Lean Management im Handwerk – Teil 3

Lean Management im Handwerk – Teil 3

Dieser Artikel ist Teil 3 der kleinen Serie über Lean Management im Handwerk.
Hier will ich einen Aspekt betrachten, der im Handwerk, speziell im Baugewerbe eine große, zunehmende Rolle spielt.

#leanmagazin
am 12. 03. 2017 in LeanMagazin von Götz Müller


Einerseits tritt im Handwerk oft eine hohe Wertschöpfungstiefe auf, zumindest bezogen auf eine einzelne Person, die neben produzierenden auch logistische Aufgaben übernimmt. Die Arbeitsteilung ist hier in der Regel geringer als in der klassischen Industrie (ab einer gewissen Größe).

Andererseits besteht speziell im Baugewerbe ein hohes Maß an natürlicher Arbeitsteilung über die verschiedenen Gewerke hinweg. Dementsprechend nimmt dort der Aufwand zur Synchronisierung der Tätigkeiten einen hohen Anteil ein.

Trotzdem bestehen bisher auf Baustellen bei weitem nicht die reibungslosen Abläufe wie in Industriebetrieben mit ihren Zuliefern. Diese Problematik wird dadurch verschärft, dass die direkten Abhängigkeiten zwischen den Gewerken deutlich größer ist als zwischen klassischen Industriezuliefern. Während eine Bremsscheibe unabhängig von der Einspritzpumpe hergestellt kann und die beiden Teile erst beim Automobilhersteller aufeinandertreffen, kann ein Maler eine Wand erst dann tapezieren, wenn der Rohbau sie gemauert hat, die notwendigen Leitungen von Sanitär- und Elektroinstallateur verlegt wurden und der Stuckateur sie verputzt hat.

Auf Seiten der Betriebe ist das einzelne Bauvorhaben oft nur eines unter vielen und es kommt regelmäßig zu Verzögerungen, die dann oft einen Dominoeffekt haben. Um die Auswirkungen auf Seiten der Betriebe zu vermeiden, wird dort oft der Weg der Überbuchung gegangen, welche die Auswirkungen noch verstärkt. Dazu trägt auch die starke Entkopplung des Planungsprozesses von der Ausführung bei, welche durch eine fehlende zeitnahe Rückmeldung noch verstärkt wird. Dies betrifft sowohl den Planungsvorgang an sich, als auch die beteiligten Personen.

In vielen Fällen werden diese Vorkommnisse von allen Beteiligten zum eigenen Vorteil ausgenutzt, statt den Kunden und dessen Nutzen in den Mittelpunkt zu stellen. Oft wird sogar nahezu darauf gelauert, dass einer der anderen Beteiligten einen Fehler macht, um eigene Defizite zu verbergen, seien es terminliche Probleme oder Mängel bei der Leistungserbringung.

Im Grunde handelt es sich bei diesen Vorgängen um einen Teufelskreis, der nur durch einen gemeinsamen Kulturwandel durchbrochen werden kann. Der Anstoß kann in meinen Augen nur seitens der Auftraggeber (Bauherren und/oder Bauleiter) durchbrochen werden kann.

Das LastPlanner-System ™ kann ein Ansatz sein, mit diesem Dilemma umzugehen und alle Beteiligten (horizontal und vertikal) an einen Tisch zu holen und die hohe Volatilität anzugehen und gemeinsam beherrschbarer zu machen, um letztlich den Nutzen für den Kunden wieder stärker ins Zentrum zu holen.

Ein wichtiges Element des Last-Planner-Systems ist die frühzeitige Kommunikation aller Beteiligten miteinander. Dies fördert einerseits die Möglichkeiten auf Engpässe und Verzögerungen frühzeitig zu reagieren und bezieht andererseits die Beteiligten vor Ort (Poliere, und Vorarbeiter) direkt in den Planungsprozess ein, fördert deren Verständnis für die umliegenden Gewerke und erhöht deren Verpflichtung für die eigene Arbeitsleistung, weil die Auswirkungen von zeitlichen und qualitiven Mängeln den Verursachern stärker bewusst werden. Der ein oder andere wird durchaus auch an seiner Handwerker-Ehre gepackt.

Wie andere Initiativen auch erfordert die Einführung von Verbesserungsmethoden wie dem Last-Planner-System ™ eine bewusste Begleitung der beteiligten Menschen in den Veränderungsprozessen bishin zur Unternehmens- und sogar einer Branchenkultur.

Auf einer deutschen Seite, die in kurzen Sätzen das Last-Planner-System ™ und Lean Construction – d.h. Lean Management im Bauwesen – im allgemeinen beschreibt, habe ich dann für die beteiligten Unternehmen am Bauprozess das Ziel gefunden, den Gewinn der Unternehmen zu maximieren. Ein größeres Missverständnis von Lean Prinzipien kann es in meinen Augen nicht geben und zeigt deutlich auf, warum Lean-Initiativen immer wieder scheitern.

Während die übergreifende Synchronisierung der Gewerke auf einer Baustelle ein wichtiges Prinzip ist, können aber auch innerhalb eines Gewerks Anstrengungen unternommen werden, Störungen und resultierende Verschwendungen zu vermeiden.

Dazu gehört der Einsatz von Maschinentechnik ebenso wie die Abstimmung der Zusammenarbeit der betreffenden Mitarbeiter beim Einsatz von Maschinentechnik. Das beginnt beispielsweise beim Einsatz von Gerüstaufzügen, setzt sich fort beim Setzen und Verdübeln von Dämmplatten für Wärmedämmverbundsysteme (siehe Skizze), dem Aufrühren von Putzeimern (die einfach in Form einer U-Zelle angeordnet werden können, um den Arbeitsablauf zu vereinfachen) und endet bei Kleber-, Putz- und Farbpumpen bzw. -spritzen.

Beim Einsatz von Maschinentechnik muss ein Aspekt beachtet werden, dem man in der Industrie schon vor Jahrzehnten begegnet ist. Durch den Einsatz von Maschinen entsteht oft eine Fremdsteuerung der Menschen bis hin zu Taktvorgaben. Daraus entstehen oft Widerstände, die im Handwerk aufgrund des Selbst- und Arbeitsverständnisses der Menschen besonders stark ausgeprägt sein kann. Man kann heute nur noch ahnen, welche Vorbehalte (und Ängste) bei der Einführung des automatischen Webstuhls oder des Fließbands auftraten.

Wie es kürzlich Mari Furukawa-Caspari in einem Forumsbeitrag sehr trefflich ausgedrückt hat, geht es in der Industrie um ein Wiederholversprechen für die Arbeitsergebnisse. Alles andere ist letztlich Kunsthandwerk. Im meinen Augen muss dieses Wiederholversprechen auch auf das klassische Handwerk mit den immer komplizierter werdenden Abläufen und Fehlermöglichkeiten ausgedehnt werden.

Im Grunde geht es immer um das Bedürfnis des Kunden. Und dieses wird nur selten in einem künstlerischen Unikat besteht. Ein Unikat mag es zwar sein, bspw. ein schönes Kleidungsstück, ein individuelles Bad oder die Reparatur eines speziellen Unfallschadens. Dabei geht typischerweise trotzdem um eine reproduzierbare Leistung, zumindest in der qualitativen Ausprägung des Ergebnissen – also um keine künstlerische Ausprägung.

Ausblick:
In der nächsten Folge wird es um die Standardisierung der Vorgehensweisen und Abläufe im Handwerk gehen und wie diese erreicht werden können.



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