Lean Management im Handwerk – Teil 4
Im vierten Teil der kleinen Serie über Lean Management im Handwerk geht um eine Sache, die in der klassischen Industrie schon seit langem dazu gehört. Im Grunde mindestens seit der „Erfindung“ bzw. Einführung des Fließbands in der Automobilproduktion durch Henry Ford, zuvor wurden vergleichbare Ansätze schon im Schiffbau des späten Mittelalters bis zur frühen Neuzeit eingesetzt.
Es geht also um Standardisierung, sowohl der Vorgehensweisen und Abläufe, als auch in beschränkten Maß der Produkte und Dienstleistungen. Im Schwerpunkt geht es in diesem Artikel um die Standardisierung der Vorgehensweisen und Abläufe.
Durch die einzelnen Elemente der handwerklichen Leistungen spielt die Standardisierung der Vorgehensweise dabei eine immer wichtigere Rolle. Erkennbar ist dies auch an aktuellen Diskussionen über die Abgrenzung der Gewährleistung zwischen der Arbeitsleistung und den eingesetzten Materialien. Mittelweile haben die eingesetzten Materialien und die damit einhergehenden Gewährleistungsthemen ein Ausmaß erreicht, die es notwendig machen, auch die Hersteller mit in die Gewährleistung nehmen.
Diese Gewährleistungsansprüche an die Hersteller machen es gleichzeitig notwendig, Verarbeitungsvorschriften zu definieren, um im Schadensfall die Verantwortlichkeiten abgrenzen zu können. Die Verarbeitungsvorschriften sind damit die Basis für notwendige Arbeitsstandards, denen sich kaum noch ein Gewerk entziehen kann.
In der Folge entsteht dann natürlich sehr schnell die Frage, wie diese Arbeitsstandards im Handwerk erreicht werden können, speziell aufgrund der Tatsache, dass es sich eben in vielen Fällen um manuelle Tätigkeiten handelt, bei denen keine Maschine einen an sich schon reproduzierbaren Rahmen vorgibt.
Erschwerend kommt oft noch hinzu, dass die Tätigkeiten oft auf Baustellen außerhalb von festen Produktionsstätten durchgeführt werden und qualitätssichernde Maßnahmen durch separate Instanzen nicht möglich sind.
An dieser Stelle spielt auch der Einsatz von Leihkräften und Subunternehmern eine nicht zu unterschätzende Rolle, welche die Gesamtsituation eher erschwert als erleichtert.
Standards bestehen nicht nur bei der Verarbeitung von Materialien, sondern auch beim Einsatz von Maschinentechnik und deren Reinigung und Instanthaltung. Beide Aspekte bedeuten im nicht-stationären Handwerk besondere Herausforderungen verbunden mit den dadurch oft auch wechselnden Teambesetzungen und den wechselnden Zuordnungen der Maschinen. Dadurch entsteht oft ein unwillkürlicher Mangel an Verantwortlichkeit für die Maschinen, die dann durch mangelhafter Reinigung und Wartung der Maschinen im vorzeitigen Verschleiß endet. Kritisch sind dabei nicht nur der vorzeitige Verschleiß und entsprechende Ausfälle, sondern auch die Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Teams, zu deren Behebung nicht die Mechanismen wie bei stationären Arbeitsplätzen verfügbar sind.
Vorausschauende Wartung und die Integration in den Arbeitsablauf spielen damit mindestens die gleiche wichtige Rolle wie in klassischen Industrien.
Erreicht werden kann dies durch den verstärkten Einsatz von Checklisten, wie sie schon bei Übernahme von Leistungen anderer Gewerke vorhanden sind (bspw. die Abnahme von Gerüsten mit zusätzlich sicherheitsrelevanten Elementen).
Im Baugewerbe spielt das Leistungsverzeichnis als auch eine Art von Checkliste eine wichtige Rolle, weil es die Basis für die Leistungserbringung und -abrechnung darstellt. Das Leistungsverzeichnis schließt gleichzeitig alle nicht genannten Leistungen aus bzw. ist die Basis für zusätzliche Vergütungen der Leistungen, die dort nicht genannt sind.
Dabei ist es wichtig die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter auf die genannten ebenso wie die nicht genannten Arbeiten zu lenken, ohne den Nutzungserfolg für den Kunden zu vernachlässigen, wenn fehlende oder nicht erbrachte Leistungen von Vorgewerken erkannt werden und die eigenen Tätigkeiten behindern oder unmöglich machen.
Diese Behinderungen und Bedenken sind dabei gegenüber dem Auftraggeber zu vertreten, um die eigene Inanspruchnahme von Gewährleistungen oder Strafzahlungen aufgrund von Verzögerungen zu vermeiden.
Damit kommt den Mitarbeitern und Vorarbeiter vor Ort eine entscheidende Rolle bei der Standardisierung der Tätigkeiten und Abläufe zu. Diese Rolle wird zukünftig in dem Maße weiter zunehmen, wie Innovationen im Bereich neuer Materialien zum Tragen kommen.
Damit gilt hier wie in anderen Industrieformen auch, dass einmal erworbene Ausbildungen laufend gepflegt und weiter ausgebaut werden müssen. Damit kommen auf die Vorarbeiter auf den Baustellen neue Anforderungen zu, die über die eigenen ursprünglichen Ausbildungen hinausgehen. Dies betrifft speziell die Weitergabe des eigenen Wissens an Mitarbeiter und zugewiesene Unterstützungskräfte.
Die Methode des Job Instructions Training aus dem TWI (Training Within Industry) als eine der Herkunftssäulen des Lean Managements ist auch in den Handwerksbranchen ein bewährter Weg, um die Unterweisungsfähigkeit der untersten Ebene der Führungskräfte (ohne formale eigene Führungsausbildung, bspw. im Rahmen einer Meisterausbildung) zu vermitteln und damit deren Wissen auf den Baustellen zu multiplizieren.
Wie schon im vorangegangenen Artikel angerissen, spielen auch im Handwerk Arbeitsstandards eine wichtige Rolle, um ein Wiederholversprechen gegenüber den Kunden zu etablieren und diesem gerecht zu werden. Dabei ist es wichtig, teilweise bestehende Vorbehalte dagegen und gegen den Einsatz von Checklisten zu begegnen, ohne das besondere Selbstverständnis der handwerklich tätigen Menschen zu ignorieren.
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