Shopfloor Management … Ach, die bunten Charts!
Man kommt in Unternehmen, die etwas auf sich halten und sogenannte Info-Tafeln in ihren Werkhallen aufgestellt haben nicht vorbei.
Da findet man eine Fülle von Charts, die in der Regel auch nach Themen wohl sortiert dort aushängen. Perfekte Visualisierung. Auf den ersten Blick gewinnt man den Eindruck, dass hier professionell gearbeitet wird. Bei näherem Hinsehen entdeckt man Charts, die äußerst schwer zu interpretieren sind. Sollte hier jemand aus dem Auge verloren haben, dass Visualisierungen empfänger- statt senderorientiert gestaltet sein müssen?
Dann findet man Charts, die bereits ein älteres Datum aufweisen. Offensichtlich hat es mit der Aktualisierung nicht so recht funktioniert. Es stellt sich heraus: Die zuständige Person hat einen Engpass und kommt nicht hinterher. Aber das hat sowieso kaum einer bemerkt. Die Werker in der Halle haben sich an die Tafeln mit den bunten Charts gewöhnt und schauen schon gar nicht mehr wirklich hin. Auf die Frage an eine Gruppe von Werkern, die gegenüber der Tafel arbeitet: „Was bedeuten Ihnen diese Charts dort an der Tafel?“ sagen sie mit einem Achselzucken: „Keine Ahnung, eigentlich nichts!“
Wenn man mal „5S“ an einer solchen Tafel machen würde, bliebe wahrscheinlich nur der Urlaubsplan übrig. Der Rest hat keine Relevanz für die Werker. Schade! Es stellt sich die Frage: Ist die Info-Tafel gar nicht für die Werker eingerichtet worden? Soll sie vielleicht nur vorübergehende Kunden beindrucken oder das Gewissen eines Vorgesetzten beruhigen? Das Beschriebene ist kein Einzelfall und es zeigt: Bunte Charts haben mit Shopfloor Management nicht immer etwas zu tun.
Worauf es ankommt
Beim Umgang mit dem Thema „Shopfloor Management“ sind Sachverstand und Augenmaß gefordert.
Hier ein Beispiel für den Bereich „Produktionsprozessoptimierung“: Mitarbeiter in einem solchen Prozess brauchen eine Kennzahl, die die Leistungsfähigkeit ihres Prozesses sauber abbildet. Sie muss einfach und anschaulich sein, so dass der Werker sie richtig interpretieren und nutzen kann. Er muss sie miterarbeitet haben und darüber hinaus mit seinen eigenen Mitteln beeinflussen können. Sonst identifiziert er sich damit nicht. Die Kennzahl muss außerdem prozessbegleitend leicht erfasst und visualisiert werden können. Eine Ermittlung am Ende der Woche oder eines Monats ist nur noch „Buchhaltung“ und kann für einen zeitnahen Eingriff in den Prozess i.d.R. nicht mehr herangezogen werden. Der Werker soll anhand „seiner“ Kennzahl unmittelbar Abweichungen im Prozess erkennen und so geeignet eingreifen können, um das Prozessziel möglichst innerhalb seiner Schicht noch zu erreichen.
Hier erkennt man schon, dass es entweder eine automatisierte Erfassung und Darstellung der Kennzahl geben oder der Werker die Aufzeichnung selbst d.h. manuell durchführen muss. Die Selbstaufschreibung erfordert ein wenig Arbeitszeit, hat jedoch einen entscheidenden Vorteil. Der kooperationsbereite Werker reflektiert beim Notieren eines jeden Datenpunktes die Situation und wird bei einem schlechten Wert i.d.R. nicht nur kognitiv, sondern zugleich auch emotional davon berührt.
Das ist genau das, was unser Hirn in einen Modus versetzt, in dem es für Veränderungen und Lösungsfindungen offen ist. Die mit Filzstift erzeugten Charts, vorzugweise als Grafiken, sollten in unmittelbarer Nähe des Prozesses aufgehängt sein und eine Größe haben, die man gut pflegen und im Vorübergehen leicht lesen kann (z. B. A2 oder größer); denn die Führungskraft ist aufgefordert, sich mehrmals täglich ein „Bild“ vom Prozessstatus zu machen und ggf. ein sogenanntes PDCA-Gespräch (Plan-Do-Check-Act-Gespräch) mit dem Werker zu führen. Diese Art der Regelkommunikation wird helfen, einen echten KVP (kontinuierlichen Verbesserungsprozess) zu betreiben.
Das Ziel ist, eine Abweichung bzw. ein Problem pro Tag zu entdecken und in eine Verbesserung zu überführen, und das mit 100%-iger Konsequenz. Mehr überfordert i.d.R. die Kapazität der Betroffenen und wäre schon Weltklasse.
Übrigens: Die Charts haben dann nur noch die Bedeutung für einen Tag, sie können täglich ausgewischt und neu beschrieben werden. Eine Statistik daraus zu erstellen bringt oft genug keinen Mehrwert.
Dieses Vorgehen begeistert die Betroffenen, hat den Begriff „Shopfloor Management“ echt verdient und ist zudem LEAN.
Weitere Inhalte
Kennst Du schon LeanLexicon?
-
LeanWissen von A-Z
-
Begriffe, Konzepte, Modelle
-
Alles an einem Platz
Weitere Inhalte auf LeanPublishing
4 Probleme mit der Berechnung der OEE-Kennzahl im Shopfloor Management
Die OEE-Kennzahl (engl. Overall Equipment Effectiveness; dt. Gesamtanlageneffektivität) ist eine wichtige Kennzahl für produzierende Unternehmen. Allerdings gibt es auch einige Probleme, die …
Warum es beim Visual Management auf die Richtung ankommt
Grundsätzlich ist Visual Management ein Führungsinstrument im Lean Kontext. Das drückt sich ja schon im Namensanteil „Management“ aus. Ebenso muss man sich auch über den anderen Teil „Visual“ …
Mittels Wertstromanalyse Verschwendungen in administrativen Prozessen nachhaltig reduzieren
Administrative Prozesse sind häufig ineffizient und verursachen Kosten anstatt einen Wertbeitrag zu leisten. Hier kann Wertstromanalyse helfen und Verschwendungen aufdecken, Prozesse schlank …
Digitales Shopfloor Management
Dr. Christian Hertle ist Gründer von SFM Systems. Mit seiner Lösung wird das papier-basierte Shopfloor Management auf einfach Weise digitalisiert.
Kommentare
Bisher hat niemand einen Kommentar hinterlassen.
Kommentar schreiben
Melde Dich an, um einen Kommentar zu hinterlassen.
Teilen