Unterschiede zwischen ziehender (Pull) und drückender (Push) Fertigung

Unterschiede zwischen ziehender (Pull) und drückender (Push) Fertigung

Die ziehende Fertigung, auch als Pull-Prinzip bekannt, orientiert sich an der tatsächlichen Kundennachfrage. Ressourcen werden erst aktiviert, wenn Aufträge eingehen, was zu schlankeren Lagerbeständen und reduzierter Überproduktion führt. Im Gegensatz dazu basiert die drückende Fertigung, oder Push-Prinzip, auf Prognosen und plant die Produktion im Voraus. Hier werden Produkte vorproduziert und in Erwartung der Nachfrage gelagert. Die Wahl zwischen diesen Konzepten beeinflusst die Effizienz, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit eines Produktionsprozesses und erfordert eine sorgfältige Abwägung der Unternehmensziele und Marktbedingungen.

#leanmagazin
Podcast, am 28. 08. 2023 in LeanMagazin von LKB Redaktion


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Ziehende Fertigung (Pull-Prinzip)

Die ziehende Fertigung ist ein Produktionsansatz, bei dem die Fertigungstätigkeiten auf der tatsächlichen Nachfrage basieren. Der Prozess beginnt erst, wenn eine Bestellung oder ein Auftrag von einem Kunden eingeht. Dieses Konzept zielt darauf ab, Überproduktion zu minimieren und die Lagerbestände schlank zu halten.

In der ziehenden Fertigung werden Materialien, Komponenten und Ressourcen nur dann in den Produktionsprozess einbezogen, wenn sie benötigt werden. Ein typisches Beispiel ist das Just-in-Time (JIT)-System, bei dem Bestände niedrig gehalten werden, um Verschwendung zu vermeiden. Die Produktionskapazität wird an die aktuelle Nachfrage angepasst, um eine optimale Auslastung zu gewährleisten.

Die ziehende Fertigung bietet mehrere Vorteile, darunter die Reduzierung von Lagerkosten und -platzbedarf. Durch die Fokussierung auf aktuelle Kundenaufträge können Unternehmen schnell auf veränderte Bedürfnisse reagieren und flexibler auf Marktveränderungen eingehen.

Die ziehende Fertigung erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten. Eine unzureichende Kommunikation kann zu Engpässen in der Lieferkette führen und die Produktionspläne stören.

Drückende Fertigung (Push-Prinzip)

Die drückende Fertigung bezieht sich auf einen Ansatz, bei dem Produkte basierend auf Prognosen und Planungen im Voraus produziert werden. Hierbei werden Produkte hergestellt und in Lagerbeständen aufbewahrt, bevor eine tatsächliche Kundennachfrage besteht.

In der drückenden Fertigung werden Produktionspläne erstellt, um eine kontinuierliche Produktion aufrechtzuerhalten, unabhängig von der aktuellen Nachfrage. Dies kann zu höheren Lagerbeständen führen, da die Produkte auf ihre Abnahme warten.

Die drückende Fertigung birgt das Risiko der Überproduktion, insbesondere wenn die Prognosen ungenau sind. Hohe Lagerbestände können zu Lagerkosten und damit zu einer enormem, wirtschaftlichen Verschlechterung der betreffenden Organisation führen, wenn die Produkte nicht rechtzeitig verkauft werden.

Vergleich und Kontrast

Die ziehende und drückende Fertigung repräsentieren zwei grundlegend unterschiedliche Produktionsansätze. Während die ziehende Fertigung auf der aktuellen Kundennachfrage basiert und den Fokus auf schlanke Lagerbestände legt, setzt die drückende Fertigung auf Prognosen und plant die Produktion im Voraus. Der entscheidende Unterschied liegt in der Art der Auslösung: Die ziehende Fertigung reagiert auf reale Aufträge, während die drückende Fertigung auf vorab geplante Produktionszyklen setzt.

Im Hinblick auf Effizienz und Verschwendungsbeseitigung erweist sich die ziehende Fertigung oft als überlegen. Sie minimiert Überproduktion und senkt Lagerkosten. Allerdings erfordert sie präzise Daten und eine flexible Lieferkette, um Engpässe zu vermeiden. Die drückende Fertigung bietet Vorteile in der Kapazitätsauslastung und kann kosteneffizient sein, birgt jedoch das Risiko von Lagerüberhängen und Verschwendung bei ungenauen Prognosen.

Beide Ansätze haben ihren Platz, abhängig von der Art des Geschäfts, der Branche und den Marktdynamiken. Ein ausgewogenes Verständnis der jeweiligen Vor- und Nachteile ist entscheidend, um die richtige Strategie für die individuellen Unternehmensbedürfnisse zu wählen.

