5. Episode
Bernds Geburtstagsfeier und viel „neumodischer Kram“ ...
Ernst Krauss hat sich inzwischen etwas beruhigt und kann sich doch – zumindest ein wenig – auf die Geburtstagsfeier seines Sohnes Bernd freuen. Auch wenn all die Dinge, die sich in den letzten Wochen ereignet haben, leider nicht vergessen sind.
Aber endlich mal wieder die gesamte Familie um sich zu versammelt zu haben, ist für ihn sehr wichtig. Besonders freut er sich darauf, dass seine Tochter Anna mit ihrem Ehemann Frank Weissenegger extra aus den USA anreist. Und nach den kurz zurückliegenden Querelen denkt er darüber nach, sich Rat bei seinem Schwiegersohn zu holen. Ihn zu fragen, wie er mit so einer Situation denn umgegangen wäre. Denn insgeheim hatte sich der Alte in jüngster Zeit Franks beruflichen Werdegang genauer angesehen und festgestellt, dass dieser ihn zunehmend beeindruckte.
Wie er in Erfahrung gebracht hatte, nahm Frank Weissenegger nach seinem HTL – Abschluss 1988 ein Angebot von GE Kuruma an, nach Michigan zu gehen, und half bei dem US-japanischen Gemeinschaftsunternehmen, das damals neu gegründete Geschäft mit Werkzeugmaschinen-Automatisierung aufzubauen. Hier lernte Weissenegger seinen Sohn Bernd kennen und wusste ihn bald aufgrund ihrer Zusammenarbeit im Unternehmen zu schätzen. Bernd ging von dort 2003 nach Graz zurück, um sich auf die baldige Geschäftsführung der Krauss GmbH & Co. KG vorzubereiten.
Weissenegger wechselte im Herbst 2004, als sich das Joint Venture nach einem misslungenen Versuch der Neupositionierung auflöste, nach Stuttgart, wo er bei GE Intelligent Systems als Senior Sourcing Manager tätig war. Dort lernte er Anna Krauss, seine Tochter, kennen.
Die wiederum wollte schon zu dieser Zeit aus Liebe zum Pferd nach Graz zurückkehren, um den Zuchtbetrieb ihrer Großeltern mütterlicherseits in Offenbach zu übernehmen und an Österreichs einziger Ausbildungsstätte für Pferdewirte in Thal zu unterrichten.
Dies verhinderte jedoch nach der Hochzeit zunächst ein 3-jähriges Engagement seines Schwiegersohnes in der Autoindustrie als Produktionsleiter in Fushimi Kyoto .
Aber sein Schwiegersohn ist nicht nur ein exzellenter Ingenieur. Er hat zudem große Erfahrungen, was die Organisation von Produktionsprozessen betrifft. Dabei hat er sich sehr mit der Unternehmensphilosophie Kaizen auseinandergesetzt und erkennen müssen, dass die asiatische Kultur nicht so ohne Weiteres auf die so genannte „westliche“ Welt übertragbar ist. Dennoch hat Frank Weissenegger, was die Grundprinzipien von Kaizen betrifft, diese seit 3 Jahren mit großem Erfolg bei seinem weiteren Engagement als Leiter von Lean-Implementierungs-Projekten bei der R.-R. Corporation, einem Automobilzulieferer in Indianapolis, eingeführt.
Nach einem vorzüglichen Mittagsmenü nimmt sich Ernst Krauss während des Verdauungsspaziergangs seinen Schwiegersohn zur Seite und berichtet ihm von den Ereignissen der vergangenen Wochen. Er ist gespannt, wie dieser gehandelt hätte und lauscht interessiert seinen Ausführungen.
Erneut erzählt Frank seinem Schwiegervater von seinen sehr positiven Erfahrungen mit der Lean-Implementierung in Indianapolis.
Er spricht aber auch über seinen Eindruck des Verhältnisses zwischen seinem Schwager Bernd und Franz Großmann. Er versucht zu erklären, dass Produktionsabläufe und deren Optimierung zwar das eine sind. Das andere aber, mindestens ebenso Wichtige, sind klare und eindeutige Strukturen. Vor allem aber die Art, wie Menschen miteinander umgehen müssen, liegt ihm am Herzen: Kaizen, Unternehmenskultur, Führungsphilosophie, Verschwendung, soziale Kompetenz etc. Eben all jenes, was „der Alte“ so gerne als „neumodischen Kram“ zu bezeichnen pflegt und diesem nun wirklich nichts abgewinnen kann.
Wortlos begleitet Ernst seinen Schwiegersohn zum Festsaal zurück und entzieht sich dem Geburtstagstrubel. Im Biedermeier Gastgarten findet er die nötige Ruhe, um über das Gesagte nachdenken zu können. Ist er doch noch immer nicht überzeugt.
Wie soll das denn gehen, wenn jeder Mitarbeiter selbst anfängt, seinen Arbeitsplatz verändern zu wollen? Das führt doch direkt ins Chaos. Wozu sind denn die Meister und Abteilungsleiter da, die doch sagen, was gemacht wird und wo es lang geht.
Andererseits muss aber auch irgendetwas von dem stimmen, was sein Schwiegersohn ihm berichtet. Ansonsten hätte man sein Engagement längstens beendet, ihn bereits gefeuert.
Mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeiter, so sein Schwiegersohn Frank… Sollte er dies tatsächlich wagen?
Ernst ist verunsichert, bemerkt aber auch, dass in seiner Brust wohl zwei Herzen schlagen. Und eines davon für den „neumodischen Kram“, wenn auch nur ein ganz kleines …
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