Lean Production: So optimieren Industrieunternehmen ihre Prozesse
„Lean Management“ – immer mehr Industrie-Unternehmen befassen sich mit den damit gemeinten Methoden und Techniken, die mehr Produktivität, weniger Kosten und eine Qualitätssteigerung versprechen. Denn in kaum einer anderen Branche spielt Effizienz so eine große Rolle wie in der Industrie. Das hat auch der Hersteller von Elektronikgehäusen apra vor rund fünf Jahren gespürt, sinnvolle Methoden konsequent eingeführt und mit Lean Production in der Fertigung eine Produktivitätssteigerung der Montagelinie von nahezu 100 % erreicht. Deshalb steckt diese Expertise nun in einer neuen Produktlinie für die schlanke Fertigung: apra-lean. Erwin Neumann, Produktmanager bei apra, stellt die Philosophie der Lean Production vor und zeigt, wie auch andere Unternehmen damit erfolgreicher werden können.
Hier ein Hammer, dort verschiedene Schrauben, mehrere Zangen, neben dem Klebeband liegen diverse Schraubenzieher, auch eine Packung mit Taschentüchern und eine Dose mit Bonbons finden sich neben zig weiteren Arbeitsmitteln auf dem Materialwagen – wer kann in diesem Durcheinander den Überblick behalten, effizient arbeiten und gleichbleibend hohe Qualität abliefern? Genau an diesem Punkt setzt Lean Management an
Lean Production: Ursprung in der japanischen Autoindustrie
Die Entstehungsgeschichte des Lean Management-Konzepts beginnt mit einem speziellen Produktionssystem des japanischen Autobauers Toyota. Der sah sich nämlich in den 1950er-Jahren mit Problemen wie Rohstoffknappheit, beschränkten finanziellen Mitteln und Platzmangel konfrontiert. Was also tun, um vor allem mit der US-amerikanischen Konkurrenz mitzuhalten und trotzdem die Kundenanforderungen bestmöglich zu erfüllen? Die Lösung: höchste Qualität in kürzester Zeit und mit optimalen Kosten erzeugen, indem Verschwendung und Unregelmäßigkeiten in den Produktionsprozessen identifiziert und beseitigt werden. Eine Maßnahme: Ressourcen wurden nur noch nach dem Just-in-Time-Prinzip gemanagt, Materialien also nur in der Stückzahl und zu dem Zeitpunkt geliefert und produziert, wie es die Kundenaufträge erfordern. In einer Studie des Massachusetts Institute of Technology aus den 1990er-Jahren bezeichneten die Autoren dieses Produktionssystem als Lean Production, auf Deutsch schlanke Produktion.
Analog zu diesem Begriff entstanden schnell Konzepte wie Lean Administration und Lean Maintenance. Inzwischen vereint die Bezeichnung Lean Management sämtliche Unternehmensprozesse – von der Verwaltung bis zur Fertigung – und betrachtet die komplette Wertschöpfungskette.
Das Konzept der schlanken Produktion ist also keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Aus der Mode gekommen ist es deshalb aber noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: Aufgrund der aktuellen Marktanforderungen in der Industriebranche ist Lean Production so aktuell wie nie zuvor. Produzierende Unternehmen stehen gleich vor mehreren Herausforderungen: hoher Wettbewerbs- und Zeitdruck, steigende Kundenanforderungen sowie Kostensensibilität. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen die Produktionsprozesse aufeinander abstimmen, am Bedarf ausrichten und kosteneffizient gestalten – dafür sind die Techniken der Lean Production bestens geeignet.
Von Japan zu apra in die Eifel: Produktivitäts-Boost dank Lean-Techniken
Aber lässt sich eine aus Japan stammende Unternehmensphilosophie wirklich einfach so „importieren“? „Definitiv“, bestätigt Erwin Neumann, Produktmanager bei dem Hersteller von Elektronikgehäusen apra und ergänzt: „Wir haben mit Lean-Techniken eine Produktivitätssteigerung der Montagelinie von nahezu 100 % erreicht”.
Vor einigen Jahren stand apra vor einem Problem: Die Auftragsbücher waren voll, die Bestellungen nahmen zu – aber die Kapazitäten waren ausgelastet. Also nahm sich apra ein Beispiel an Toyota und implementierte schlanke Prozesse. So änderte das Unternehmen zum Beispiel das Montagelayout von einer Insel- zu einer Fließmontage. Lean-Methoden wie 5S sorgten ebenfalls für eine Effizienzsteigerung. 5S zielt auf die Optimierung des Arbeitsplatzes ab, durch die Schritte Aussortieren, Aufräumen, Arbeitsplatz säubern, Anordnungen zum Standard machen sowie alle Punkte einhalten und verbessern. „Früher war jeder Werkzeugwagen mit hunderten Werkzeugen bestückt. Jetzt befindet sich nur noch das Werkzeug am Platz, das der Mitarbeiter für den jeweiligen Fertigungsprozess benötigt. Dadurch verringern sich die Rüstzeiten fast auf null“, sagt Erwin Neumann. Eine weitere Änderung war eine stärkere Visualisierung der Shopfloor-Prozesse. Auf Shopfloor-Tafeln werden relevante Kennzahlen transparent kommuniziert. Denn auch kleine Schritte im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses führen nach dem Lean-Prinzip Kaizen zum Erfolg.
