Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel: Prognose für die zukünftige Entwicklung
Arbeitgeberattraktivität wird verstanden als Fähigkeit eines Arbeitgebers, das benötigte Personal anziehen, binden und motivieren zu können. Wie relevant ist Arbeitgeberattraktivität in der Zukunft? Wie werden sich der Arbeitskräftemangel und der Fachkräftemangel in der Zukunft weiter entwickeln? Welche Prognosen, welche Vorausberechnungen und welche Szenarien sind (wie) wahrscheinlich?
Der Mangel an verfügbaren Fachkräften stellt die Arbeitgeber in vielen Branchen und Regionen vor gravierende Probleme. Fast alle Leitungen von Unternehmen und Organisationen bezeichnen den Fachkräftemangel mittlerweile als das zentrale Wachstumshemmnis. Woran es liegt, dass es hierzulande zu wenig Fachkräfte gibt, wissen wir: Schuld ist der demografische Wandel.
Wie geht es weiter mit dem Fachkräftemangel? Wird zukünftig aus dem Fachkräftemangel ein Arbeitskräftemangel? Wie wird sich die Bevölkerungsstruktur in D weiter entwickeln? Sollten Arbeitgeber schon heute das Ruder in die Hand nehmen und eine mitarbeiterzentrierte Erfolgskultur etablieren?
Bevölkerungsstruktur: Die Pyramide stellt sich auf den Kopf
Werfen wir einen Blick auf unsere Bevölkerungsstruktur. Seit jeher kannte man dessen grafische Darstellung unter dem Begriff "Bevölkerungspyramide". Falls man in der Antike die erhobenen Volkszählungsdaten mithilfe von Grafiken visualisiert hätten, wäre ein fast gleichschenkliges Dreieck zu sehen gewesen: Unten, bei den gerade Geborenen, breit und nach oben hin spitz zulaufend. Für die vielen Neugeborenen zeichnete die Geburtenziffer von damals im Schnitt rund 6 Kindern pro Frau verantwortlich.
"Kindersegen" war über viele Jahrtausende hinweg immens wichtig: Die eigenen Kinder fungierten als Arbeitskräfte der Eltern und sicherten zudem deren Altersversorgung. Noch um 1900 betrug die Fertilitätsrate auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands über 5 Kinder pro Frau. In Ländern der Dritten Welt ist dies auch heute noch so.
In Deutschland und in so gut wie allen anderen führenden Wirtschaftsnationen hingegen hat sich die Pyramide nach dem Pillenknick nahezu auf den Kopf gestellt. Fast spiegeln sich auf Höhe des Pillenknicks, am zahlenmäßig stärksten Jahrgang 1964, die Zahl der davor und danach Geborenen. Bevor die Anti-Baby-Pille auf den Markt kam, lag die Fertilitätsrate in Deutschland noch bei über 2,5 Kindern pro Frau. Sie sackte in der Folge enorm ab und pendelt seit 1975 - also seit rund 50 Jahren schon - um den Wert von 1,5 Kindern pro Frau.
Vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt
Diese Entwicklung hat nicht nur für die Sozialversicherungen schwerwiegende Folgen, sondern auch für die Wirtschaft. Ein Bevölkerungsrückgang ist die unausweichliche Folge, sobald die Geburtenziffer langfristig unter den Wert von 2,1 Kindern pro Frau rutscht.
Dem Dank Digitalisierung und Globalisierung weiter enorm steigenden Angebot an Waren und Dienstleistungen steht somit ein immer kleiner werdender Kreis an Nachfragern gegenüber. Der Absatzmarkt hat sich schon vor einigen Jahrzehnten vom Verkäufer- zum Käufermarkt gewandelt. Seither gilt: Kunde ist König. Denn er hat die Macht am Absatzmarkt übernommen. Der demografische Wandel führt dazu, dass der Wettbewerb am Absatzmarkt Für Unternehmen Jahr für Jahr ein Stückchen härter wird.
Vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt
Auch am Arbeitsmarkt vollzieht sich ein epochaler Wandel. Erstmalig in der Geschichte der Menschheit treten - in Deutschland seit 2012 - kontinuierlich mehr ältere Menschen aus dem Erwerbsleben aus als junge Menschen ein. Für den hiermit verbundenen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials ist kein Ende absehbar. Die Zahl der Berufseinsteiger:innen wird in den 20 Jahren nie wieder ausreichen, um wenigstens die durch Verrentung entstehenden Vakanzen abzudecken. Geschweige denn, um ein Wirtschaftswachstum zu ermöglichen.
