Job Transfer Training – Teil 1
Die aktuelle Situation des Fachkräftemangels in Schlüsselindustrien aber auch Allerweltsbranchen wird sich zukünftig noch durch die vorstehenden Eintritte oder schon existierenden Ruhestandssituationen der Baby-Boomer-Generation verstärken. Gleichzeitig ist diese Gesamtsituation nicht grundsätzlich neu. Sie bestand in Form von Arbeits- und Fachkräftemangel zu Beginn der 1940er-Jahre vergleichbar in den USA und wurde damals sehr erfolgreich durch das Training Within Industry adressiert. Damit liegt nahe, vergleichbare Mechanismen auch heute zu nutzen und an die aktuelle Situation anzupassen.
Mit den drei Säulen JIT, JRT, JMT (Job Instruction/Relations/Methods Training) des Training With Industry liegen drei bewährte Trainingsprogramme vor, um wichtige Bedürfnisse und Fähigkeiten von Führungskräften zu erfüllen. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit zur Unterweisung, zur Schaffung guter Arbeitsbeziehungen und zur Verbesserung von Arbeitsabläufen.
Diese Bedürfnisse sind speziell auch bei Führungskräften der untersten Ebene vorhanden, die jedoch in der Regel über keine formale Führungsausbildung wie Handwerks-/Industriemeister verfügen.
Alle drei Trainings dienen auch der Schaffung von Arbeitsstandards, speziell das Unterweisungstraining (Job Instruction Training) mit seinen Arbeitsaufschlüsselungen.
Ein Spezialfall der Arbeitsaufschlüsselungen liegt vor, wenn es sich um Nachfolge- und Übernahmesituationen handelt, weil der entsprechende Experte der Tätigkeiten aus der Rolle bzw. Funktion oder sogar aus dem Unternehmen ausscheidet. Dies kann im Fall von Arbeitsplatzwechseln auftreten oder aufgrund von Ruhestandsszenarien.
All diesen Fällen ist gemeinsam, dass sie in der Regel von einer Form des Zeitdrucks begleitet werden und der Wissens- und Erfahrungstransfer oft kurzfristig innerhalb weniger Wochen oder Monate vollständig zum Erliegen kommt, weil die betreffende Person einfach nicht mehr verfügbar ist.
Der Unterschied zu den klassischen Arbeitsunterweisungen im Sinne der Job Instructions besteht nun nicht darin, dass andere Personen in Tätigkeiten angelernt werden, für die die unterweisende Person zwar das fachliche Know-how besitzt, sie aber in der Regel die Tätigkeit nicht operativ ausführen, sondern dies von unterwiesenen Person übernommen wird.
Im Transferfall geht es nicht nur um die punktuelle Vermittlung von Arbeitsinhalten sondern eben auf einer übergeordneten Ebene um die vollständige Übertragung des Wissens- und Erfahrungsschatzes an eine andere Person oder eine Gruppe von Personen, die dann die Rolle bzw. Funktion übernehmen werden.
Die Job Transfers und das Job Transfer Training greifen dabei auf die Arbeitsaufschlüsselungen der Job Instructions zurück, ergänzt diese aber fallweise um übergreifende Elemente, die für die Vollständigkeit wichtig sind.
Während sich die Job Instructions und die begleitenden Job Evaluations an aktuellen Tätigkeiten orientieren, besteht bei den Job Transfers ein erhöhter Zeitdruck, weil bei den Kenntnisträgern das Ende der Verfügbarkeit mit dem beginnenden Ruhestand klar definiert ist. Verständnis über Tätigkeitselemente, Wissen und Erfahrung stehen nach diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung und kann daher dann auch nicht mehr nachgeholt werden.
Ein zentrales Element der Job Transfers ist also die frühzeitige und vollständige Erfassung der Tätigkeiten, des begleitenden Wissens und der entstandenen Erfahrung.
Wie schon die anderen Job Programme bzw. Trainings basieren auch die Job Transfers und das Job Transfer Training auf einem zentralen Grundprinzip.
Führungskräfte tragen die Verantwortung für Durchführbarkeit der notwendigen Prozessschritte in den Wertströmen, deren Führung und Unterstützung.
