Was zu viel ist, ist zu viel ... Folge 105
Es ist ein später, orangener, von Pastellfarben getränkter Himmel eines Nachmittags in Los Straneros, dem Verwaltungssitz von WMIA Incorporated. Dr. Nemo, der CEO dieses weltgrößten Unternehmens, sitzt in dem violetten ledernen hohen Sessel an einem der Fenster des Vorstandsbüros.
Er nennt ihn seinen „Denksessel“. Abgewandt vom Tagesgeschehen steht das Möbel da und wer hier sitzt, mit Blick auf die sieben Weltmeere, muss schon ein harter Knochen sein, wenn er nicht ins Sinnieren kommt. Solche Momente des Sinnierens, also Nachdenkens oder Philosophierens passieren Nemo gelegentlich. Sie passieren wohlgemerkt, sie überkommen ihn. Wer kennt das nicht? Wobei Sinnieren nicht eigentlich ein zielgerichtetes Denken ist, dies ergebnisorientierte Denken, das ja der Kaste der Manager zu eigen ist, sondern eher ein losgelöster Ausflug in die Tiefen des eigenen Seins. Losgelöst, ja manchmal greift die Natur oder irgendetwas Größeres nach den Menschen und lässt sie innehalten, wo es doch eigentlich immer was Wichtigeres zu tun gibt im Reich der CEOs. Wir kennen das ja, „Dr. Nemo muss zum nächsten Termin …“
Nun, wir werden sehen, welche Gedanken da in Nemo aufsteigen, Gedanken, die das Alltagsgeschehen eigentlich nicht zulässt oder was heißt hier Alltagsgeschehen. Diese gängige Ausrede überhören wir mal …
„Ich bin allein!“, denkt Nemo. Dabei wendet sich sein Blick nach innen und es scheint, als würde dieser Ausflug ihn loslösen von dem, was man gemeinhin das „Hier und Jetzt“ nennt … um es profan auszudrücken, der Herr Vorstandsvorsitzende gerät ins Dösen. Dösen ist dieser wunderbare Zustand zwischen den Welten, in dem man halbwach träumt.
„Was zu viel ist, ist zu viel!“ murmelt Nemo vor sich hin.
„Was ist zu viel?“, fragt eine Stimme. Wohlgemerkt, da ist eine Stimme, es sieht so aus wie ein Zwiegespräch mit sich selbst. Kennt ja jeder, doch hier geschieht etwas anderes … wir werden gleich mehr wissen.
Nemo: „Zu viel, das sind zu viele Menschen, zu viele Meinungen, zu viele … ach was … mit einem Wort „Warum können die Menschen, mit denen ich bin, nicht einfach so sein wie ich? So denken, so handeln … ich bin doch nicht so ganz falsch mit dem, was ich tue und trotzdem ist da immer wieder Störfeuer, sind da Disruptionen, wie Blasen aus glühender Lava steigen sie auf … Es ist zu viel!“
Die Stimme: „Du meinst, dass wer unter Narren wohnt, wie viel auch derer sein, ist unter ihnen doch, als wär‘ er gar allein.“
Nemo: „Genau!“
Die Stimme: „Du meinst, es wären Narren, die Dich umgeben?“
Nemo: „Ja, sie stören, sie zerlöchern meine Meinung, meine Erfahrung, letztlich das, was ich bin … sie stellen mich in Frage, es sind Narren, anders kann ich das nicht beschreiben.“
Die Stimme: „Wer alle anderen für Narren hält, ist selbst der größte Narr!“
Nemo: „Das ist zu viel für mich.“
Dann wendet er seinen Kopf und schaut hinter seinen Sessel.
Die Stimme gehört Andrea, dem Mönch, seinem Freund. Er war von Nemo unbemerkt in den Raum gekommen. Mönche bewegen sich ja fast lautlos.
Andrea: „Glaubst Du, die Welt, die Menschen seien wie das Räderwerk einer Uhr, in der alles passt?“
Nemo: „Wie meinst Du das?“
Andrea: „Muss ich Dir das erklären?“
Nemo schweigt.
Andrea: „Ist WMIA Incorporated ein Räderwerk, ist deine Familie sozusagen passend, passend in Deine Vorstellungen?“
Nemo: „Ja, was denn sonst?“
Andrea: „Danke, dass Du das siehst.“
Nemo: „Was soll dies „Danke“?“
Andrea: „Nun, wenn du wissen möchtest, wie Du aus dem Dilemma, des Alles-Ist-Zuviel herauskommen willst, dann ist es gut, zu wissen, wo Du stehst. Daher das „Danke“ für die Erkenntnis.“
Nemo: „Und nun?“
Der Mönch schweigt, dann nimmt er Nemo bei der Hand.
Andrea: „Du bist nicht allein.“
Nemo: „Das ist leicht gesagt. Ich empfinde es aber so.“
Nemo muss zum nächsten Termin.
Andrea begleitet ihn zum Fahrstuhl.
Nemo: „Was soll ich tun?“
Andrea: „Könntest Du Dich trauen, zu fragen, wie Du denkst?“
Nun, harter Tobak im Licht des Nachmittags. Gut, dass es Abend wird und die Narren, wie Nemo sie nennt, sitzen beim Aperitivo.
Wie es mit Dr. Nemo weitergeht, erfahren wir nächsten Dienstag …
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