Moderne Ansätze und Hybridmodelle

Die heutige Fertigungslandschaft erfordert zunehmend flexible Ansätze, um sich an sich ändernde Marktbedingungen anzupassen. Hybridmodelle, die Elemente der ziehenden und drückenden Fertigung kombinieren, gewinnen an Bedeutung. Ein Beispiel ist die "Push-Pull"-Strategie, bei der Grundprodukte auf Lager gehalten werden, während kundenspezifische Anpassungen erst auf Bestellung durchgeführt werden.

Moderne Technologien wie IoT (Internet of Things) und fortschrittliche Datenanalyse ermöglichen eine präzisere Prognose der Kundennachfrage und eine Echtzeitüberwachung von Fertigungsprozessen. Dies ermöglicht eine nahtlose Abstimmung zwischen Produktion und Bedarf, unabhängig davon, ob ein ziehender oder drückender Ansatz bevorzugt wird.

Hybridmodelle bieten die Flexibilität, sich rasch verändernden Marktanforderungen gerecht zu werden, während gleichzeitig Effizienz und Reaktionsfähigkeit gewährleistet werden. Die Integration moderner Technologien ebnet den Weg für eine optimierte Fertigungsstrategie, die das Beste aus beiden Welten vereint und Unternehmen dabei unterstützt, Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

Empfehlungen für die Praxis

Die Wahl zwischen ziehender und drückender Fertigung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Um eine fundierte Entscheidung zu treffen, sollten folgende Empfehlungen in Betracht gezogen werden:

  1. Analyse der Produktionsanforderungen: Eine gründliche Analyse der Produktionsanforderungen, Kundentrends und Marktdynamiken ist der erste Schritt. Eine klare Vorstellung von Produktlebenszyklen, Nachfrageschwankungen und saisonalen Mustern ist entscheidend.
  2. Flexibilität und Anpassung: Berücksichtigen Sie die Flexibilität Ihres Geschäftsmodells. Bei häufigen Änderungen in den Produktanforderungen könnte eine ziehende Fertigung vorteilhaft sein, während drückende Fertigung für langfristige Stabilität geeignet sein könnte.
  3. Technologieintegration: Nutzen Sie moderne Technologien wie IoT, Big Data und maschinelles Lernen, um genaue Prognosen zu erstellen und Echtzeitdaten zu nutzen. Dies verbessert die Entscheidungsfindung und die Reaktionsfähigkeit.
  4. Lieferkette und Koordination: Eine effiziente Lieferkette ist bei beiden Ansätzen von entscheidender Bedeutung. Stellen Sie sicher, dass Ihre Lieferanten und Partner bereit sind, Ihre gewählte Strategie zu unterstützen.
  5. Hybridansätze: In vielen Fällen bietet eine Kombination aus ziehender und drückender Fertigung die besten Ergebnisse. Entwickeln Sie maßgeschneiderte Hybridmodelle, um die Stärken beider Ansätze zu nutzen.
  6. Echtzeitüberwachung: Implementieren Sie ein robustes Überwachungssystem, um den Produktionsfluss, Lagerbestände und den Kundenauftragseingang in Echtzeit zu verfolgen. Dies ermöglicht eine schnelle Anpassung bei Bedarf.
  7. Kontinuierliche Verbesserung: Unabhängig vom gewählten Ansatz ist kontinuierliche Verbesserung unerlässlich. Sammeln Sie Rückmeldungen aus der Praxis, analysieren Sie Leistungskennzahlen und passen Sie Ihre Strategie an, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Wahl zwischen ziehender und drückender Fertigung ist keine starre Entscheidung, sondern sollte auf der Grundlage einer umfassenden Bewertung der individuellen Unternehmenssituation getroffen werden. Eine flexible Herangehensweise und die Bereitschaft zur Anpassung sind der Schlüssel zum Erfolg.



Kommentare

Niels Pfläging | Red42
Niels Pfläging | Red42, am 28. 08. 2023
Hier muss ich leider mal einen kritischen Kommentar platzieren, tut mir leid.

Ich halte die Behauptung, dass sich "Pull und Push mischen lassen" bzw. dass es "jetzt modern Ansätze gibt", die Pull und Push mischen, nicht bloss für wissenschaftlich falsch, unlogisch und realitätsfremd.
Es ist geradezu verleumderisch, trügerisch, irreführend und schädlich.

Ich frage mich: Woher kommt diese grässliche Behauptung (die im Übrigen ALLE vernünftigen Lean-Ansätze in eine Ecke stellt und implizit als "doof" darstellt?
Leider gibt der "Artikel" auch darauf keine Antwort. Kein Autor, keine Quellen, keine Theorie. Nur Behauptungen!

