Sprechen hilft!
Was für eine Überraschung: Auch beim Sprachenlernen wirken Prinzipien und Kniffe aus dem Toyota-Produktionssystem – und zwar großartig!
Dieser Erlebnisbericht nimmt einen (von zahlreichen) Wow-Effekten unter die Lupe, die Christiane Carstensen und Sonya Dase bei der LeanSimulation am 18./19. Januar in Mannheim hatten.
Sprechen hilft! Dass diese Aussage eine mir bisher vollkommen unbekannte Bedeutung hat, habe ich bei der LeanSimulation entdeckt.
Bei dem 1,5-tägigen Workshop übernehmen die Teilnehmer zuerst einen Arbeitsplatz in einem kleinen Produktionsbetrieb und führen ihre Aufgaben – gut ausgerüstet mit Arbeitsplatzbeschreibung, Arbeitsanweisung und Werkzeug – aus. Wir waren 12 Personen aus unterschiedlichsten Arbeitsbereichen und Branchen und hatten trotzdem alle schnell einen Wiedererkennungseffekt: Allen kam diese Art der Geschäftsprozessgestaltung bekannt vor. Viele einzelne Details waren genau festgeschrieben.
Was auch alle aus ihren unterschiedlichen Branchen und Bereichen kannten: Einige von uns bekamen rote Flecken im Gesicht, weil ihre Tische immer voller wurden und sie schrecklich viel zu tun hatten; andere drehten Däumchen.
Am folgenden Tag haben wir den gesamten Prozess neu aufgesetzt und erlebt, was es bedeutet, vom Kunden aus zu denken.
Ich übernahm die erste Station in unserem neuen Geschäftsprozess, bekam die Kundenaufträge und lieferte Produkte aus. Weil wir die Prozesskette Station nach Station gestalteten und nach jeder Erweiterung einmal testeten, musste ich immer wieder aufs Neue einen Kundenauftrag annehmen und bearbeiten. Und der Großteil der Gruppe schaute mir zu: Das hat mich ganz schön nervös gemacht.
Als ich dann noch die Anweisung erhielt: „Sprich! Sag, was du tust!“, fühlte ich mich noch weiter unter Druck gesetzt und habe mich heimlich für die Entscheidung verflucht, an der LeanSimulation teilzunehmen.
Aber mir blieb nur noch die Flucht nach vorne. Also murmelte ich halblaut vor mich hin: „Zuerst nehme ich den Kundenauftrag an – dann fülle ich den Lieferschein aus – jetzt nehme ich die Pakete ...“
Ich bin heute – drei Wochen nach dem Termin – immer noch begeistert von dem, was ich erlebt habe: Als ich meine Arbeitsschritte das erste Mal laut aussprach, wurde mir klar, dass die Reihenfolge schlecht ist. Mir wurde klar, dass ich Schritt 2 und 3 austauschen muss. Und das Zweite: Das Sprechen hat mich schlagartig beruhigt. Ich war fast sofort auf mich und meine Aufgabe konzentriert und wurde immer fokussierter. Die kleine Truppe, die um mich herumstand, verschwand im Hintergrund. Durch das Sprechen habe ich in meine Rolle gefunden. Obwohl es nur ein paar kurze Sätze waren.
Ruhe, Fokussierung, Rollenklarheit – drei starke Effekte, die ein lautes oder halblautes Sprechen haben kann.
Weil ich mit „Deutsch im Job“ auch in Unternehmen tätig bin, habe ich meine begeisternde Entdeckung sofort mit in die Spracharbeit getragen. Wenn das bei mir so gut funktioniert – welche Effekte hat das halblaute Sprechen für Personen, die ihre berufsbezogenen Deutschkenntnisse stärken und ausbauen wollen?
Montags arbeite ich immer in einem Bremer Krankenhaus mit zugewanderten Pflegekräften, die sich auf die Fachsprachenprüfung vorbereiten. Aus der LeanSimulation bin ich zurück in den Sprachunterricht gekommen und habe gesagt: „Heute sprechen Sie mit sich selbst! Sie erzählen nicht mehr Patienten, was Sie tun. Sie erzählen es sich selbst!“
Wie sonst auch haben wir in Partnerarbeit typische Pflegehandlungen simuliert. Und auch in meiner kleinen Gruppe von Krankenpflegern konnte ich diesen Zuwachs an Ruhe, Sicherheit und Souveränität beobachten. Was für ein Unterschied! Obwohl sie dasselbe machten wie in der Woche zuvor. Aber dieses Mal sprachen sie nicht für mich – die Lehrerin – oder mit dem Gegenüber. Sie sprachen zu sich selbst. Und ich hörte ein immer mutigeres, ruhigeres und präziseres Sprechen: „So, nun rasiere ich die rechte Wange. Linke Wange. Oberlippe. Und jetzt das Handtuch.“
An diesem Unterrichtstag konnte ich beobachten, was ich an mir selbst erlebt hatte: Das halblaute Sprechen zu sich selbst hat Sicherheit gegeben, Selbstbewusstsein und Zuversicht. Ein Krankenpfleger, der bisher kaum ein Wort sagen wollte, packte am Mittag seine Tasche: „Buch, Stift, Handy nicht vergessen!“ Er grinste breit, während er sprach, und fügte hinzu: „Jetzt ins Krankenhaus. Spätschicht. Wird schön werden heute.“
Mit "Deutsch im Job" unterstützen Christiane Carstensen und ich Unternehmen, die Mitarbeitende aus aller Welt beschäftigen, ausbilden oder einstellen wollen. Wir beraten, wie unnötige sprachliche Hürden am Arbeitsplatz beseitigt oder reduziert werden können. Zudem übertragen wir – gemeinsam mit Ihnen – Ihre Dokumente in einfache Sprache, führen Fortbildungen zu einfacher Sprache durch und überlegen gemeinsam mit Ihnen, wie Sie die Mehrsprachigkeit in Ihrem Unternehmen – auch mit Hilfe der KI – vorteilhaft einsetzen können.
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