
Unternehmensbindung (unternehmensbezogene Mitarbeiterbindung) einfach erklärt
Was versteht man unter Unternehmensbindung? Wie entsteht diese, auf den Arbeitgeber bezogene Mitarbeiterbindung? Woran erkennt man hohe oder niedrige Unternehmensbindung? Mit welchen Maßnahmen können Arbeitgeber die unternehmensbezogene Mitarbeiterbindung steigern? Und: Was hat man als Arbeitgeber davon?
Aus Arbeitgebersicht sehen die Prognosen für die zukünftige Entwicklung des Fachkräftemangels und Arbeitskräftemangels nicht wirklich gut aus. Vielen Arbeitgebern gelingt es schon jetzt nur mit vergleichsweise hohem Aufwand, erfolgsrelevante Fachkräfte, junge Nachwuchskräfte und kompetente Führungskräfte an Bord zu halten. Die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist so hoch wie nie zuvor.
Zugleich fällt es den Fachkräften im Recruiting immer schwerer, die vielen renten- und kündigungsbedingten Vakanzen umgehend zu besetzen. Laut Bundesagentur für Arbeit stiegen die durchschnittlichen Vakanzzeiten in den letzten 20 Jahren von 50 auf über 160 Tage. Dabei erreichen die zahlenmäßig stärksten Jahrgänge erst noch das Rentenalter… Fakt ist: Es wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nie wieder so "leicht" sein wie heute, Personal a. zu gewinnen und b. zu binden.
Weil sie erkannt haben, dass dieses Problem auch durch KI nicht nachhaltig gelöst werden kann, nehmen immer mehr Vorstände, Geschäftsführungen, HR Business Partner und Führungskräfte das Thema Mitarbeiterbindung auf die strategische Agenda. Was ist zu tun, um die Mitarbeiterbindung der Belegschaft zu steigern? Das wiederum setzt die Klärung der Frage voraus, was Mitarbeiterbindung ganz genau ist und wie sie entsteht. Denn so werden die Ansatzpunkte erkennbar.
Vier Ebenen der Unternehmensbindung
Hierbei nehmen die vier Mitarbeiterbindungsebenen eine bedeutsame Rolle ein. Welche sind das? Es gibt die → rationale Mitarbeiterbindungsebene, die auch die → rechtliche Mitarbeiterbindungsebene und die → perspektivische Mitarbeiterbindungsebene inkludiert. Wir kennen zudem die die → emotionale Mitarbeiterbindungsebene, die die → habituelle Mitarbeiterbindungsebene und die → normative Mitarbeiterbindungsebene.
Aus dem Privatleben wissen wir: Zu einer Bindung gehören immer (mindestens) zwei. Bindung ist immer auf irgendetwas oder irgendwen gerichtet. Das ist bei der Bindung von Mitarbeitenden nicht anders: Wenn Mitarbeitende sich verbunden fühlen, dann zu
- dem Unternehmen,
- ihren Aufgaben,
- der jeweiligen Führungskraft und
- ihren Kollegen.
Diese vier Mitarbeiterbindungspartner sind im beruflichen Kontext von zentraler Bedeutung.
Die Unternehmensbindung ist die erstgenannte. Synonym werden die Begriffe „arbeitgeberbezogene Mitarbeiterbindung“, „organisationsbezogene Mitarbeiterbindung“ „Unternehmensbindung“, „Arbeitgeberbindung“, „Organisationsbindung“ und „organisationales Commitment“ verwendet.
Wichtig zu wissen ist: Die Stärke und Intensität von jeder der vier Mitarbeiterbindungspartnerschaften wird üblicherweise von den zuvor genannten vier Mitarbeiterbindungsebenen beeinflusst. Vereinfacht könnte man sagen: Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. auf allen vier Bindungspartnerschaften.
Mitarbeiterbindung ist die Summe der Bindungen auf allen vier Bindungsebenen bzw. auf allen vier Bindungspartnerschaften.