Ich schlage vor, den Beitrag zu löschen. Warum? Er ist reine Propaganda.
Wem diese Propaganda dient, kann ich nur erahnen!
Niels Pfläging | Red42
Niels Pfläging | Red42, am 29. 08. 2023
Hm.
Bin ich denn der einzige hier, der den obigen Artikel zu Pull und Push grauenvoll und verleumderisch findet?
Ich finde wirklich wichtig, dass auf einem relevanten Portal wie #LeanBase die Community darauf achtet, dass Schindluder gekennzeichnet und vielleicht auch entfernt wird.

Aber vielleicht bin ich ja der einzige, der den Beitrag anstössig findet?
Ralf Volkmer
Ralf Volkmer, am 29. 08. 2023
Hallo Niels scheinbar ist das so, also das Du der einzige bist der diesen Artikel und damit den Inhalt als Propaganda, grauenvoll & verleumderisch empfindest. Möglicherweise ist aber auch so das die Reichweite der LeanBase nicht groß genug ist um in die Debatte einzusteigen.

Ich persönlich habe inhaltlich selbstverständlich eine Meinung. Auf der Sachebene gibt es meiner Meinung nach über die komplette Lieferkette mit X externen Lieferanten und in der internen Kunden-Liederanten-Beziehung nicht den reinen ziehenden Prozess. Möglicherweise ist das mit dem Artikel gemeint.

Ob dies dann Schindluder ist vermag ich nicht so zu bewerten zu wollen.
Niels Pfläging | Red42
Niels Pfläging | Red42, am 29. 08. 2023
Danke für deinen Beitrag, lieber Ralf.

Ich gebe zu bedenken: In Systemen (und über solche sprechen wir ja) würde "push" (Planung, interne Steuerung, Disponieren und dergleichen) nur dann Sinn ergeben, wenn es sich um komplizierte Systeme handeln würde. Die Systeme, über die wir bei Lean sprechen, sind aber keine komplizierten Systeme. Sie sind komplex und Umfelder sind komplex.

Die Autoren jenes "Artikels" (es ist nicht angezeigt, um wen es sich handelt!) behaupten nun fahrlässig, "Lagerhaltung" wäre Push. Das ist fachlich und Sachlich Blödsinn. Lagerhaltung hat mit Push erstmal nichts zu tun. Es wird also an der Sache vorbei etwas behauptet, was falsch ist - und dann von der Verbindung von Push und Pull geschwafelt.

Das ist schon sehr gravierend und sehr ärgerlich.
Du hast kein Problem damit? Okay. Aber ich denke halt, dass die Verbreitung unrichtiger Dinge das ist, was eine Online-Plattform über kurz oder lang schädigt.

Ich weiss, es ist nicht leicht, so eine Plattform wie diese zu kuratieren. Aber ich bin der festen Überzeugung: Es ist nötig...
Ralf Volkmer
Ralf Volkmer, am 29. 08. 2023
Hallo Niels, ich „bewerte“ den Artikel nicht aus der Systemeben – dazu habe ich zu wenig Ahnung – sondern eher aus dem Blickwinkel der Prozesse. Für mich ist das auch nicht eine Frage von Lean, sondern wie Produktion über die gesamte Supply Chain organisiert werden kann und ob sich dann ein reiner ziehender realisieren lässt.
Meine Ansicht nach ist es bei Abwägung zwischen drückender und ziehender-Fertigung nützlich, die Vor- und Nachteile beider Ansätze zu kennen. Wahrscheinlich lässt sich – so meine Erfahrung – bei Produkten mit stark schwankender Nachfrage und womöglich gepaart mit zahlreichen Varianten eine reine ziehende Produktion über die komplette Kette nicht realisieren. Ich möchte an dieser Stelle aber auch nicht hier weitere darauf eingehen, da ich diese Kommentarfunktion als nicht geeignet halte um darüber zu „debattieren“.

Ich greife aber sehr gerne Deinen Ärger auf um dies im Team zu besprechen. Richtig ist das das kuratieren von Artikeln sehr aufwändig ist und wir dafür auch noch keine entsprechenden Ressourcen haben, dies gilt selbstverständlich für alle Inhalte die auf der LeanBase erscheinen und nicht nur für diesen Artikel.

Zudem werde ich darüber nachdenken ob es möglich ist in einem Live-Format über den Inhalt mit Dir und mit anderen zu diskutieren. Allerdings erst nach meinem Urlaub – dieser beginnt am kommenden Wochenende :-)
Niels Pfläging | Red42
Niels Pfläging | Red42, am 30. 08. 2023
Dann erstmal schönen Urlaub.
Über die Sache mit Pull und Push reden wir irgendwann noch mal.

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