Digitalisierung ist Prozessverbesserung mit anderen Mitteln

Digitalisierung ist Prozessverbesserung mit anderen Mitteln

Mit den Begriffen Digitalisierung und Digitale Transformation verbinden viele vor allem eins: den Einsatz neuer (ungeprüfter) Technologie. Aber hinter dieser technischen Fassade steckt eigentlich etwas anderes.

19. Juni 2024 um 04:30 Uhr von Jan Fischbach
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Warum ist Digitalisierung gerade so interessant?

Digitalisierung lässt sich gut am Unterschied zwischen einem physischen Produkt und einer Dienstleistung erklären. Produkte kann man vorab produzieren. Dienstleistungen nicht. Sie werden in dem Moment erzeugt, in dem sie auch genutzt werden. Ein Frisör kann seinen Stammkunden nicht zehnmal im Voraus die Haare schneiden.

Lange Zeit war das Leisten von Diensten an bestimmte Personen mit bestimmten Fähigkeiten, an bestimmte Öffnungszeiten und an bestimmte Orte gebunden. Mit dem Aufkommen leistungsfähiger Rechner und zuverlässiger Netze können wir Dienstleistungen entbündeln. Wir können einzelne Schritte aus der Kette nehmen, an anderer Stelle verarbeiten lassen und das Ergebnis wieder in die eigene Kette integrieren, ohne dass der Servicenutzer davon etwas mitbekommt.

Wenn wir über Digitalisierung sprechen, meinen die Experten, dass wir über unsere Lieferprozesse oder über unsere Prozesse insgesamt reden. Die drei Stufen der Digitalisierung habe ich hier auf der Leanbase schon einmal zitiert.

Unsere Prozesse gleichen einem Datenflickenteppich

Unsere Prozesse haben ihre Geschichte. Außerhalb von Lean-Unternehmen gibt es selten standardisierte Arbeit. Die Abläufe hängen ganz stark an einzelnen Personen und Teams. Vielleicht ist neben der bekannten Büro-Software noch das eine oder andere Zusatzprogramm im Einsatz. Selten gibt es übergreifende Unternehmenssoftware, deren Einsatz für alle verbindlich ist.

Dementsprechend hat jedes Team seine eigenen Daten und Dateien. Ebenso, wie wir mit Flussdenken und 5S unseren physischen Arbeitsplatz gestalten können, können wir auch unsere digitale Welt neu einrichten. Die Firmen, die schon sehr weit fortgeschritten sind, pflegen digitalen Zwillinge, mit denen sie Dinge simulieren lassen, bevor das physische Produkt die Fabrik verlässt. Dort sind die Daten in einem System integriert. Das war häufig viel Arbeit und ein langer Prozess.

Den Datenstrom wieder fließen lassen

Produzierende Unternehmen haben gelernt, ihre Fabrik so zu organisieren, dass die Werkstücke durch die Fabrik fließen. (Bei den ersten Fabriken von Henry Ford wurde das Material noch kreuz und quer durch das Gebäude bewegt.) Bei Dienstleistungen können wir uns ebenfalls Gedanken über den Fluss machen: Wo kommen die Anfragen von außen herein? Wo verlassen sie das Unternehmen wieder? Was passiert dazwischen? Wo gibt es Brüche? Wo gibt es Zeiten, in denen nichts passiert?

Teams, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, können ihre Prozesse schnell verbessern. Sie stellen in erster Linie Prozessfragen und keine technischen Fragen. Erst, wenn klar ist, was passieren soll, sehen wir uns die technischen Details an.

Wer z. B. Office 365 von Microsoft abonniert hat, kann auch Tools wie Forms, PowerAutomate, SharePoint und PowerApps benutzen. Lokale Excel-Dateien werden zu SharePoint-Listen und können von mehreren Personen gepflegt werden. Sie können automatisch befüllt und mit einer App bearbeitet werden. (Es gibt ähnliche Angebote von anderen Anbietern.)

Schritt für Schritt werden die Prozesse auch digital integriert.

Wie rechnet sich die Digitalisierung?

Die gleiche Frage können wir auch stellen, wenn wir über kontinuierliche Verbesserung reden. Ein Nutzen gibt es nur, wenn wir dauerhaft unsere Abläufe ändern. Nutzen kann mehr Einnahmen oder das Sparen von Geld sein. Es reicht auch oft, wenn wir unsere Leistung und/oder Qualität um 20% verbessern. Schauen wir doch zuerst auf die Prozesse, die nicht so rund laufen. Was hält uns vom Liefern ab? Wie zahlt sich eine signifikante Verbesserung aus? Können wir dann mehr Aufträge annehmen (oder verlieren wir weniger Aufträge)? Sparen wir Geld, weil wir weniger nacharbeiten müssen? Sind wir schneller oder besser als die Konkurrenz und können wir deshalb die Preise etwas anheben?

Ein Gedankenspiel: Wie müssten unsere digitalisierten und integrierten Prozesse aussehen, wenn wir die doppelte Leistung in der Hälfte der Zeit schaffen wollen?

Wer digitalisiert?

Digitalisierung kann man schlecht einkaufen. Digitalisierung ist wie das Aufräumen der eigenen Wohnung. Nur die Bewohner selbst wissen, wohin die Gegenstände gehören und warum sie an der Stelle richtig sind. Bei unseren Geschäftsprozessen ist es ähnlich. Nur die Prozessbeteiligten selbst wissen, was ein guter Ablauf ist. In vielen Fragen sind sie die besten Personen, die eine Antwort haben.

Wie bei der kontinuierlichen Verbesserung bedeutet Digitalisierung, dass die bisherigen Mitarbeiter die Prozesse mit elektronischen Werkzeugen verbessern. Sicherlich kann man externe Unterstützung dazu holen. Aber die Hauptarbeit liegt bei den Nutzern der Prozesse.



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