Somit bestehen vier Formen der Unternehmensbindung:
- rationale Unternehmensbindung
- habituelle Unternehmensbindung
- normative Unternehmensbindung und
- emotionale Unternehmensbindung
Woran erkennt man niedrige oder hohe Unternehmensbindung?
Hohe Unternehmensbindung ist beispielsweise daran erkennbar, dass Mitarbeitende gewisse Kennzeichen der Unternehmenszugehörigkeit deutlich nach außen zeigen. Sie tragen beispielsweise die Firmenbekleidung auch privat, kleben sich Aufkleber auf ihre Heckscheibe oder heften sich Anstecknadeln ans Revers. Ein Tattoo mit dem Firmenlogo ist zweifellos ein Zeichen besonders starker Verbundenheit zum Unternehmen.
Definition Unternehmensbindung
"Unternehmensbindung bezeichnet die Bindungspartnerschaft zwischen dem Mitarbeiter und dem Unternehmen als Organisation.“
Quelle: Wolf, G.: Mitarbeiterbindung
Manche Mitarbeitende der Siemens AG fühlen sich beispielsweise ihrem Arbeitgeber so zugehörig, dass sie sich selbst als „Siemensianer“ bezeichnen. Die Folge ist, dass sich diese Mitarbeitenden im Unternehmen „unter Seinesgleichen“ und entsprechend wohl fühlt. Diese Selbstbezeichnungen drücken zumeist eine arbeitgeberbezogene Bindung aus, die durch ein lebenslanges Beschäftigungsverhältnis gewachsen ist, oftmals sogar über Generationen hinweg.
Insofern ist Unternehmensbindung – nicht eins-zu-eins, aber doch ein gutes Stück weit – mit der Bindung von Fans an ihre Vereine vergleichbar. Ein Borussia-Dortmund-Fan beispielsweise wird weiter mit seinem gelb-schwarzen Schal zu den Spielen „seines Vereins“ ins Westfalenstadion gehen, selbst wenn man alle Spieler wechseln, den Trainer austauschen und das Management komplett neu besetzen würde. Denn er fühlt sich dem Verein als Organisation zugehörig, nicht einzelnen Personen.
Derzeit wird die arbeitgeberbezogene Richtung der Bindungspartnerschaft zunehmend als Auslaufmodell abgetan. Tatsächlich kommt es immer seltener zu einer solch intensiven Verbundenheit mit einem Arbeitgeber. Und wenn, dann hält sie selten ein Leben lang an. Die Wahl des Arbeitgebers gilt heute nicht mehr als eine Entscheidung für das gesamte Leben.
Welche Maßnahmen zur Steigerung der Unternehmensbindung sind sinnvoll?
Es liegt auf der Hand, dass die wirksamsten Ansatzpunkte in dem Verhalten der Personen liegen, die als Kopf des Unternehmens gelten. Das können Inhaber, Gründer, Anteilseigner oder Mitglieder der Unternehmensleitung sein. Solange das Top-Management beispielsweise die Haltung „Jeder Mensch ist ersetzbar“ vertritt, wird keine Maßnahme zur Stärkung der Unternehmensbindung optimal fruchten. Denn für die Arbeitgeberbindung gilt, was für jede der vier Bindungspartnerschaften gilt: Menschen investieren nur in Bindungen, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Stellen sich Beziehungen als einseitig heraus, beenden wir Menschen sie üblicherweise recht schnell wieder.
Tipp: Wenn Sie als Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung bei ihren Mitarbeitenden hohe arbeitgeberbezogene Bindung erzielen wollen, müssen Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erst einmal selbst glaubhaft verdeutlichen, dass Sie selbst eine hohe Verbundenheit gegenüber ihren Mitarbeitenden empfinden.
