Wie ist es im die Managementkompetenz bestellt? - Management Barometer aus der LATC-Morning-Show
Im Management-Barometer der Morning Show auf der LATC 2024 haben wir zwei interessante Studien vorgestellt, die Lean-Enthusiast:innen bei der Argumentation für mehr Lean und Agile helfen können.
Wie viele Firmen haben oder brauchen Manager:innen?
Schauen wir uns mal an, wie viele Unternehmen es in Deutschland (84,4 Mio. Einw.), Österreich (9,1 Mio. Einw.) und der Schweiz (8,8 Mio. Einw.) gibt. Ganz grob kann man sagen, dass jeweils die Hälfte der Bevölkerung erwerbstätig ist. Hinzu kommt die Gruppe der Selbständigen, zu denen ungefähr 3-5 % der Bevölkerung gehören.
In allen drei Ländern werden die wirtschaftlich tätigen rechtlichen Einheiten in vier Größenklassen eingeteilt: 0-9 Mitarbeiter:innen, 10-49 Mitarbeiter:innen, 50-249 Mitarbeiter:innen und Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen. In jedem Land haben mehr als 90% der Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiter. Wir gehen davon aus, dass es in den Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeiter:innen Manager:innen gibt, um die Arbeit zu organisieren. Das wären in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen ca. 79 Tausend Unternehmen.
Beschäftigte | Deutschland | Österreich | Schweiz |
0-9 | 2.900 Tsd. | 510-600 Tsd. | 574 Tsd. |
10-49 | 180 Tsd. | 28 Tsd. | 51 Tsd. |
50-249 | 50 Tsd. | 5,7 Tsd. | 9 Tsd. |
>= 250 | 11 Tsd. | 1,3 Tsd. | 1,7 Tsd. |
Tabelle 1: Anzahl der Unternehmen nach Unternehmensgröße (Statistisches Bundesamt, Statistik Austria, Statista, Österreichisches Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Wirtschaftskammer Österreich, Schweizerisches Bundesamt für Statistik, Bundesamt für Sozialversicherungen)
Die Leseranalyse Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung hat Zahlen zu Führungskräften in Deutschland veröffentlicht:
- 1,8 Mio. Leitende Angestellte
- 236.000 Leitende Beamte
- 552.000 Selbständige mit min. 6 Beschäftigten
- 423.000 Menschen in freien Berufen
Auswertung der Managementkompetenz
Wie können wir die Managementkompetenz bewerten? Raffaella Sadun, Nicholas Bloom und John Van Reenen haben eine Studie gemacht und die Ergebnisse im Harvard Business Review (Why Do We Undervalue Competent Management?) im Oktober 2017 veröffentlicht.
Die Autoren haben in 10 Jahren und in 34 Ländern ca. 12.000 Firmen untersucht. Sie haben 18 Managementprozesse mit einer Note von 1 bis 5 bewertet. Eine 1 bedeutet, dass es diesen Prozess nicht gibt oder dass er nicht funktioniert. Eine 5 bedeutet, dass dieser Prozess sehr gut funktioniert und ständig verbessert wird. Welche Prozesse waren das?
- Betriebsführung: Einsatz von Lean-Techniken, Gründe für die Einführung schlanker Prozesse, Leistungsüberwachung
- Prozessbewertung: Verwendung wichtiger Leistungsindikatoren, Auswertung von Kennzahlen, Diskussion der Ergebnisse, Konsequenzen bei fehlender Zielerreichung
- Umgang mit Zielen: Auswahl der Ziele, Verbindung zur Strategie und Herunterbrechen auf die verschiedenen Einheiten, Zeithorizont, Grad der Herausforderungen, Klarheit der Ziele und ihrer Messung
- Mitarbeiterführung: Talentmentalität auf höchstem Niveau, anspruchsvolle Ziele, Umgang mit Geringleistung, Mitarbeiterentwicklung, Wertversprechen für Mitarbeiter, Mitarbeiterbindung
Aus den Einzelnoten wurden Gesamtnoten von 1 bis 5 berechnet. Diese Noten werfen kein gutes Licht auf die Kompetenz der Manager:innen:
- 11% der Firmen bekamen die Note 1 oder 2 (schlecht)
- 83% der Firmen bekamen die Note 3 (mittelmäßig)
- Nur 6% der Firmen bekamen eine 4 oder 5 (gutes Management)
Das spiegelt auch die Erfahrungen aus anderen Studien wieder. Der Anteil an Firmen, die Lean oder Agil wirklich beherrschen liegt um die 5%. Aber warum ist die Zahl der guten Manager:innen so gering?
Was machen die Manager wirklich?
Die o.g. Studie kommt zum Schluss, dass die Manager sich überschätzen und die Lage nicht realistisch einschätzen können. Die Autoren haben den Managern am Ende ihrer Interviews die Frage gestellt, wie gut ihr Unternehmen auf einer Skala von 1-10 geführt wird. Über 70% der Manager gaben ihrer Führung einen Wert von 8 bis 10. Diese Wahrnehmung passt nicht zur tatsächlichen Führungsqualität.
