Zur Nutzeninnovation und darüber, warum Unternehmen sich in guten Zeiten neu erfinden müssen

Zur Nutzeninnovation und darüber, warum Unternehmen sich in guten Zeiten neu erfinden müssen

Unternehmen, die wirtschaftlich florieren, neigen oft dazu, sich in ihrer Stabilität zurückzulehnen. Expansion erscheint einfach, neue Produkte werden unbedacht auf den Markt geworfen – oft ohne klare Verbindung zum Kerngeschäft. Doch wenn schwierige Zeiten anbrechen, schrumpfen ebendiese Unternehmen hektisch zurück, kappen unrentable Unternehmensbereiche und setzen auf kurzfristige Sparmassnahmen wie Kurzarbeit oder Stellenabbau. Dieses zyklische Auf und Ab ist keine Seltenheit, doch extreme Schwankungen kosten wertvolle Ressourcen, Innovationskraft und letztendlich Wettbewerbsfähigkeit. Macht das Sinn?

20. Februar 2025 um 09:39 Uhr von Roman P. Büchler
  • 3


Der trügerischen Sicherheit des Erfolgs trotzen

Statt im Krisenmodus blind Kosten zu reduzieren, liegt der Schlüssel zur Resilienz in einer vorausschauenden Strategie: der Nutzeninnovation. Unternehmen, die bereits in wirtschaftlich stabilen Zeiten ihren Kundennutzen konsequent neu definieren und ihre eigenen Marktgrenzen hinterfragen, bauen ein robustes Fundament für die Zukunft. Denn ohne klare Alleinstellungsmerkmale bleibt oft nur der Preiskampf – eine denkbar schlechte Ausgangslage in schwierigen Zeiten.

Nutzeninnovation als strategischer Prozess

Nutzeninnovation bedeutet, dass ein Unternehmen sowohl seine Kostenstruktur als auch den wahrgenommenen Mehrwert für die Kunden verbessert. Dies geschieht nicht durch blosses Perfektionieren bestehender Produkte, sondern durch das bewusste Verändern und Hinterfragen von Marktregeln. Unternehmen müssen sich fragen: Welche Faktoren bestimmen unsere Branche? Wie positionieren wir uns im Vergleich zu Mitbewerbern? Welche Leistungen bieten wir an, die über oder unter den Standards der Konkurrenz liegen? Und vor allem: Wo gibt es ungenutzte Potenziale, um den Kundennutzen signifikant zu erhöhen?
 
Wirkliche Nutzeninnovation geht über inkrementelle Verbesserungen hinaus und muss als fortlaufender strategischer Prozess verankert werden. Doch genau hier stossen klassische Innovationsmodelle an ihre Grenzen. Denn viele Unternehmen setzen auf kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP), die zwar Effizienz steigern, aber selten bahnbrechende Neuerungen hervorbringen. Strikte Strukturen, standardisierte Innovationsprozesse und detaillierte Bewertungssysteme können Revolutionen sogar behindern.

Klassische Innovationsprozesse reichen nicht aus

Unternehmen haben heute ein solides Fundament an Verbesserungsmethoden: KVP, Vorschlagswesen, strukturierte Innovationsprozesse – all das optimiert bestehende Produkte und Prozesse. Doch wenn es darum geht, echte Revolutionen zu schaffen, erstarren viele Organisationen in ihrer eigenen Bürokratie. Denn bahnbrechende Innovationen entstehen nicht in vordefinierten Strukturen, sondern dort, wo «Unangepasste» querdenken dürfen.
 
Diese unkonventionellen Köpfe haben einen ausgeprägten Unternehmergeist, sind unzufrieden mit dem Status quo und spüren intuitiv, dass es noch bessere Lösungen geben muss. Doch in klassischen Unternehmensstrukturen haben sie oft kaum Spielraum. Stattdessen suchen sie informelle Wege, nutzen bestehende Ressourcen für eigene Projekte und versuchen später, das Management von ihrer Idee zu überzeugen – meist ohne Erfolg. Denn Unternehmen bewerten neue Ideen fast ausschliesslich nach kurzfristigen Renditeerwartungen, während der Markt für radikale Innovationen oft noch gar nicht existiert.

