Vorstände, Geschäftsführungen, HR Business Partner und zukunftsorientiert denkende Führungskräfte mit der Frage, was jetzt zu tun ist, um die Mitarbeiterbindung bei ihrer Belegschaft zu steigern. Das wiederum setzt die Klärung der Frage voraus, was Mitarbeiterbindung ganz genau ist und wie sie entsteht. Denn nur so werden die wirkungsvollsten Ansatzpunkte erkennbar.
Aus dem Privatleben wissen wir: Zu einer Bindung gehören immer (mindestens) zwei. Bindung ist immer auf irgendwen gerichtet. Das ist bei der Bindung von Mitarbeitenden nicht anders: Wenn Mitarbeitende sich verbunden fühlen, dann zu
- dem Unternehmen,
- ihren Aufgaben,
- der jeweiligen Führungskraft und
- ihren Kollegen.
Diese vier Mitarbeiterbindungspartner sind im beruflichen Kontext von zentraler Bedeutung.
Vier habituelle Mitarbeiterbindungspartnerschaften
Neben diesen vier Mitarbeiterbindungspartnerschaften spielen vier Mitarbeiterbindungsebenen eine wichtige Rolle. Die habituelle Mitarbeiterbindung ist eine davon. Synonym werden die Begriffe „gewohnheitsbasierte Mitarbeiterbindung“, „Gewohnheitsbindung“, „Bindung aus Gewohnheit“, „behaviorale Mitarbeiterbindung“, „fortsetzungsorientierte Mitarbeiterbindung“ und „verhaltensfortsetzende Mitarbeiterbindung“ verwendet.
Neben der habituellen Mitarbeiterbindungsebene existieren die normative Mitarbeiterbindungsebene, die rationale Mitarbeiterbindungsebene und die emotionale Mitarbeiterbindungsebene. Dabei wird die Stärke und Intensität von jeder der vier Mitarbeiterbindungspartnerschaften üblicherweise von allen vier Mitarbeiterbindungsebenen beeinflusst. Vereinfacht könnte man sagen: Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. auf allen vier Bindungspartnerschaften.
Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. auf allen vier Bindungspartnerschaften.
Somit bestehen vier habituelle Mitarbeiterbindungspartnerschaften:
- die habituelle Aufgaben- bzw. Tätigkeitsbindung,
- die habituelle Organisations- bzw. Unternehmensbindung,
- die habituelle Team- bzw. Kollegenbindung und
- die habituelle Bindung zur Führungskraft bzw. zum direkten Vorgesetzten.
Wie entsteht habituelle Mitarbeiterbindung?
Habituelle Mitarbeiterbindung beruht auf dem angenehmen Gefühl, das von der Beibehaltung bestehender Gewohnheiten ausgeht. Vorausgesetzt wird ein vorheriges, freiwilliges Verhalten, das mehr oder minder unreflektiert beibehalten wird. Eine habituell geprägte Bindung wird interessanterweise selbst dann aufrechterhalten, wenn ausreichend rationale Gründe vorliegen, diese Bindung zu beenden.
Definition Habituelle Mitarbeiterbindung
"Die habituelle Mitarbeiterbindung beruht auf dem behaglichen Gefühl, das von der Beibehaltung bestehender Gewohnheiten ausgeht. Vorausgesetzt wird also vorheriges, freiwilliges Verhalten, das (…) beibehalten oder sogar noch intensiviert wird.“
Quelle: Wolf, G.: Mitarbeiterbindung
Dieses Phänomen der Fortsetzung von Verhalten und Beibehaltung von Gewohnheiten ist auch aus anderen Lebensbereichen bekannt: Manche Wanderer steigern ihr Schritttempo, sobald sie erkannt haben, dass sie an der letzten Abzweigung falsch abgebogen sind, aber setzen ihren Weg unbeirrt fort. Die Bereitschaft von uns Menschen, einen einmal eingeschlagenen Weg nicht weiter fortzusetzen, abzubrechen oder umzukehren, ist offensichtlich mitunter äußerst gering. Dieses verhaltensfortsetzende Verhalten ist auch in beruflichen Kontexten erkennbar, besonders im Hinblick auf den Verbleib im Unternehmen.
Welche Effekte sind durch verhaltensfortsetzende Mitarbeiterbindung erzielbar?
Lohnt es sich für Arbeitgeber, in die gewohnheitsbasierte Ebene der Mitarbeiterbindung zu investieren? Wie werden sich einerseits die Fluktuationsneigung und andererseits Leistungsbereitschaft, Engagement und Einsatzfreude der Mitarbeitenden verändern, wenn habituell wirksame Mitarbeiterbindungsmaßnahmen umgesetzt werden?