Hier können eine weitere Studie zu Rate ziehen. Fred Luthans (Universitätsprofil, Wikipedia-Eintrag) hat festgestellt, dass Erfolg von Manager:innen unterschiedlich bewertet wird. Er hat sie in zwei Gruppen unterteilt und untersucht, womit sie ihren Tag verbringen.
In der ersten Gruppe wird Erfolg vor allem dadurch definiert, dass die Manager:innen befördert werden. In der anderen Gruppe bedeutet Erfolg, dass die Einheit, in der die Führungskraft arbeitet, erfolgreich ist. Die Mitarbeiter:innen dort sind zufrieden und zeigen eine hohe Einsatzbereitschaft. Es gibt also erfolgreiche ODER effektive Manager:innen. Es ist interessant, dass die Führungskräfte ihre Zeit ganz unterschiedlich einteilen. Luthans hat ihre Aktivitäten in vier Bereiche eingeteilt:
- Netzwerken
- Routinekommunikation
- HR-Arbeit
- traditionelles Management
Die erfolgreichen Manager:innen sind vor allem mit Netzwerken (nach außen) beschäftigt. Die effektiven Manager:innen sind am meisten mit Kommunikation (in der Einheit, in der sie arbeiten) beschäftigt. Die folgende Tabelle zeigt den Unterschied.
Anteil | Erfolgreiche Mgr. | Effektive Mgr. |
Netzwerken | 48% | 12% |
Routinekommunikation | 28% | 45% |
HR-Arbeit | 11% | 27% |
traditionelles Management | 13% | 15% |
Tabelle 2: Wie teilen erfolgreiche und effektive Manager:innen ihre Zeit ein? (Quelle: Luthans, Fred ; Hodgetts, Richard M. ; Rosenkrantz, Stuart A. ; Ashton, James: Real Managers Revisited. : Hogan Assessments, 2019. S. 46 u. S. 48)
Was können wir tun, wenn wir mehr effektive Manager:innen brauchen?
Wie können wir die Managementkompetenz verbessern?
Wir brauchen mehr besser geführte Unternehmen, die ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten. Wir sollten nicht darauf warten, dass wir zufällig effektive (statt erfolgreiche) Manager:innen finden. Deming hat einmal gesagt, dass das Managementsystem einen viel größeren Effekt auf die Ergebnisse hat, als die individuelle Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter:innen. Manager:innen müssen und können lernen, wie man gute Managementsysteme aufbaut.
In echten leanen und agilen Unternehmen haben die Manager:innen gelernt, sich die immer wieder die echten Zahlen anzusehen. Die Gemba-Walks sind eine Möglichkeit zu lernen, was wirklich im Unternehmen abläuft. Führungskräfte in diesen Unternehmen haben gelernt, sich selbst in Frage zu stellen. (Sie haben auch gelernt, dass dies nicht schlimm ist.) Diese Unternehmen fühlen sich auch immer einem höheren Ziel verpflichtet. Sie wollen etwas beitragen.
Gutes Management kann man wie Profisportler:innen oder Profimusiker:innen täglich üben. Bob Emiliani hat in Speed Leadership dazu eine Liste von Prozessen und Zielbedingungen veröffentlicht:
- Menschen führen und steuern: Anleitung und Lehren
- Planung und Budgetierung: Ressourcen sinnvoll verteilen
- Auslastung steuern: Arbeit sinnvoll verteilen
- Entscheidungen treffen: weiteren Verlauf oder Handlungen bestimmen
- Probleme erkennen und angehen: rechtzeitig wahrnehmen und reagieren
- Probleme lösen: Ursachen finden, Gegenmaßnahmen und Lösungen entwickeln
- Berichte prüfen, Reviews: Beteiligung, Wahrnehmung und Verbesserung
- Rückmeldungen an Mitarbeiter, Coaching: Lehren, Lernen, Verbessern
- Teambesprechungen: aktuellen und künftige Zustände kommunizieren
- Fragen stellen, zuhören, Rückmeldungen annehmen: Beteiligung, Wahrnehmung und Verbesserung
- Informationen teilen: rechtzeitig kommunizieren
- Menschen entwickeln: Fähigkeiten verbessern, neue Fähigkeiten lernen
- Leistungsbeurteilung: Lehren, Lernen, Verbessern
- Herumgehen, umschauen: Beteiligung, Wahrnehmung und Verbesserung
- Stakeholder einbinden: Beteiligung, Wahrnehmung und Verbesserung
Fassen wir zusammen: Führungskräfte überschätzen ihre Führungskompetenz massiv. In der o.g. Studie sind 83% der untersuchten Firmen mittelmäßig geführt. Leider rechnet sich diese Mittelmäßigkeit immer noch. Das Überschätzen der eigenen Leistung ist gefährlich, denn die Menschen, die das Führungssystem gestalten leiden nicht darunter. Ihnen ist nicht bewusst, welchen Schaden sie langfristig anrichten. In den (wenigen) gut geführten Unternehmen stellen sich die Manager:innen stets selbst in Frage. Sie beschäftigen sich mit der Realität. Dort übernehmen die Führungskräfte Verantwortung für das Managementsystem. Sie arbeiten daran, sich täglich zu verbessern.
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