Lean geht nur im Team
Grundsätzlich ist Lean Management für jedes Unternehmen eine Option. Von Lean Production profitieren insbesondere produzierende Unternehmen, bzw. Unterne hmen mit einer eigenen Entwicklung. Das liegt an den Kernelementen der Lean Production: einem optimierten Wertstrom und der Konzentration auf die Kundenbedürfnisse.
Die Einführung von Lean Production oder von Lean Management stellt hohe Anforderungen an die Planer und an jeden Mitarbeiter. Planer müssen ein hohes Maß an analytischem Denken mitbringen und sich intensiv mit Prozessen, Materialien und Materialflüssen auseinandersetzen. Die Mitarbeiter müssen von der Führungsebene in die Veränderungsprozesse eingebunden werden und aktiv mitarbeiten. „Anfangs gab es in der Mitarbeiterschaft einige Ressentiments gegenüber den Änderungen. Wichtig ist in dieser Situation, die Mitarbeiter zu involvieren und ihnen die Gelegenheit zu geben, Verbesserungsvorschläge zu machen. Sobald die Mitarbeiter merken, dass die Anpassungen ihre Arbeit erleichtern, steigt die Toleranz“, berichtet Erwin Neumann. Maßnahmen können also nur dann dauerhaft zum Erfolg führen, wenn alle Beteiligten den Sinn in den Veränderungen erkennen und der Prozess kontinuierlich fortgeführt wird.
Von der Azubi-Idee zur modularen Produktlinie
Warum es so wichtig ist, wirklich alle Mitarbeitenden ins Boot zu holen, zeigt das Beispiel apra. Die Azubis hatten zusammen mit ihren Ausbildern die Idee, eigene Hilfsmittel für die schlanke Produktion zu entwickeln – zunächst nur für den internen Gebrauch. Daraus ist inzwischen ein neuer Geschäftsbereich geworden: Seit kurzem bietet apra unter dem Namen apra-lean seine Expertise auf dem Gebiet der Lean Production auch anderen Unternehmen an. „Wir haben eine modulare Produktlinie konzipiert, die zum einen auf bereits vorhandene Produkte, zum anderen aber auch auf Weiterentwicklungen basiert“, sagt Erwin Neumann. Der apra-lean Baukasten umfasst zahlreiche Module wie Gestelle, Fachböden, Rollen oder Griffe, die alle miteinander kombinierbar sind. apra hat Wert auf eine Verbindung aus Standardisierung und einem hohen Maß an Prozessvariabilität gelegt. Da nicht immer schon die erste Prozess-Anpassung ein Volltreffer ist, sind mithilfe des Baukastens auch nachträgliche Optimierungen möglich. Zudem lassen sich die Produkte nicht nur an ihren Fertigungsaufbau oder den Prozess, sondern auch an den Mitarbeitenden anpassen. Auf Wunsch kann das Team des Gehäuseexperten die konfigurierten Betriebsmittel auch in den Kundenfarben gestalten oder fertige Baugruppen, wie beispielsweise eine Reinigungsinsel, liefern.
Eines der ersten apra-lean-Kundenprojekte ist die Entwicklung eines Moduls zur Werkzeughalterung von CNC-Werkzeugen für Fräsmaschinen. Der Kunde verwendete bisher kleine Werkzeugwagen mit mehreren Fächern. Um Material aus dem untersten Fach zu greifen, mussten sich die Mitarbeitenden häufig bücken. Die Lösung ist ein Gestell mit Werkezughaltern, sodass die Mitarbeitenden ihr Werkzeug nicht nur übersichtlich angeordnet vorfinden, sondern dieses auch in einer ergonomischen Körperhaltung entnehmen können.
Fazit: Kein Sprint, sondern ein Dauerlauf
Lean Production wirkt sich positiv auf die Produktivität, die Durchlaufzeiten, die Lagerhaltung und die Prozessqualität aus – das hat sich das Team der apra-gruppe selbst bewiesen. Wichtig ist jedoch, dass alle Mitarbeitenden einbezogen werden und die Bereitschaft besteht, bestehende Abläufe und Vorgehensweisen infrage zu stellen und anzupassen. Dafür steht eine Vielzahl an unterschiedlichen Lean-Techniken zur Verfügung. Welche die passende ist oder welcher Mix sich eignet, ermitteln spezielle Lean-Berater oder auch Unternehmen, die zusätzlich zu einer Vor-Ort-Beratung Lean-Produkte anbieten. Generell gilt bei Lean-Konzepten: Hier geht es nicht um einen Sprint, sondern um einen Dauerlauf – dranbleiben heißt die Devise.
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