Damit ist verbunden, dass die Führungskräfte auch die Verantwortung tragen, dass das notwendige Wissen und die entsprechende Erfahrung bei einem Ausstieg bzw. Wegfall der bisherigen Träger durch den Eintritt in den Ruhestand weiterhin vorhanden ist, die Tätigkeiten reibungslos ausgeführt und auch auf Basis des Wissens und der Erfahrung weiterentwickelt werden können.
Bei den klassischen Job Trainings (Instruction, Relations, Methods) dient das übergeordnete Program Development (PD) der Identifikation der relevanten bzw. betroffenen Personen (Wer) und dem entsprechenden Kontext (Wo) mit der Auswahl der Job Trainings (Womit). Auslöser ist dabei typischerweise ein Problem in der Leistungserbringung (Produktion oder Dienstleistung), das dann mittels der Job Trainings adressiert wird. Für den Fall der Experten-Nachfolge übernimmt die Funktion des Program Development das daraus abgeleitete und ebenfalls übergeordnete Experten-Erfahrungs-Transfer-Programm (E2TP). Damit wird das Unternehmen bzw. die Organisation als ganzes aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und sichergestellt, dass keine wichtigen Transferszenarien übersehen oder ignoriert werden.
Das zu transferierte Wissen und die Erfahrung in den Tätigkeiten ergeben sich typischerweise aus dem Abgleich zwischen den operativen Elementen des Geschäftsmodells, den Wertströmen, der Prozesslandkarte mit Tätigkeiten der Leistungs-, Führungs- und Unterstützungsebene (zusammen also das Wo) und den betreffenden Personen (Wer) in diesen Rollen und Funktionen, die vor Ruhestandssituationen stehen.
Im nächsten Artikel folgt die Beschreibung der Arbeitsprinzipien der Job Transfers, welche die Grundlagen für die Vier-Schritte-Methode der Job Transfers bilden.
Weitere Inhalte
Kennst Du schon LeanOnlineAcademy?
-
mehr als 300 überwiegend kostenfreie Lernmodule
-
Praxiswissen verschiedener Expert:innen nutzen
-
Monitoring Deines Lernfortschritts und Teilnahmebescheinigung
Modul 5: Job Instruction Training
Wie läuft das Job Instruction Training ab. Wie gliedert sich das Training auf, nach Inhalt und Umfang. Was ist für den Erfolg zu beachten.
Modul 3: Job Instruction
Wie läuft eine optimale Arbeitsunterweisung ab. Was ist vor und nach der eigentlichen Unterweisung zu beachten. Wie unterscheidet sich Job Instruction von „herkömmlichen“ Vorgehensweise. Welche …
Weitere Inhalte auf LeanNetwork
JET – Job Evaluation Training – Training Within Industry (TWI) Teil 1
Mit den drei Säulen JIT, JRT, JMT (Job Instruction/Relations/Methods Training) des Training With Industry liegen drei bewährte Trainingsprogramme vor, um wichtige Bedürfnisse und Fähigkeiten …
JET – Job Evaluation Training – Training Within Industry (TWI) Teil 2
Im letzten Artikel hatte ich den Umgang mit Arbeitsstandards, mögliche störende Auswirkungen auf Arbeitsstandards und die Wechselwirkungen bzw. Querbeziehungen der Job Evaluations mit den Job …
Respect for People in der täglichen Praxis
Eines der Lean-Prinzipien ist „Respect for People“, typischerweise das letzte in der Liste bzw. in manchen Urlisten (noch) gar nicht vorhanden. Gleichzeitig ist dieses Prinzip auch das am …
Warum Kochbücher nicht lean sind – Ein Blick durch die Linse von Training Within Industry
Der Impuls zu diesem Artikel ist aus einem aktuellen Vorfall in der heimischen Küche entstanden, gibt aber letztlich viele Probleme wieder, die mir auch im Beratungskontext in den Unternehmen …
Kommentare
Bisher hat niemand einen Kommentar hinterlassen.
Kommentar schreiben
Melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.
Teilen