Was bei Produktionsverlagerung leicht übersehen wird

Was bei Produktionsverlagerung leicht übersehen wird

Produktionsverlagerungen gehören sicherlich zu den nicht ganz einfachen Projekten, die eine Vielzahl von Themen beinhalten, die dabei beachtet werden sollten. In der Regel beginnt das schon lange vor der eigentlichen Verlagerung, wenn man sich Gedanken über strategische Gründe und Ziele macht und diese von langfristigen Planungen ableitet und mit ihnen abgleicht. Dazu gehören dann auch zahlreiche wirtschaftliche aber auch rechtliche, soziale und kulturelle Faktoren, die über reine Kostenbetrachtungen weit hinausgehen, obwohl diese schon sehr vielfältig sind. Viele dieser Faktoren bestimmen dann letztlich die auch Standortwahl, sofern es sich nicht nur um Verlagerungen an bzw. zwischen bestehenden Standorten handelt.

05. August 2024 um 04:30 Uhr von Götz Müller
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Und wenn die relevanten Vorentscheidungen gefallen sind, fängt der „Spaß“ erst richtig an.

Jetzt kommen technische Überlegungen ins Spiel ebenso wie die operative Planung und Durchführung, die auch von geeigneter Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern begleitet wird.

All diese Einfluss- und Erfolgsfaktoren sind so umfangreich, dass typischerweise eine eigene Projektorganisation und entsprechende Ressourcen notwendig sind.

Im Rahmen dieses Artikels will ich mich auf ein kleines Detail konzentrieren, das aber auf den Gesamterfolg durchaus einen erheblichen Einfluss ausüben kann (ohne, dass ich deshalb alle anderen Faktoren abwerten will).

Diese Detail sind die betrieblichen Aspekte nach der eigentlichen Verlagerung. Auch wenn in modernen Produktionsanlagen die Technik eine große Rolle spielt, bleibt doch ein nicht zu unterschätzender menschlicher Anteil übrig. Und während die Technik alleine mit all ihren Komponenten vergleichsweise einfach physisch verlagert werden kann, gelingt das typischerweise mit den Menschen so nicht. In der Regel und von temporären Ausnahmefällen abgesehen, wird man es an dem neuen Standort nicht mit den gleichen Menschen zu tun haben.

Das bedeutet auch, dass die Menschen an dem neuen Standort nicht über das gleiche Wissen und die gleiche Erfahrung wie am alten Standort verfügen. Diese Situation wird möglicherweise noch verschärft, wenn die Verlagerung auch dazu genutzt wird, die Technik nicht eins zu eins zu verpflanzen, sondern evtl. gleich die Chance nutzt, bestimmte Veränderungen umzusetzen, die vielleicht am alten Standort schon lange auf dem Programm standen, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht umgesetzt wurden. Dabei geht es mir jetzt auch nicht darum, die eine oder die andere Variante zu bevorzugen, sondern einfach nur diese Möglichkeit mit in den Fokus zu rücken.

Egal wie man es auch drehen und wenden mag, an dem neuen Standort wird es eine Vielzahl von Menschen geben, die sich mit den dort jetzt neu vorhandenen Gegebenheiten noch nicht auskennen, also im Grunde ungelernt sind. Dies gilt auch, wenn dieser Fall im Rahmen der Projektplanung berücksichtigt wurde. Zu irgendeinem Zeitpunkt werden Menschen im Bezug auf die Tätigkeiten an dem neuen Standort ungelernt sein.

Die Leser, die mich schon etwas kennen, können sich vermutlich schon vorstellen, um was es jetzt nach dieser etwas längeren Vorrede gehen wird.

Die beschriebene Situation, die wir an dem neuen Standort vorfinden, gleicht einer Situation vor über 80 Jahren, als bisherige Erfahrungsträger relativ kurzfristig nicht mehr verfügbar waren und durch eine Vielzahl von Menschen ersetzt werden mussten, die von industrieller Produktion im Grunde keine Ahnung hatten.

Damals entstand das Job Instruction Training, mit dem Menschen befähigt wurden, andere ungelernte Arbeitskräfte zu unterweisen.

Diese Unterweisungen haben dann nicht einfach so stattgefunden, dass man den neuen Mitarbeitern die vorhandenen Tätigkeitsbeschreibungen in die Hand gedrückt und sie ihrem Schicksal überlassen hat.

Jetzt hat vielleicht der ein oder andere Leser den Einwand auf der Zunge, dass wir heute doch viel weiter und die vorhandenen Tätigkeitsbeschreibungen viel detaillierter und besser ausgearbeitet sind.

Meine lapidare Gegenfrage auf Basis meiner Erfahrung lautet da einfach bloß:

❓Wirklich?

❓Sind die aktuellen Tätigkeitsbeschreibungen wirklich aktuell?

❓Sind sie den bisher tätigen Personen wirklich vollumfänglich bekannt und arbeiten sie auch danach?

❓Sind die Tätigkeitsbeschreibungen so gestaltet, dass eine noch unerfahrene Person damit wirklich alleine zurechtkommt?

❓Oder haben sich die Tätigkeiten in Details nicht doch weiterentwickelt und entsprechen nicht mehr wirklich der vorhandenen Dokumentation?

❓Enthalten die Tätigkeitsbeschreibungen wirklich nur die wichtigen Schritte (das Was), die Schlüsselaspekte (das Wie) und die Gründe dafür (das Warum)? Oder sind sie etwas bis völlig überfrachtet, so dass man die Nadel im Heuhaufen suchen muss, aber viel zu oft vorher aufgibt?

❓Sind dabei auch die Arbeitsplätze und die Ausrüstungen im notwendigen Maß beschrieben?

❓Wissen die neuen Mitarbeiter, an wen sie sich im Zweifelsfall wenden können?

❓Wird die Einhaltung der festgelegten Arbeitsstandards im notwendigen Maß kontrolliert? Wird das auch an dem neuen Standort möglich sein?

Diese Fragen sind nicht nur bei Standortverlagerungen relevant, sondern auch an bestehenden Standorten, insbesondere wenn die Produktion dort regelmäßigen Veränderungen unterliegt.

Dazu gehört dann nicht nur gutes Industrial Engineering, sondern auch die Fähigkeit, die betreffenden Personen zu unterweisen. Die Fähigkeit zur Unterweisung und die Erstellungen entsprechender Arbeitsaufschlüsselungen gehört allerdings nicht notwendigerweise zur Ausbildung eines Industrial Engineers.

Wenn Sie mehr über die Job Instructions aus dem Training Within Industry erfahren wollen, können Sie diesen Sammelartikel für weiterführende Informationen nutzen.



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