Denkrahmen und Lösungswege
Wie Albert Einstein schon schrieb, bestimmt die Theorie, was wir beobachten können. Das gilt auch für unsere Alltagswahrnehmung, die durch unsere gelernten Denkmuster bedingt wird. Je nach Blickwinkel, schließen wir bestimmte Dinge ein und aus, was zu unterschiedlichen Analysen der Welt führt. Diese Analysen bedingen dann verschiedene Handlungsweisen.
Wir bilden über die Zeit eingeschliffene Denkraster und Arbeitsweisen heraus, die bei schnellen oder ähnlichen Entscheidungen sehr nützlich sein können, doch bergen sie auch die Gefahr, die Prozesse und das Lernen in Organisationen zu hemmen.
Holger Dambeck führt in seinem Buch „Je mehr Löcher, desto weniger Käse“ folgendes Beispiel aus der Schule von Hartmut Spiegel und Christoph Selter an.
In einer Klassenarbeit müssen Schüler der 4. Klasse folgende Aufgabe lösen. „Der Apotheker fühlt 1,750 Kilogramm Salmiakpastillen in Tüten zu je 50 Gramm. Wie viele Tüten erhält er?“ Die meisten von uns würden wohl 1.750/50=35 rechnen. Annika hingegen rechnete folgendermaßen:
Versuchen sie vielleicht selber kurz zu überlegen, wie die Schülerin gerechnet hat.
Nachdem sich die drei Lehrkräfte keinen Reim machen konnten, sollte Annika am nächsten Tag dieselbe Rechnung noch einmal an der Tafel vorrechnen. Sie kam wieder auf dasselbe Ergebnis. Daraufhin wendet sich die Lehrerin an die Klasse und fragte, ob jemand das Ergebnis erklären könnte.
Ein anderer Schüler erläuterte dann: 100g sind zwei 50-g-Tüten, 700g also 2×7=14 Tüten. Die fehlenden 50g der 750g stecken in der Rechnung 1×1=1. Fehlen noch 1000g, und da sind es 2×10=20 Tüten. Zusammen sind es dann 35 (14+1+20) Tüten.
Annika hatte also Recht, auch wenn ihr Rechenweg etwas unorthodox ist. Er ist aber vernünftiger, organisierter und intelligenter als viele Erwachsene zugeben würden.
Was wäre nun passiert, wenn die Lehrerin die Antwort einfach durchgestrichen, null Punkte gegeben und ihren effizienten Lösungsweg hingeschrieben hätte. Es hätte wohl kaum Annikas Interesse oder Freude an der Mathematik erhöht. Im Gegenteil hätte sie vielleicht an Selbstvertrauen verloren und wenn dies öfters vorkommt, später als Erwachsene gesagt, dass sie nie gut mit Zahlen war.
In vielen Unternehmen passiert dies aber ständig.
„Schau, so geht es richtig!“ „Das ist viel zu umständlich!“ „Ich habe 40 Jahre Erfahrung – das klappt nie!“ Dies ist ein sicherer Weg, um Menschen das selbstständige Denken abzugewöhnen.
Was sich dann auch auf Gruppenentscheidungen auswirkt, weil Menschen mit Selbstzweifeln lieber schweigen, als die Harmonie der Gruppe zu stören. Wenn damit ein kritisches Nachfragen fehlt, bestätigen sich die Beteiligten dadurch bei möglichen Fehlern gegenseitig. Viele Vorgesetzte, die selbstständiges Denken einfordern, verunmöglichen dieses oft durch ihr eigenes Verhalten selbst, indem sie z.B. in Besprechungen zum Monologisieren neigen und die oberen Stehsätze verwenden.
Genauso können ein bloßes „ja“ oder „nein“ die Lern- und Entwicklungsprozesse in einer Organisation nur wenig fördern sowie sie das selbstständige Denken nicht anregen. Darum ist es entscheidend, sich mit den Gedanken hinter den Lösungen zu beschäftigen.
Annika hatte richtig gerechnet. Sie hätte aber auch Pech haben und einen kleinen Multiplikationsfehler machen können. Bei einem bloßen „falsch“ hätte dieser Fehler dann die richtigen Gedanken in den Hintergrund gedrängt. Sie hätte dann weder aus dem gemachten Fehler lernen können, noch viel Motivation gehabt, es wieder zu versuchen.
In einem dynamischen Arbeitsalltag können wir nicht ständig alles neu ergründen.
Wenn wir aber auf Lösungswege stoßen, die nicht unserem Denkmuster entsprechen, sollten wir diese nicht einfach wegwischen, sondern uns auch mit dem warum beschäftigen.
Unser Umgang mit diesen Lösungswegen bestimmt nämlich die Lern- und Prozessfähigkeit der gesamten Organisation mit.
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