
Wie man dem zweiten Anlauf eine zweite Chance gibt
Es gibt Situationen, in denen eine Veränderung nicht nur scheitert, sondern Spuren hinterlässt, die einen Neuanfang beinahe unmöglich erscheinen lassen. Der Begriff „verbrannte Erde“ drängt sich auf, wenn Strukturen, Methoden oder Denkweisen eingeführt wurden, die dann nicht nur wieder verschwanden, sondern auch Misstrauen und Widerstände hinterließen. Wer in einer solchen Umgebung erneut einen Anlauf nimmt, insbesondere im Kontext von Lean Management, sieht sich mit einer Herausforderung konfrontiert, die nicht allein in der methodischen Umsetzung liegt. Es geht um etwas Tiefergehendes – um Überzeugungen, Wahrnehmungen und unausgesprochene Erfahrungen, die sich hartnäckig halten.
Denn das erste Scheitern war selten ein Zufall. Oft spielte eine Mischung aus unzureichender Anpassung an den Kontext, unrealistischen Erwartungen und mangelndem langfristigen Engagement eine Rolle. Prozesse lassen sich nicht isoliert betrachten, sie sind eingebettet in eine Kultur, in Entscheidungswege, in historisch gewachsene Strukturen. Wer an den Oberflächen der Abläufe schraubt, ohne die darunterliegenden Mechanismen zu verstehen, erzeugt kurzfristig Bewegung – aber nicht unbedingt nachhaltige Verbesserung. Und wenn dann irgendwann das Interesse schwindet oder andere Prioritäten dominieren, bleibt ein Gefühl zurück: Das hat schon mal nicht funktioniert.
Doch was bedeutet das für den zweiten Anlauf? Ist es überhaupt sinnvoll, es noch einmal zu versuchen? Vielleicht ist genau diese Frage der Kern des Problems. Denn eine Methode, ein Prinzip oder ein Denkansatz „funktioniert“ nicht von selbst. Es gibt keine Garantie dafür, dass Lean Management – oder jede andere Form der Prozessverbesserung – in einem Unternehmen erfolgreich ist. Die entscheidende Frage ist eher, unter welchen Bedingungen es funktionieren kann und wo genau der erste Versuch gescheitert ist.
Hier zeigt sich eine Paradoxie: Wer einen zweiten Anlauf wagt, muss gleichzeitig über die Vergangenheit hinwegsehen und sie dabei trotzdem ernst nehmen. Einerseits hilft es nicht, sich in alten Fehlern zu verlieren, andererseits wäre es fatal, sie zu ignorieren. Die Organisation hat bereits gelernt – nur vielleicht nicht das, was ursprünglich beabsichtigt war. Dieses Lernen muss sichtbar gemacht werden. Woran erinnern sich die Menschen? Was war für sie das eigentliche Problem? War es die Methode selbst oder die Art und Weise, wie sie eingeführt wurde?
Ein neuer Anlauf kann nur dann erfolgreich sein, wenn er nicht als Wiederholung, sondern als Weiterentwicklung wahrgenommen wird. Die Perspektive muss sich verschieben – weg von „das haben wir schon probiert“ hin zu „was haben wir damals übersehen?“. Dazu gehört es auch, bestehende Narrative infrage zu stellen. In vielen Fällen sind es nicht die Fakten des ersten Versuchs, die das kollektive Gedächtnis prägen, sondern die Art und Weise, wie über ihn gesprochen wird. Wer hier keine aktive Rolle übernimmt, überlässt anderen die Deutungshoheit.
Ein Einstieg in den Ausweg aus diesem Dilemma kann in den Antworten auf diese Fragen liegen.
- Was bleibt aus dem ersten Versuch als unausgesprochene Wahrheit bestehen?
- Welche Annahmen müssen hinterfragt werden, bevor sich eine Wiederholung oder ein neuer Anlauf als Weiterentwicklung anfühlt?
- Und was wäre diesmal anders – nicht in der Methode, sondern in der Haltung?
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