Ist mit Lean mehr zu erreichen als mit Six Sigma?
Management-Methoden gibt es zur genüge. Jede davon beansprucht, die eine Wahre zu sein, mit der eine Unternehmung erfolgreich wird. Sowohl Lean Management als auch Six Sigma sind beides Kandidaten, die für schlanke Prozesse und kontinuierliche Verbesserung stehen. Doch welches Potential lässt sich damit in Office-Bereichen erschließen und wie werden sie von den Führungskräften wie Mitarbeitern angenommen?
Zentralisierte Prozesse im Shared Service Center
Unser Shared Service Center bietet eine große Bandbreite an Buchhaltungsleistungen für unsere Gesellschaften und Beteiligungen in Deutschland an. Das SSC wurde Ende 2005 mit dem Ziel gegründet, Synergieeffekte durch Zentralisierung, Standardisierung und spätere Automatisierung zu erreichen. Die erste Herausforderung lag darin, die Kundenprozesse dem Standard anzupassen und den Service nach und nach allen Gesellschaften zur Verfügung zu stellen. Vor allem die Mitarbeiter brauchten einige Zeit, um sich mehr und mehr an die engen Vorgaben und die standardisierten Abläufe zu halten. Nun galt es, die vielen einfachen und immer wiederkehrenden manuellen Tätigkeiten zu optimieren.
Schlanke Prozesse mit Six Sigma
So sollte etwa drei Jahre später Six Sigma in der Hauptsache die transaktionalen Prozesse, wie die Verarbeitung von eingehenden Rechnungen oder die Buchung von Zahlungsvorgängen verbessern. Auch in allen anderen Bereichen wurden Führungskräfte sowie ausgewählte Mitarbeiter in den Methoden ausgebildet. Man hatte die Hoffnung, die bereits standardisierten Prozesse effizienter zu gestalten, Fehler und Nacharbeiten zu reduzieren und damit Kosteneinsparungen zu erreichen.
In den Transaktionsprozessen konnte man in der Tat sehr schnell Erfolge sehen. Die Automatisierung der Zuordnung von Zahlungen zu den Buchungsbelegen stieg rasch von einer niedrigen Prozentzahl mit einem Schlag auf über 70 %. Heute werden sogar mehr als 80 % aller Zahlungen automatisch zugeordnet. Bei mehr als 200.000 Zahlungen in einem Jahr hatte das eine stattliche Einsparung zur Folge.
In den anderen Prozessen, beispielsweise der Abschlusserstellung in der Hauptbuchhaltung oder das Erstellen von Management Reports, gab es nicht annähernd so viel Spielraum. Bei den prozessverantwortlichen Abteilungsleitern war das Interesse an der recht komplizierten Vorgehensweise trotz Ermunterung durch das Management somit bald abgeflacht. Heute werden nur noch vereinzelt Six Sigma Projekte durchgeführt. Und zwar immer dann, wenn Teilprozesse viele Fehler aufweisen und Daten zur Analyse vorhanden oder einfach zu ermitteln sind.
Als ganzheitliches Management-System konnte Six Sigma im Shared Service Center also nicht Fuß fassen. Wir haben nun verstanden, dass Six Sigma nicht auf alle Prozesse anwendbar ist und allem voran nicht alle Menschen im Unternehmen erreicht.
Mit Lean mehr erreichen
Als Verantwortliche für das Prozessmanagement bei uns im Shared Service Center, kümmert sich mein Team darum, möglichst effektive Methoden und Denkweisen zur Optimierung der Geschäftsprozesse in der Organisation zum Einsatz zu bringen. Klares Ziel ist die kontinuierliche Verbesserung.
Nachdem uns die Lean Office Studie Lean Office 2010 – Wie schlank sind Unternehmen in der Administration wirklich?*– Stuttgart Fraunhofer IPA (Herausgeber)] in die Hände gefallen ist und wir sie mit unserem Reifegrad verglichen, ist der Groschen gefallen. Die erste Erkenntnis war, wir sind schon sehr gut unterwegs und „wenden Lean an“, ohne es wirklich zu kennen. Die zweite Erkenntnis deutet auf das noch vorhandene Potenzial hin. Bis zu 30 % Optimierungspotential gaben die Teilnehmer in der Studie für die Verwaltungsbereiche an. Ist Lean also die Lösung für das Shared Service Center?
Im Gegensatz zum Top Down getriebenen und sehr durch Zahlen getriebenen Ansatz von Six Sigma, wirkt Lean ganzheitlicher. Mit Lean werden vor allem die Mitarbeiter viel besser eingebunden. Sie sind nun Treiber für Verbesserungen und kommen mehr in die Verantwortung durch Mitgestaltung ihrer eigenen Arbeit. Sie lernen „sehen“ und verbessern mit Hilfe des PDCA selbst, Schritt für Schritt.
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Kommentare
Warum bin ich davon überzeugt?
Lean, oder besser Lean-Thinking ist ein sehr breit angelegter Denkansatz, der (wie letztendlich auch Six Sigma) auf den Kunden bzw. den Mehrwert für den Kunden fokussiert ist. Mit den überwiegend im Grundsatz sehr simplen Methoden des Lean wird alles, was nach Lean eine Verschwendung darstellt identifiziert und eliminiert.
In einem Unternehmen muss zunächst von der Führung bis zur Basis ein Verständnis entwickelt werden, was Verschwendungen, wie zB
> Warten
> Ausschuss
> zu kompliziertes Arbeiten
usw sind und was auf Tätigkeiten der Mitarbeiter bezogen
> wertschöpfende
> nicht wertschöpfende, aber notwendige
> nicht wertschöpfende und nicht notwendige
Arbeiten sind.
Gerade in kleinen Unternehmen fehlt hier oft jegliche Grundkenntnis, wieviel Zeit, Energie, Ressourcen und letztendlich Geld durch Verschwendung und unsinnige Arbeiten versenkt wird!
Erst wenn dieses Grundverständnis durch alle Ebenen gedrungen ist, jeder ein Auge für Verschwendung entwickelt hat; erst wenn ersten großen "big wins" und "quick wins" gemacht wurden, wirklich spürbarer Fortschritt erzielt wurde; erst dann sollte man das erste Six Sigma Projekt angehen!
Ein Six Sigma Projekt konzentriert sich nur auf einen Prozess und die angewandten statistischen Auswertungen sind in aller Regel für die am Prozess beteiligten Personen nur schwer verständlich.
Wenn das grundsätzliche Lean-Verständnis und Denken fehlt, dann fällt es den Beteiligten unendlich schwer, das Projekt aktiv mit zu tragen, selbst mit voran zu treiben und so wundert es niemanden, wenn der Prozess kurze Zeit nach dem Projekt wieder so ist, wie vor dem Projekt...
Also:
Wer nachhaltig und kontinuierlich Verbessern will, der sollte mit Lean anfangen, den Lean-Gedanken das Unternehmen durchdringen lassen, Erfolge durch "big wins" und "quick wins" feiern und erst dann aufs hohe Six-Sigma-Pferd klettern!
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