Innovation PMO - ein Symptom einer dysfunktionalen Innovationskultur?
Viele Firmen sind stolz auf ihre 80 Innovationsprojekte, die gleichzeitig am Laufen sind. "Seht her, wie voll unser Innovationsfunnel ist, wir brauchen sogar eine PMO um das alles zu verwalten" - kennst du das?
Jedes einzelne "Projekt" braucht dabei viele Jahre bis zum Abschluss und greift auf dieselben, begrenzten Ressourcen in den verschiedenen Bereichen zu, was zu Verzögerungen und Überlastung führt. In den Jobbeschreibungen für die notwendigen R&D Ingenieure finden sich dann Anforderungen wie zum Beispiel:
- Mehrjährige Berufserfahrung in der Leitung komplexer Projekte
- Ist in der Lage mehrere Projekte gleichzeitig zu managen
- Kann adressatengerechte Statusberichte an Vorgesetzte schreiben
- Hohe Resilienz und Durchsetzungsvermögen
OK, was war der Job nochmal? Ah Innovation! Stimmt...
Wo ist der Entdeckergeist? Die Kreativität? Das Grenzenüberschreiten?
Ein bisschen Theorie über unser Gehirn
Jede Unterbrechung unserer aktuellen, geistigen Tätigkeit, kostet uns ca. 15 Minuten, um wieder am gleichen Punkt anzuknüpfen, wie vor der Unterbrechung. [Ich meinte Rock oder Kahnemann hätten darüber geschrieben…]
Stell dir einen Projektleiter mit 7 Innovationsprojekten gleichzeitig vor. Da jedes 3-5 Jahre dauert, sind das ein paar Neue und andere kurz vor dem Abschluss. In jedem Projekt gibt es 5 Stakeholder und 10 Teammitglieder. Das macht 105 Einzelkontakte für den Projektleiter. Wenn jeder grob einmal pro Woche mit dem Projektleiter interagiert, unterteilt sich die 40 Stundenwoche in 30 Minutenslots, back-to-back.
Kommt dir bekannt vor? Das Rennen von einem Meeting zum nächsten?
Im Extremfall, dass jeder Slot zu einem anderen Projekt oder Team gehört, braucht der Projektleiter jedes Mal 15 Minuten um im Thema anzukommen. Das sind 20 Stunden / Woche um geistig vom Einen zum Nächsten zu schalten. Oder anders ausgedrückt, in jedem 30 minütige Meeting braucht es die Hälfte der Zeit damit der Projektleiter geistig im aktuellen Thema ankommt.
Kommt dir auch bekannt vor?
Schaut mal auf euer wöchentliches Stundenkonto. Sicher sammeln sich da Woche für Woche Überstunden an, einfach um die Arbeit zu erledigen. Oder anders betrachtet: um euerm Gehirn Zeit zu geben zwischen Themen umzuschalten. Mir ist ein Zitat eines R&D Engineers im Kopf: "Klar, unter 60 Stunden kommt hier keiner raus…"
Zoomen wir nun mal raus
Nehmen wir wieder unseren Projektleiter mit den 7 Projekten. Er startet 3 Projekte gleichzeitig, da die neue Budgetrunde begann und es jetzt neue Geldmittel gibt. Nach 3 Jahren schließt er alle 3 Projekte gleichzeitig ab. In der Zeit hat er wie oben beschrieben, viel Zeit damit verbracht zwischen all seinen Projekten hin und her zu schalten. Und er hat um geteilte Ressourcen gekämpft, Reports geschrieben, warum er irgendwo spät dran ist oder warum etwas anderes nicht klappte.
Seine neue Kollegin hat auch 3 Projekte bekommen. Sie entscheidet sich die Projekte nicht parallel zu starten, sondern eines nach dem anderen. Auch sie hat nach 3 Jahren alle drei Projekte fertig. Was hat sie noch geschafft?
- Projekt 1 und Projekt 2 waren bereits nach 1 bzw 2 Jahren fertig
- Die Unternehmung konnte den Benefit der Projekte früher einstreichen
- Sie hat sich nicht um Ressourcen streiten müssen, da sie ihr Team fokussieren konnte
- Sie selber hat weniger "Task-Switching" betrieben und daher Zeit gespart
- Die Gesamtzeit für alle 3 Projekte ist auf 2 Jahre reduziert
Klingt logisch?
In Kanban Management nennen wir das "limitiertes WIP", also ein Limit wie viele Aufgaben gleichzeitig ablaufen. Das ist viel einfacher als Rakten bauen.
Du sagst jetzt vielleicht: "ja aber, das Beispiel ist zuu einfach, bei uns geht das nicht". Stimmt! Und stimmt nicht! Lies dir den Text nochmal durch und reflektiere
- wo siehst du dich selber
- wo verschwendest du Zeit
- wie viele Dinge packst du gleichzeitig an
- welche kleinen Dinge kannst du ändern
Warum machst du es dann selber nicht komplett so?
Mir ist bewusst, dass du nicht alleine von heute auf Morgen deine ganze PMO umstricken kannst. Doch gibt es kleine Schritte, die du selber unternehmen kannst.
Was tun um aus dieser Dysfunktion herauszukommen?
Für den einzelnen Projektleiter
- Unterteile deine Woche in Zeitblöcke nach Thema und gruppiere gleiche Arbeiten. So vermeidest du das anstrengende Umschalten zwischen Themen und sparst schlussendlich sehr viel Zeit. (Ideale Arbeitsbedingungen)
- Reduziere Reporting auf ein Minimum, nicht jeder Stakeholder braucht zB ein eigenes Template, sondern nutze diese Zeit um Hilfe anzufordern und über Hindernisse zu sprechen
- Plane dir bewusst Zeit um von Thema zu Thema umzuschalten, so verschwendest du nicht die Zeit der Teammitglieder.
- Plane deine laufenden Projekte sequentiell, nicht parallel, das reduziert den Stress deiner Teammitglieder und beschleunigt dich ungemein. Auch wenn es bedeutet, dass ein Projekt mal 3 Monate "rumliegt".
Für die Organisation
- Stop starting, start finishing! Erzeugt einen echten Flow der Inno-Projekte.
- Limitiert die maximale Anzahl an Projekten pro Person auf max. 3! Ja, max. 3!!
- Sagt mutig "Nein" zur Anforderung, "das auch noch zu starten"
- Zeigt auf, das am Ende alle Projekte fertig werden, manche davon früher.
Zusammenfassung
Wir können nur wenige Dinge gleichzeitig erledigen. Beim Umschalten zwischen zwei Themen verlieren wir 15 Minuten.
Viele Firmen haben PMOs eingerichtet um zu viele gleichzeitige Projekte zu managen, ein Symptom für eine Dysfunktion.
Eine Reduktion der Anzahl gleichzeitiger Projekte und bewusste Trennung in der Arbeitswoche beschleunigen den Ablauf.
Und das ist nur der Anfang! Im Übergang von R&D zur Produktion gibt es noch VIEL MEHR Potential!
Euer Markus, Innovationsbeschleuniger bei Wertwandler GmbH.
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