15. Episode
Eine erste Zielfindung
Noch ganz in Gedanken über das Gespräch mit seinem Vater betritt Bernd Krauss das Besprechungszimmer, wo ihn Frank Weissenegger bereits erwartet.
Zur Überraschung von Krauss Junior legt sein Schwager jedoch nicht gleich mit den aktuellen Problemen, die sich unter anderem aus dem misslungenen Audit ergeben haben, los.
Vielmehr erkundigt sich Frank zunächst nach Bernds Befinden. Zögerlich beginnt Bernd über sich zu reden. Über „Dinge", die er bestenfalls sich selbst eingestanden hat. Dass sein Schwager davon aber bereits einiges geahnt hat, wird Bernd deutlich, als dieser ihm eine Studie eines namhaften Personalportals vorlegt.
Dieser Studie zu Folge befinden sich mittlerweile mehr als 25 % der Führungskräfte im oder kurz vor dem Burn-Out. Sofern hier damit nicht offen umgegangen, es quasi tabuisiert wird, nimmt sich derjenige die Chance auf Besserung seiner Lebenssituation.
Frank Weissenegger macht dazu Bernd deutlich, wie wichtig gerade das seelische Wohl für ein produktives Arbeitsergebnis ist. Bildet doch dieses die Grundlage der individuellen Leistungsfähigkeit sowohl bei den Mitarbeitern als auch bei den Verantwortlichen in einem Unternehmen. Und dass gerade, wenn hier etwas ins Ungleichgewicht gerät, Unternehmensprobleme häufig als Folge entstehen.
Mein Vater hat wohl schon in Frank Weissenegger etwas gesehen, das mir bislang entgangen sein muss, kommt es Bernd in den Kopf. Denn er spürt das Interesse von Frank an ihm, als Mensch.
Aufmerksam verfolgt Bernd dann auch die Ausführungen Weisseneggers, als dieser die Lage der Krauss GmbH & Co. KG aus seiner Sicht beschreibt.
Danach befindet sich das Unternehmen in einer Phase, in der es auf äußere Anforderungen lediglich reagiert und nicht aktiv agiert. Dies war vor zwanzig Jahren wohl noch nicht so bedeutend, da sich das Unternehmen erfolgreich entwickelte. Aber aufgrund dessen haben die Mitarbeiter über viele Jahre hinweg eingefahrene Arbeits- und Verhaltensweisen entwickelt.
Und man hat die Bedeutung des Humanfaktors – über welche Frank bereits mit seinem Schwiegervater in den vergangenen Wochen gesprochen hat – für den Unternehmenserfolg nicht gesehen bzw. vernachlässigt.
Was jedoch ebenfalls schwerwiegend sei, ist das fehlende Konzept für die Zukunft der Krauss GmbH & Co. KG. Zumindest sei für ihn keines erkennbar. Ein Unternehmen benötigt jedoch ein strategisches Konzept, das sich an der aktuellen Marktentwicklung orientiert, da sich die Bedürfnisse des Marktes weiter entwickelt haben. Und nicht zuletzt hat die Krauss GmbH & Co. KG diesen Umstand angesichts der Ergebnisse des Audits zu spüren bekommen.
Bernd beginnt zu verstehen. Aber wie und wo anfangen?
Frank Weissenegger erläutert, dass zu einer neuen Strategie zunächst die Organisationsstruktur im Unternehmen überdacht werden muss, um die Geschäftsprozesse entsprechend anpassen zu können. Und gerade da hat das Audit hier eine Vielzahl von Schwachstellen zu Tage gefördert, die nicht mit einem Schlag beseitigt werden können.
Das Audit ist – und davon ist Weissenegger überzeugt - jedoch eine gute Möglichkeit, einen Prozess in Gang zu setzen, der nicht nur auf augenblickliche Probleme reagiert, sondern kontinuierlich mit kleinen überschaubaren Schritten an der Verbesserung des Unternehmens arbeitet.
Diese ständige Verbesserung möchte Weissenegger jedoch nicht nur punktuell und fokussiert auf einzelne Unternehmensbereiche sondern im Sinne von Kaizen, der japanischen Lebens- und Arbeitsphilosophie verstanden wissen. Und er erläutert Bernd, dass Kaizen „Veränderung zum Besseren" bedeutet und mit dem Erfolg der japanischen Automobilindustrie nach Europa kam. Dass die Umsetzung von Kaizen beispielsweise Porsche zu Beginn der 90er Jahre geholfen hat, sich von einem in seiner Existenz gefährdeten Hersteller zum erfolgreichen Weltmarktführer zu entwickeln.
Dass in der westlichen Welt dieser Weg auch als „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)" bezeichnet, doch häufig darunter der Einsatz einzelner Werkzeuge des KVP verstanden wird. Und man den Grundgedanken von Kaizen, nämlich die Verinnerlichung des ständigen Strebens nach vielen kleinen Verbesserungen über alle Ebenen eines Unternehmens hinweg, ignoriert.
Erste Verbesserungen könnten zwar mit solchen, als „Fire-Fighting-Maßnahmen" bezeichneten Projekten erzielt werden, aber nur die konsequente Umsetzung der Kaizen-Philosophie führt langfristig zu einem nachhaltigen (Unternehmens-)Erfolg.
Frank Weissenegger betont - auch hier bei Bernd Krauss – wie wichtig der Einbezug aller Mitarbeiter ist und dass ohne die Motivation und Initiative dieser Mitarbeitenden Kaizen nicht erfolgreich eingeführt und umgesetzt werden kann, darum die aktive Unterstützung von Kaizen auf Führungsebene unbedingt notwendig ist.
Frank Weissenegger sieht seinen Schwager eindringlich an. „Du siehst Bernd, hier bist Du gefragt. Deine persönlichen Zielsetzungen solltest Du dafür in Einklang mit der Strategie für Dein Unternehmen bringen, um etwas verändern zu können."
Und um diese Veränderung in der Firmenkultur auch für die Mitarbeitenden deutlich zu machen, empfiehlt er Bernd, dies und sich selbst vor der Belegschaft auch zu zeigen. Denn wenn die Unternehmensspitze Unsicherheit ausstrahlt, sich zurückzieht und keinen klaren Weg weist, wissen auch die Mitarbeiter nicht, in welche Richtung sie arbeiten sollen.
Das kann Bernd Krauss nur zu gut verstehen. Auch die klaren Ausführungen seines Schwagers zur Unternehmenssituation in diesem offenen Gespräch.
Und noch viel wichtiger für ihn: erste Wege zur Lösung der aktuellen Probleme in seinem Unternehmen. Denn diese geben Bernd innerlich Mut, jetzt die nächsten Schritte zu gehen ...
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