Nadja Böhlmann: "Ich bin eine European Lean Citizen"
Erst Soldatin, jetzt Lean Expertin? Klingt unerwartet, fast schon unvorstellbar – doch genau so sieht Nadja Böhlmanns berufliche Entwicklung aus. Bei der Bundeswehr lernte sie andere Leute zu trainieren und Verantwortung für große Gruppen zu tragen. Heute reist sie als Kaizen Expertin durch Europa und hilft der Industrie, Kaizen in der Praxis zum Leben zu erwecken. Das Porträt einer Europäerin, die Mitglied im 10-köpfigen-Organisationsteam des größten deutschsprachigen LeanEvent, dem LeanAroundTheClock ist.
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Erstmals in den Bereich Lean schnupperte Nadja im Jahr 2011. Da befand sie sich in ihrem Studium an der Universität der Bundeswehr. Als Praktikantin bei einer Unternehmensberatung für Logistikdienstleister kam sie mit allen möglichen Lean-Techniken in Berührung. Und sie war sofort fasziniert davon. Damit begann Nadjas neue berufliche Laufbahn; bevor sie 2013 schließlich die Bundeswehr verließ, besuchte sie ganz engagiert Kurse, die ihr später dabei helfen werden, als ehemalige Soldatin in der Wirtschaft anzukommen.
"Lean; ich war sofort fasziniert davon"
Und das tat sie auch: nicht nur war sie dann als Beraterin am Kaizen Institute tätig, sondern absolvierte nebenbei noch ein Masterstudium für Lean Operations Management. Als wäre das nicht genug, gründete die junge Nadja gemeinsam mit einem damaligen Kollegen mit voller Leidenschaft für ihr Fach einen Hochschulverein für Lean Management in Leipzig. Um so sich selbst und anderen Studenten zu ermöglichen, mehr Wissen über Lean zusammenzutragen.
Hier wandte sie dann auch ihre in der Bundeswehr erworbenen Kompetenzen richtig an, und schulte gemeinsam mit anderen Mitgliedern Studenten aus verschiedensten Fachbereichen. Später schickten sie die Studierenden auf eigene Kundenprojekte: "Durch diese Kooperationen konnten wir dann gleichzeitig den Verein finanzieren." Dieser besteht bald seit zehn Jahren. Und obwohl sie mittlerweile nicht mehr im Vorstand ist, ist sie sehr stolz auf ihr erstes eigenes Baby.
Nadja plötzlich in Helsinki
Was geschah mit Nadja seitdem? Sie entwickelte sich zu einer reisenden Industrie-Expertin mit Beratungskompetenzen in Lean und in Kaizen im Besonderen. So landete sie 2019 etwa als globale Kaizen-Beauftragte bei einem global agierenden Unternehmen. Diesem war es wichtig, die Leidenschaft in den Menschen zu entfachen und dabei den Fokus auf die Grundlagen zu legen, nicht bloß tool-basiert zu agieren. Genau Nadjas Ding. Von dieser Leidenschaft konnten sich die Besucher:innen des letzten LeanAroundTheClock (LATC) selbst ein eigenes Bild machen. Als Moderatorin führte sie die über 700 Gäste vor Ort und an den heimischen Bildschirmen durch die vielschichtige Welt des Lean Managements. Dabei zeigte sie eine verlässliche und positive Art, ohne jedoch aufdringlich zu sein.
Diese Art überträgt sie, jenseits der Bühne, auf ihre tägliche Arbeit. "Wenn ich mit Leuten arbeite, dann geht bei mir ein Schalter um. Ich weiß nicht, was da passiert. Aber es ist etwas, das Leute merken und so dann auch gerne mit mir arbeiten." Dass andere mit ihr gerne zusammenarbeiten, ist das Ergebnis ihrer persönlichen Haltung. Ihr ist nämlich der gute Umgang der Menschen untereinander wichtig, besonders das Wohlbefinden aller Beteiligten. Dazu gehört wesentlich Kommunikationskompetenz. Insbesondere die von Führungskräften erachtet sie von hoher Relevanz. "In meiner Arbeit unter anderem mit Führungskräften achte ich darauf, dass sie sich täglich die Zeit nehmen, um für ihre Mitarbeitenden da zu sein", erklärt sie.