Strukturen für echte Revolutionen schaffen

Wenn Unternehmen revolutionäre Innovationen ermöglichen wollen, müssen sie neue Wege gehen. Hierfür gibt es zwei erfolgversprechende Ansätze:

  • interne Start-up-Strukturen: Das Arbeiten nach völlig anderen Regeln als die Stammorganisation sie kennt, ist etwas, das Unangepasste brauchen. Sie geniessen maximale Flexibilität, setzen auf flache Hierarchien, kreative Freiräume und enge Kundeninteraktion.
  • Beteiligungen an externen Start-ups: Statt Innovationen aus dem eigenen Unternehmen heraus zu erzwingen, kann es sinnvoll sein, sich an bereits bestehenden Start-ups zu beteiligen, die bahnbrechende Neuerungen vorantreiben.
     

Beide Ansätze haben das gleiche Ziel: Ein Umfeld schaffen, in dem unkonventionelle Ideen entstehen und wachsen können, ohne von den rigiden Strukturen des Mutterunternehmens ausgebremst zu werden. Eine solche Einheit funktioniert wie ein Brutschrank für neue Produkte. Wichtig ist dabei ein gut durchdachter Selektionsprozess, um aus mehreren Ideen diejenigen herauszufiltern, die tatsächlich Marktpotenzial haben.

Der Mut zur strategischen Neuausrichtung

Viele Unternehmen schrecken vor derartigen Umbrüchen zurück, da sie traditionelle Steuerungs- und Controlling-Mechanismen aufgeben müssen. Doch die Alternative – stillzustehen und nur bestehende Produkte weiterzuentwickeln – führt langfristig in die Bedeutungslosigkeit. Deshalb muss die strategische Herausforderung in übersichtliche Initiativen mit klaren Prioritäten unterteilt werden. Durch kleine, gezielte sogenannte Quick Wins lässt sich der Erfolg von Innovationen frühzeitig sichtbar machen, um so interne Akzeptanz und Begeisterung zu schaffen.
 
Dennoch stehen Unternehmen bei der Umsetzung vor vier zentralen Hürden:

  • die politische Hürde – Innovationsprojekte müssen auf oberster Ebene verankert sein, damit sie nicht im mittleren Management versanden.
  • die Bewusstseinshürde – Mitarbeitende müssen die Notwendigkeit von Innovationen hautnah erfahren, anstatt nur mit abstrakten Präsentationen konfrontiert zu werden.
  • die Ressourcenhürde – Unnötige Prozesse müssen eliminiert und Ressourcen gezielt auf strategische Projekte fokussiert werden.
  • die Motivationshürde – Mitarbeitende müssen in einem Umfeld arbeiten, das Kreativität und Eigenverantwortung aktiv fördert.

Innovation darf nicht als isoliertes Projekt verstanden werden, sondern als kontinuierlicher, strategischer Prozess, der tief in der Unternehmensstruktur verankert ist. Unternehmen, die sich in guten Zeiten aktiv neu erfinden, sind in Krisenzeiten nicht nur widerstandsfähiger, sondern gestalten auch die Zukunft ihrer Branche mit.
 
In meinem Buch: «Die neue Leadership-DNA: Prinzipien für einen radikalen Umbau der Führung» erhaltet ihr viele Impulse, wie die Führung sich transformieren kann und sich schon heute für morgen ausrichtet.
 



Kommentare

Bisher hat niemand einen Kommentar hinterlassen.

Kommentar schreiben

Melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.

Teilen

Weitere Inhalte

Kennst Du schon LeanAroundTheClock?

  • größtes LeanEvent im deutschsprachigen Raum
  • Szenetreffen der deutschsprachigen LEANcommunity
  • ohne Namensschild und Hierarchie – come as you are
Daten. Macht. Produktion.
Daten. Macht. Produktion.

Erfolgsstrategien für die digitale Fertigung