Das mit der Komplexität ist so eine Sache
Gerade erleben wir eine sehr spezielle Zeit. Ein kleines Virus stellt Vieles von dem, was wir sicher, stabil und kalkulierbar glaubten, auf den Kopf. Und wenn wir für einen Moment genau hinschauen, dann sehen wir seinen Zeigefinger auf diverse Denkfallen deuten. Denkfallen, in die wir Menschen nur zu gerne tappen.
Wir suchen die eine Ursache für die Pandemie, dazu werden reichlich WHO-Experten nach Wuhan geschickt, um dort zu forschen. Übrig bleibt eine Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmtes Tier der Wirt gewesen sein könnte. Meine Hypothese, es gibt keine monokausale Antwort auf die Frage nach der Ursache. Aber allein die Idee, es könnte sie geben, scheint uns zu beruhigen. Denkfalle: kurze, eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehungen.
Politiker und Bürger rufen seit Monaten nach verbindlichen Plänen für die Impfungen. Die Impfzentren müssten schließlich verlässlich planen können. Machen wir uns doch eines bitte klar: Wir haben es mit einem neuartigen Virus zu tun und benötigen neuen Impfstoff in sehr große Mengen. Beteiligt sind letztendlich sämtliche Nationen, die EU, Bund, Länder, Pharma-Unternehmen, Impfzentren und so weiter und so fort. Jeder einzelne Beteiligte ist für sich bereits ein komplexes System. Und spätestens die entstehenden Dynamiken hinter den Fassaden der Beteiligten lassen sich niemals als feste Größen einrechnen. Denkfalle: Planbarkeit.
Auch sprachlich ist es spannend, vor allem wenn man im Hinterkopf behält, dass Sprache Wirklichkeit schafft. „Das Virus legt die Wirtschaft lahm.“ So kurz der Satz, enthält er doch mehrere Verdrehungen. Das Virus tut, was es tut: Überleben nämlich. Unsere Wirtschaft ist dabei völlig schnurz, es legt überhaupt nichts. Zudem ist die Wirtschaft nicht lahmgelegt im Sinne eines „Heruntergefahren“. Über die Wortwahl lässt sich immer streiten, worum es hier aber vornehmlich geht, sind die Konsequenzen, die sich aus der gewählten Sprache auf Dauer ergeben können. Wenn das Virus für alles verantwortlich ist, kann ich meine ja abgeben. Oder: Da kann ich ja eh nichts tun. Denkfalle: mit dem Denken aufhören.
Die hochgradige Vernetzung auf lokaler wie globaler Ebene, Abhängigkeiten und Wechselwirkungen können uns schon mal überfordern. Wir blicken nicht sofort durch, kennen DIE eine Antwort nicht und wissen auch nicht, was, wann, wie sein wird. Da scheint der Ausweg „Trivialisierung“ verlockend: „Die Fledermaus in Wuhan ist der Ursprung und die deutsche Regierung hat es nicht im Griff.“ Auf dieser Ebene können wir zwar reden, es macht aber keinen Sinn, weil es gnadenlos unterkomplex ist. Vielmehr dürfen wir gerade jetzt begreifen, dass wir unseren Umgang mit Vielschichtigkeit, Überraschungen und Ungewissheit trainieren sollten. Dazu ist vor allem eines notwendig: Das Zulassen von Komplexität.
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