Fortwährender Fokus auf den Menschen
Menschen, die mit Nadja zusammenarbeiten, bestätigen, dass sie eine Unterstützungsperson ist und ein offenes Ohr hat. Das ist bei ihrer vielfältigen Arbeit auch erforderlich. "In einem einzigen Unternehmen habe ich oft mit den unterschiedlichsten Gruppen zu tun. Dies führt mir jedes Mal vor Augen, dass der Erfolg eines Unternehmens auf den Schultern seiner Mitarbeitenden ruht. Ein offenes Ohr zu haben, ist unerlässlich." Gerade die Krisen und Unsicherheiten der vergangenen Jahre habe vorgeführt, so Nadja, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen nicht im Stich lassen dürfen.
Diese Humanzentrierung entdeckt Nadja quer durch Europa. Sie ist mit der europäischen Lean-Community gut vernetzt. Zuletzt hielt sie auf Los Konferansen, "dem norwegischen Ableger LeanAroundTheClock", wie Nadja diese Veranstaltung beschreibt, einen Vortrag zum Aufbau eines Kaizen-Systems. Ihre Erfahrungen in Finnland haben sie hingegen stark beeindruckt. Diese Humanzentrierung und der Zusammenhalt, aber auch das Nationalgefühl innerhalb der finnischen Gesellschaft, hat sie beobachtet.
"Lean kennt keine Grenzen"
Die Finnen selbst haben für diese Haltung gar einen eigenen Namen: Sisu, der finnisch für Beharrlichkeit steht. Ein Esprit, den die meisten Finn:innen in sich tragen, den auch Nadja durch ihren Aufenthalt für sich selbst entdeckt hat: Stolz sein über das Produkt des eigenen Unternehmens, das in der Welt verteilt wird, und die Bereitschaft, sich an die Herausforderungen der heutigen Welt anzupassen. Doch Nadjas breites Engagement ermöglicht ihr nicht nur, Lean in Europa kennenzulernen. "Das Unternehmen, für die ich tätig bin, haben auch Werke in China, Malaysia und in den USA. Ich habe dadurch verstanden, dass Lean keine Grenzen kennt, und es auch keine rein europäische oder andersartig geprägte Sicht gibt. Die Länder, in denen ich tätig war, haben ein unterschiedliches Verständnis, basierend darauf, wie und von wem Menschen die Lean-Prinzipien lernen und erleben."
Das LATC war noch nie nur deutsch
Als Mitglied des 10-köpfigen-Organisationsteams vom diesejährigen LeanAroundTheClock möchte Nadja daher gerne die Tradition des LATC aufrechterhalten und Menschen aus aller Welt, aber besonders aus Europa auf die Bühne holen. So ist es ihr und ihren Kollegen u.a. Jan Fischbach und Götz Müller gelungen, Eivind Reke als Referent für das LATC am 16. und 17. März 2023 zu gewinnen. Eivind ist nicht nur der Vorsitzende von Los Norge, das Pendant zu leanbase, und Organisator von Los Konferansen. Er ist zugleich einer der Autor des Buchs "Lean Sensei". Darin fasst er seine langjährigen Erfahrungen in zahlreichen skandinavischen Organisationen zusammen, die mithilfe von Lean den Prozess zur eigenen Transformation eröffnet haben.
"Es ist wichtig, dass wir Lean, und wie es verstanden wird, durch die Brille anderer Länder kennenlernen", betont Nadja vor diesem Hintergrund. Sie selbst tauscht sich gerne auf verschiedenen Lean Konferenzen der Welt aus. Genau diese Neugierde hofft die Kaizen-Profilerin an andere weitergeben zu können. So sieht sie sich mittlerweile auch eher als "European Lean Citizen". Je mehr sie reist, neue Länder und Personen kennenlernt, desto weniger unüberwindbar kommen ihr "die Grenzen" der Länder vor. Und genauso wenig, wie sie ihren Blick auf die Welt begrenzen will, will sie Lean begrenzen.
*) Mit der Erstellung dieses Textes wurde von uns das futureorg institut beauftragt, welches wiederum Frau Sali Abbas und Herrn Kamuran Sezer hiermit beauftragt hat.
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