Statistische Versuchsplanung (DoE): Du kannst nicht verbessern, was du nicht kontrollierst
Es war ein klassischer Fall aus dem Unternehmensalltag: Ein Kunde wandte sich an mich, weil die Ergebnisse seiner Datenauswertung einfach keinen Sinn ergaben. „Können Sie mal drüberschauen?“ fragte er. Solche Anfragen bekomme ich oft, und meistens stolpere ich dann über Versuchspläne, die vor lauter „kreativer“ Anpassungen kaum noch zu erkennen sind. Doch diesmal war die Struktur einwandfrei. Dennoch: Kein Einflussfaktor war signifikant, selbst bei einer großzügig angehobenen Signifikanzschwelle.
Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf die Zielgröße. Ungewöhnlich war, dass sie mit zwei völlig unterschiedlichen Methoden gemessen wurde. Auf den ersten Blick wirkte das vorbildlich, doch die Ergebnisse der beiden Messungen korrelierten überhaupt nicht. Es war, als sprächen sie zwei völlig verschiedene Sprachen. Der Grund war schnell gefunden: Die Messsysteme, auf denen die Prozessdaten basierten, waren nie überprüft worden. Die Messsystemanalyse (MSA) hatte man ausgelassen – wohl aus Zeitdruck.
Erst als wir diese Lücke schlossen, kam die Wahrheit ans Licht: Die Streuung der Messsysteme war so groß, dass echte Verbesserungen schlicht unsichtbar blieben. Verbesserungen waren notwendig, doch die teuren Versuche mussten von vorne begonnen werden.
Messsysteme als unsichtbare Hindernisse
Optimierung lebt von Kontrolle – und Kontrolle bedeutet weit mehr als das bloße Erfassen von Daten. Es geht darum, dass diese Daten zuverlässig die Realität abbilden. Hier kommt die Messsystemanalyse ins Spiel. Eine MSA prüft nicht nur die Genauigkeit eines Messsystems, sondern auch dessen Reproduzierbarkeit und Wiederholbarkeit. Nur so lässt sich beantworten, wie viel Streuung tatsächlich vom Messsystem selbst verursacht wird.
Viele Unternehmen scheuen diesen Schritt – oft mit dem Argument, dass ihre Messgeräte teuer sind und gerade erst kalibriert wurden. Doch eine Kalibrierung ersetzt keine MSA. Ohne diesen entscheidenden Schritt bleibt die Qualität der Daten fraglich, und Optimierungsprojekte laufen ins Leere.
Die Bedeutung stabiler Prozesse für DoE
Ein anderes Coaching zeigte eindrucksvoll, wie kritisch stabile Prozesse für Design of Experiments (DoE) sind. Der Kunde wollte ein reineres Endprodukt bei gleichzeitig höherer Produktionsgeschwindigkeit. Um den Versuchsaufwand im Vorfeld realistisch einschätzen zu können, analysierten wir die Streuung im „Ruhezustand“ des Prozesses.
Die Ergebnisse waren ernüchternd: Selbst ohne Veränderungen der bekannten Inputs zeigte der Prozess systematische Schwankungen – ein Faktor, der hundertfach höher lag, als es einem Messsystem zuzuschreiben wäre. Wie sollte man so erkennen, ob eine Einstellung besser ist als eine andere, wenn der Prozess scheinbar von unbekannten Einflussfaktoren gesteuert wird?
Die Lösung lag in einer genauen Untersuchung des Prozesses. Es ist nicht immer notwendig, alle Einflussgrößen vollständig zu kontrollieren – manchmal reicht es, sie zu identifizieren, zu messen und bei der Modellbildung zu berücksichtigen. Doch ohne diesen Schritt bleibt DoE ein Blindflug.
Die Wahrheit der Daten akzeptieren
Das Streben nach Optimierung gleicht einer Bergbesteigung. Der Gipfel – das ideale Ergebnis – ist das Ziel. Doch ohne klares Kartenmaterial und verlässliche Ausrüstung ist jeder Schritt riskant. Kontrolle ist dieses Kartenmaterial. Sie zeigt uns den Weg, verhindert Umwege und bewahrt uns vor gefährlichen Fehlschlüssen.
Dies gilt nicht nur für Produktionsprozesse, sondern auch für den Alltag. Gerade jetzt, in der hektischen Vorweihnachtszeit, merke ich immer wieder, wie leicht man den Überblick verliert. Es sammeln sich Aufgaben, und die Zeit für Entspannung schwindet. Erst als ich einen Schritt zurücktrat, meine Prioritäten neu sortierte und eine klare Struktur schuf, wurde wieder Land in Sicht.
Ob im Business oder im persönlichen Leben: Du kannst nicht verbessern, was du nicht kontrollierst. Und nur mit dieser Kontrolle legen wir die Grundlage für nachhaltige Exzellenz – in jedem Bereich.
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