Hierzu kann beispielsweise das Etablieren eines mitarbeiterzentrierten Erfolgsklimas beitragen, flankiert durch eine entsprechend erfolgsorientiert mitarbeiterzentrierte Unternehmenskommunikation sowie passende Strukturen, Systeme und Prozesse. Und, beispielsweise:
- Nähe und Ansprechbarkeit der Unternehmensleitung
- Echtes Interesse an dem Mitarbeitenden als Mensch
- Konsequente Beseitigung der bei regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen erkannten Defizite
- Gemeinsames Erarbeiten von Unternehmenswerten
- und → vieles mehr .
Welche Effekte erzielen Sie durch unternehmensbezogene Mitarbeiterbindung?
Lohnt es sich für Arbeitgeber, in die arbeitgeberbezogene Ebene der Mitarbeiterbindung zu investieren? Wie werden sich erstens die die Fluktuationsneigung, zweitens Leistungsbereitschaft, Engagement und Einsatzfreude der Mitarbeitenden sowie drittens die Arbeitgeberattraktivität verändern, wenn Sie unternehmensbezogene Mitarbeiterbindungsmaßnahmen umsetzen?
Im Hinblick auf die Fluktuationseffekte liegt es auf der Hand: Mitarbeitende, die mit Stolz und Freude die Farben „ihres Unternehmens“ tragen, so manche vorübergehende Unbill auf anderer Ebene in Kauf nehmen, ohne ernsthafte Fluktuationsabsichten zu entwickeln. Menschen, die sich ihrem Arbeitgeber verbunden fühlen, zeichnen sich üblicherweise durch hohe Verbleibsbereitschaft und langjährige Betriebszugehörigkeit aus.
Maßnahmen zur Stärkung der Unternehmensbindung fördern die Neigung zum Verbleib im Unternehmen enorm.
Anders sieht es mit der Auswirkung von Unternehmensbindungs-stärkenden Maßnahmen auf die Performance aus: Mitarbeitende mit hoher unternehmensbezogener Bindung tragen zwar häufig enorm zur Verbesserung des Zusammenhalts in ihren Organisationseinheiten und im ganzen Betrieb bei. Durch Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensbindung wird jedoch (im Durchschnitt über alle Mitarbeitenden!) allenfalls ein kleiner Anreiz gegeben, sich stärker zu engagieren. Hoch unternehmensgebundene Low Performer sind gar nicht einmal selten.
Auch wenn es in der Praxis stets von der Unternehmensleitung erhofft wird: Auf die Unternehmensbindung gerichtete Maßnahmen ziehen zwar stets eine Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit, aber nicht zwingend eine Performancesteigerung nach sich.
Doch Maßnahmen, die auf die Steigerung der Unternehmensbindung abzielen, eignen sich hervorragend zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Beispiel: Die von den Mitarbeitenden selbst nach außen getragenen Zugehörigkeitskennzeichen wirken stets authentischer und glaubhafter als jede noch so aufmerksamkeitsstarke Recruiting-Kampagne.
Maßnahmen zur Stärkung der Unternehmensbindung sorgen für eine Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität.
Auch „Mitarbeitende werben Mitarbeitende“ funktioniert bei hoher Unternehmensbindung hervorragend. Wichtig ist stets, dass der Personenkreis, der diese hohe Unternehmensbindung aufweist und nach außen zeigt, auch der Personengruppe entspricht, die das Unternehmen als Bewerbende anziehen möchte.
Fazit zur Unternehmensbindung
Auch wenn keine sonderlichen Performance-Steigerungen aufseiten der Mitarbeitenden zu erwarten sind, sind unternehmensbezogene Mitarbeiterbindungsmaßnahmen höchst sinnvoll. Mitarbeitende, die sich ihrem Arbeitgeber stark verbunden fühlen, zeichnen sich stets durch sehr niedrige Fluktuationsneigung aus. Unternehmen, denen es primär um Verbesserungen 1. bei Retention und 2. bei der Gewinnung von Personal geht, sollten daher unternehmensbezogene Mitarbeiterbindungsmaßnahmen umsetzen. Denken Sie als Mitglied der Unternehmensleitung bitte zudem grundsätzlich an das Controlling von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern.
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