Luft-Sandwich? Probieren Sie mal Obeya ...
„Die da oben haben doch keine Ahnung, was hier wirklich los ist“. „Unser Management lebt im Elfenbeinturm.“. Kennen Sie solche oder ähnliche Aussagen von Ihren KollegInnen? Oder haben Sie es insgeheim selbst schon mal gedacht? Vielleicht arbeiten Sie auch auf der „anderen Seite“ und sind Teil des Leadership-Teams. Auch dort gibt es häufig Unverständnis für die anderen Ebenen. „Jetzt reden wir schon seit drei Monaten über die neue Strategie, aber unsere Mitarbeiter ziehen trotzdem den alten Stiefel durch.“
Da fehlt doch was!
Wenn Ihnen solche Aussagen schon mal begegnet sind, ist es ein Indikator dafür, dass es in Ihrem Unternehmen ein Luft-Sandwich gibt. Der Begriff stammt aus dem Buch The New How und bezeichnet den problematischen Zustand, dass es zwar die üblichen Ebenen eines Unternehmens gibt. Allerdings fehlen die essentiellen Dinge dazwischen – Kommunikation, Diskussion, Partizipation. Wie bei einem Ruderboot beim Olympischen Wettkampf kann ein Team nur gewinnen, wenn alle in dieselbe Richtung rudern. Und bei einer anderen Disziplin, einem Wettkampf der Ideen, sollte die jeweils beste gewinnen (genaugenommen: sich iterativ entwickeln) - egal, ob sie vom CEO oder einer Praktikantin stammt.
Ich sehe was, was Du auch siehst
Toyota hat in der 80er Jahren eine Methode entwickelt, das häufig anzutreffende Luft-Sandwich mit den fehlenden Zutaten zu vervollständigen: Oobeya. Es ist das japanische Wort für „großer Raum“ und bezeichnet einen Ort, wo sich Mitglieder des Managements und der operativen Teams regelmäßig treffen. Die Methode wurde erstmalig bei der Entwicklung des Prius eingesetzt, und wird heute von unzähligen Unternehmen in ganz unterschiedlichen Bereichen genutzt.
Gemeinsam sehen, lernen und handeln
Ziel ist es, gemeinsam den aktuellen Soll/Ist-Zustand eines Projekts (oder eines anderen Betrachtungsgegenstands) zu sehen, Herausforderungen zu identifizieren und Aktivitäten zu definieren, die mit übergeordneten Zielen im Einklang stehen. Die kurze Entwicklungszeit des Prius war ein unglaublicher Erfolg, der weltweit Aufsehen erregt hat – und die Obeya-Methode war laut Toyota ein ganz entscheidender Faktor hierbei.
Visuelles Cockpit
Wenn man einen Obeya betritt, fallen einem zunächst die vielen Ausdrucke, Charts und Whiteboards auf, die die Wände des Raums füllen. Die Vielzahl dieser Informationen mag für einen Externen zunächst komplex erscheinen, aber die Mitarbeiter können in einem gut gestalteten Raum auf einen Blick sehen, wo das Projekt steht, und wo es Probleme oder anderen Handlungsbedarf gibt. Der niederländische Obeya-Experte Tim Wiegel hat ein Referenz-Modell entwickelt und empfiehlt die Gestaltung von 5 visuellen Bereichen:
- Vision und Strategien
- Kundenwert liefern (z.B. Wertstromanalyse, Produkt-Backlog)
- Performanz managen (z.B. Metriken, Indikatoren)
- Handeln und reagieren (z.B. Leadership Action Board)
- Probleme lösen (z.B. A3-Methode)
Visuelles Management
Ein Obeya-Raum fungiert also als ein Forum, in dem Leadership und operative Teams volle Transparenz haben, und gemeinsam die Strategie der Organisation umsetzen – Tag für Tag. Analog zu einem Röntgenbild, das einen Patienten nicht gesund macht, sind auch die Poster und Whiteboards nur ein Hilfsmittel, um Handlungsbedarfe zu erkennen, Probleme zu lösen und Aktivitäten zu definieren. Bei größeren Organisationen gibt es zahlreiche Obeyas, und die entsprechenden Kennzahlen und Informationen fließen in diesem Raumnetzwerk auf definierten Wegen hin und her.
Spannend … und jetzt?
Wenn Sie nun Appetit bekommen haben, mehr über Visuelles Management und das Obeya-Konzept zu erfahren, empfehle ich als weiterführende Lektüre Leading with Obeya (deutsche Version in Kürze ebenfalls erhältlich). Sie können sich auch auf der Website der Obeya Association umsehen. Und wenn Sie danach überlegen sollten, welche Bilder Sie in Ihrem Homeoffice von der Wand nehmen müssen, um Platz für Ihren eigenen Obeya zu schaffen, kann ich Sie beruhigen. Es gibt inzwischen Tools, die das Obeya-Konzept in den virtuellen Raum verlegen und damit auch verteilt arbeitende Team unterstützen. Luft-Sandwiches sollten Sie derweil Ihren Marktbegleitern überlassen.
Bildnachweis: „Leading with Obeya – Reference Model“ von Tim Wiegel
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Kommentare
Es handelt sich weder um eine neue Methode, noch einen theoretischen oder gar akademischen Ansatz. Toyota hat das Obeya-Konzept bereits in der 1980er Jahren entwickelt und es wird, aufgrund des großen Erfolges, mittlerweise von zahlreichen Unternehmen eingesetzt. Aus der Praxis für die Praxis also.
Wichtig: Es handelt sich nicht um einen "Quick Fix", also eine schnelle Lösung, die in jeder Situation und für jedes Unternehmen passt. In der Tat profitieren Unternehmen dann am meisten von dem Obeya-Konzept, wenn die Lean-Denkweise bereits verinnerlicht wurde, und es sich um komplexe Produkte bzw. Prozesse handelt.
Ich sehe Obeya als ein weiteres Tool im Werkzeugkasten eines Lean-Experten, das dann genutzt werden sollte, wenn es Sinn macht und die situativ beste Lösung darstellt. Eben wie jedes andere Werkzeug auch.
Ich brauche keinen Oobeya-Raum, ich halte diesen für überflüssig.
So ganz unter uns gesprochen, direkt aus dem Maschinenkeller: "enn meine Mitarbeiter ihren alten Weg gehen, frage ich warum... und entweder kriege ich dann sachdienliche Hinweise, die den Lösungsweg beeinflussen/verändern... oder ich verändere, je nach Antwort, zeitnah den beruflichen Lebensweg dieser Menschen.
Machen wir uns bitte keinen Knoten ins Hirn, sondern regeln so manches Thema mit Augenmaß, Klarheit, Konsequenz und Menschlichkeit. Führung ist manchmal nur ein wenig zuhören, nachdenken und dann aber - je nach Situation - auch Mitarbeiter sanktionieren bis kündigen.
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