Selbstorganisation – machen statt reden.
Wie der Einstieg in den Wandel spielerisch gelingt.
Neulich war es wieder soweit. Ein weiteres Unternehmen hat sich auf den Weg gemacht, agiler zu werden, indem unter anderem top-down Steuerung reduziert und Selbstorganisation gefördert werden soll. Aber was bedeutet das eigentlich? Agilität. Selbstorganisation. Was verstehen die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter darunter? Und vor allem: Welche Konsequenzen vermutet dieser Personenkreis durch die avisierte Veränderung, oder gar „Transformation“, also eine echte Verwandlung der Organisation anstelle des 27. Change in Form einer Restrukturierung, bei der die Führungsprinzipien und die Kultur unangetastet bleiben? Schließlich gibt es nichts, was nicht auch seinen Preis hätte, seine eigenen Herausforderungen und vielleicht sogar Schattenseiten.
An der Stelle könnte man erst mal gesalbte Worte sprechen, einen Input liefern, einen Impulsvortrag mit illustren Beispielen halten, natürlich alle möglichst erfolgreich. Allein: Wen wird man damit wirklich erreichen? Diejenigen, die sowieso schon überzeugt sind, müssen nicht mehr „abgeholt“ und „mitgenommen“ werden. Und was ist mit denjenigen, die sich noch keine Meinung gebildet haben, vielleicht, weil sie keine rechte Vorstellung haben, was da auf sie zukommt; oder gar diejenigen, die eigentlich oder uneigentlich nicht die geringste Lust darauf haben, selber mehr Verantwortung zu übernehmen, selber zu entscheiden, entweder weil sie schon immer Dienst nach Vorschrift schieben wollten (die gibt es sehr wohl, sogar unter der Generation Y und Z entgegen der immer wieder kursierenden Gerüchte, dass wir dort besonders viele Fans neuer Arbeit und damit Selbstorganisation finden würden) oder weil sie im Laufe der Jahre mit mehr oder weniger Anweisungsgewalt dorthin sozialisiert worden sind. Diese letzteren Gruppen, die Unentschiedenen, die Zweifler oder Gegner agiler, selbstorganisierter Arbeit, sind erfahrungsgemäß durch theoretische Erörterungen oder praktische Fallbeispiele nur schwer zu gewinnen.
Glücklicherweise ist der Mensch „nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ (Schiller). Auch wenn es im Kontext der Transformation von Arbeit nicht um ästhetische Erziehung geht, so ist die offensichtliche Tatsache des homo ludens ein wunderbarer Hebel, um selbst komplexe und unbeliebte Themen erfolgreich anzugehen. Sprich: Anstatt bekannter, üblicher Vorgehensweisen kann möglichst schnell, ohne große Umschweife erst einmal gespielt werden. Und zwar so, dass Agilität und Selbstorganisation erlebt wird, idealerweise so, dass ein direkter Vergleich zu top-down gesteuerten Arbeitsprozessen möglich wird.
Eine Option, spielerisch in Agilität und Selbstorganisation einzusteigen, ist das Ubongo Flow Game. Mein Kollege Jan Fischbach hat dieses Spiel entwickelt, indem er das bereits bestehende Lego Flow Game von Karl Scotland und Dr. Sallyann Freudenberg auf das bestehende Gesellschaftsspiel Ubongo übertragen hat. Somit ist es möglich, in maximal einer Stunde die von einem anstehenden Wandel betroffenen Menschen drei verschiedene Formen der Arbeitsorganisation spielerisch erleben zu lassen: Wasserfall, Kanban und Selbstorganisation. In allen Fällen, in denen ich das Ubongo Flow Game anwendete, wurde die deutlich höhere Effektivität und Effizienz der Selbstorganisation im Vergleich zu den anderen beiden Formen der Arbeitsorganisation schnell ersichtlich.
Wenn die Teilnehmer in einem nächsten Arbeitsschritt nach dem Spiel die Aufgabe erhalten, herauszuarbeiten, was die Erfahrungen und Ergebnisse des Spiels für ihre tägliche Arbeit bedeuten, werden Aufwand und Ertrag der Selbstorganisation sichtbar. Ein gutes Beispiel dafür ist die sich verändernde Bedeutung der Kommunikation und Interaktion zwischen den Teilnehmern. Wo am Anfang bei einem top-down vorgegebenen Arbeitsprozess Kommunikation und Interaktion keine allzu große Rolle spielen, weil alle Regeln und Arbeitsschritte vorgegeben sind, ändert sich das radikal, sobald diese Regeln aufgelöst werden und die Teilnehmer den Arbeitsprozess selber gestalten können und so gezwungen sind, selber zu denken und die Möglichkeit haben, kreativ zu werden. Dann bekommt die Kommunikation, Interaktion und Reflexion der eigenen Handlungen eine wesentliche größere Bedeutung. Sie wird gewissermaßen zum Fundament der Selbstorganisation der Arbeit.
Wer also unfruchtbare und möglicherweise kontraproduktive Debatten vermeiden will, kann über einen spielerischen, erlebnisorientierten Zugang wesentlich schneller und effizienter zum Ziel gelangen. So ganz nebenbei entsteht noch ein wunderbarer Kollateralnutzen: Die Teilnehmer haben Spaß, lachen und gehen wesentlich lockerer in die theoretische Reflexion. Auf diese Weise verschmelzen Form und Inhalt zu einer Einheit. Schließlich besteht ein Aspekt von selbstorganisierter Arbeit auch darin, dass der Broterwerb wieder mehr Freude macht.
Weitere Informationen zum Spiel finden Sie im Teamwork-Blog meines Kollegen Jan Fischbach.
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