Im Hinblick auf die Fluktuationsbereitschaft ist festzustellen: Der durch Beibehalten von Gewohnheiten geprägte Menschentypus zeichnet sich unzweifelhaft durch eine sehr geringe Fluktuationsneigung aus. Menschen, die aufgrund ihrer Persönlichkeitseigenschaften, den sogenannten Dispositionen, zu habitueller Mitarbeiterbindung tendieren, zeichnen sich üblicherweise durch hohe Verbleibsbereitschaft und langjährige Betriebszugehörigkeiten aus.
Maßnahmen zur Stärkung der habituellen Mitarbeiterbindung fördern die Neigung zum Verbleib im Unternehmen enorm.
Anders sieht es mit der Performance von habituell geprägten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus: Ihre starke Tendenz zum Festhalten an Gewohnheiten mindert häufig deren Performance. Denn es liegt auf der Hand, dass Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und Innovationsfreude nicht gerade zu den Stärken der Gewohnheitstiere zählen. Dennoch ist festzuhalten: Solange weitgehend „Alles beim Alten“ bleibt, erbringen diese Mitarbeiter weitgehend solide Leistungen.
Die Performance der – vom Wunsch nach Beibehaltung ihrer Gewohnheiten geprägten – Mitarbeitenden ist selten besonders hoch ausgeprägt.
Mit welchen Maßnahmen können Arbeitgeber die habituelle Mitarbeiterbindung stärken?
Die verhaltensfortsetzende Ebene ist ein wichtiges Feld zur Gestaltung einer hohen Mitarbeiterbindung. Sie kann zur Senkung der Fluktuationsneigung bzw. zur Beibehaltung und sogar zur Intensivierung des Beschäftigungsverhältnisses führen. Denn die habituelle, fortsetzungsbezogene Ebene ist in der Persönlichkeitsdisposition nahezu aller Menschen verankert, wenngleich in individuell unterschiedlicher Ausprägung. Wir Menschen haben alle ein großes, ein mittleres oder ein kleines Gewohnheitstier in uns. Dies bietet dem Arbeitgeber einige sehr wertvolle Ansatzpunkte, um die Bindung der Beschäftigten zu stärken. Habituelle Mitarbeiterbindung setzt vorheriges, freiwilliges Verhalten voraus. Diese notwendige Bedingung kann bei den meisten Beschäftigungsverhältnissen heutzutage als gegeben angenommen werden.
Sinnvoll sind, generell gesprochen, alle Maßnahmen, die das Gewohnheitstier in den Beschäftigten wecken. Dies gelingt insbesondere durch das Schaffen von Gewohnheiten, die der betreffende Mitarbeitende nach einiger Zeit nicht mehr missen möchte. Das kann
- das tägliche Feierabendbier mit den Kollegen zur Stärkung der habituellen Team- bzw. Kollegenbindung sein,
- das wöchentliche Gespräch mit der Führungskraft zur Steigerung der habituellen Vorgesetztenbindung,
- turnusmäßig zu erledigende Arbeiten zur Verbesserung der habituellen Aufgabenbindung bzw. Tätigkeitsbindung oder
- die monatliche Fragestunde der Unternehmensleitung zur Festigung der habituellen Organisations- bzw. Unternehmensbindung.
Wichtig bei all diesen Maßnahmen ist: Sie müssen regelmäßig und immer im festgelegten Turnus und zur festgelegten Zeit erfolgen. Denn sonst werden sie nicht zu bindungsrelevanten Gewohnheiten. Wenn Führungskräfte beispielsweise Mitarbeitergespräche oder Zielvereinbarungsgespräche ständig verschieben ("Machen wir später mal, Kunde geht vor!"), vergeben sie wertvolle Chancen zur Stärkung der fortsetzungsorientierten Mitarbeiterbindung.
Fazit zur habituellen Mitarbeiterbindung
Die habituelle Mitarbeiterbindung eine der wirksamsten Bindungsdimensionen, wenn es um Fluktuationssenkung und Steigerung der Verbleibsdauer im Unternehmen geht. Es ist jedoch zu beachten, dass Flexibilität, Veränderungsbereitschaft und Innovationsfreude nicht gerade zu den Stärken der stark von Gewohnheiten gelenkten Menschen zählen. Maßnahmen zur Stärkung der Gewohnheitsbindung sind üblicherweise nicht sonderlich kostspielig und schon aus diesem Grunde eine Überlegung wert. Denken Sie dennoch bitte grundsätzlich an das Controlling von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern.
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