Für Unternehmen als Arbeitskräftenachfrager entsteht am Arbeitsmarkt ein neues strategisches Schlachtfeld, auf dem man Wettbewerber aus dem Rennen werfen kann - oder selbst aus dem Feld geräumt wird. Unternehmen haben nunmehr nicht mehr nur am Absatzmarkt zu kämpfen, sondern auch am Arbeitsmarkt. Hier um Kunden, dort um Mitarbeiter.
Gewinner und Verlierer an den Märkten
Unzweifelhaft wird und muss es Gewinner und Verlierer geben. Auf beiden Schlachtfeldern. Doch nur diejenigen Unternehmen werden überleben, die sich an beiden Märkten zugleich behaupten. Denn es nützt nichts, viele Aufträge hereinzuholen, wenn Mitarbeitende fehlen, um diese abzuarbeiten. Das würde nur zu Unzufriedenheit und Abwanderung von Kunden führen.
Andererseits würden Unternehmen schnell in die Verlustzone geraten, wenn sie am Arbeitsmarkt gewinnen und viele Mitarbeitende vorhalten, aber die Auftragsbücher leer sind.
Vom Fachkräftemangel zum Arbeitskräftemangel
Der vor rund zwei Jahrzehnten geprägte Begriff "War for Talents" ist mittlerweile überholt. In vielen Branchen, beispielsweise im Ingenieurwesen, im Handwerk, in der Softwareentwicklung, im MINT-Sektor sowie in der Alten- und Krankenpflegebranche, tobt am Arbeitsmarkt schon der "War for Anybody".
Das liegt insbesondere daran, dass diese Branchen absatzseitig boomen: Nachfrage und Marktwachstum sind hoch, aber es mangelt an Mitarbeitenden. Die Kranken- und Altenpflegebranche kann den Kundenansturm schon seit vielen Jahren nicht bewältigen. Und die besonders geburtenstarken Jahrgänge kommen ja erst noch ins pflegebedürftige Alter.
Erfolgversprechende Maßnahmen gegen Fachkräftemangel und Arbeitskräftemangel
Der Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal erfasst nach und nach jede Branche, jede Region und jeden Arbeitgeber. Was könnten erfolgversprechende Maßnahmen gegen Fachkräftemangel und Arbeitskräftemangel sein? Zuwanderung? Nein, das zukünftige Arbeitskräftedefizit von rund 10 Mio. erwerbsfähigen Menschen ist nicht durch Zuwanderung aus Krisen- und Kriegsgebieten zu schließen. Selbst eine solch gigantische Zuwanderung, wie sie in den 60er und 70er Jahren mit der "Gastarbeiter-Welle" erfolgte, wäre hierfür bereits rein zahlenmäßig nicht ausreichend. Es wurde den Mangel nur ein klitzekleines Stückchen mildern.
Darüber, ob wir mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und folglich geringerer Arbeitskräftenachfrage diese gewaltige Lücke schließen können, gehen die Meinungen weit auseinander. Denn falls KI beispielsweise die Aufgaben von Menschen in der Buchhaltung übernimmt, steigt zunächst einmal nur die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich. Aber mehr Kranken- und Altenpfleger haben wir dadurch auch noch nicht.
Fazit: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Der demografische Wandel - damit resultierend der Fachkräftemangel und der Arbeitskräftemangel - ist offenbar weder reversibel noch heilbar. Was sollten Arbeitgeber nun tun, um zu den Gewinnern zu gehören? Nichts wirklich Neues, lautet die klare Empfehlung. Wir wenden einfach all die Erkenntnisse, die wir aus dem Wandel vom Verkäufermarkt zum Käufermarkt gewonnen haben, beim Wandel vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt an.
Dazu gehört beispielsweise, die individuellen Wünsche und Anforderungen der Bewerbenden und Mitarbeitenden ernst zu nehmen und soweit es uns möglich ist, zu erfüllen. Ganz so, wie wir es bei unserem König Kunde auch tun.
Wo es Gewinner gibt, muss es Verlierer geben. Unternehmen, die jetzt als Arbeitgeber den Mitarbeitenden ebenfalls zum König ernennen und entsprechend behandeln, werden auch künftig noch erfolgreich an den Märkten agieren. Unternehmen, die dies nicht tun, werden untergehen.
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