Bernd Apfelbeck: „Kümmere Dich zuerst um die Menschen!“

Bernd Apfelbeck: „Kümmere Dich zuerst um die Menschen!“

Das ist das Porträt eines typischen Mittelständlers in Deutschland. Bernd Apfelbeck, Geschäftsführer der Weidemann GmbH mit Sitz in Hessen, ist wie ein Zahnrad in einem Uhrwerk. Doch er ist weder herz- noch seelenlos. Im Gegenteil.

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Podcast, am 07. 11. 2022 in LeanMagazin von LKB Redaktion*)


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Dass Bernd Apfelbeck lieber Tourismus studiert hätte, statt Agrarökonomie, die er aufgrund einer Vereinbarung mit seinen Onkeln vorziehen musste, wird viele seiner Wegbegleiter überraschen. Der erfolgreiche Geschäftsführer eines deutschen Mittelständlers gilt als fokussiert, gradlinig und daher verlässlich. Kein Wort ist bei ihm zu viel. Jeder seiner Gedanken dient dem Zweck, in der Sache voranzukommen. Oder ein Problem zu lösen.

Zuhören kann er. Aber nur so lange, bis er alle erforderlichen Informationen erfasst hat, die er benötigt, um auf die Sache zu reagieren. Und seine Antwort ist pointiert. Als Geschäftsführer eines erfolgreichen mittelständischen Unternehmens trifft er Entscheidungen. Das ist sein Job. Dafür ist er auf keine Bühne, geschweige denn auf die Aufmerksamkeit eines Publikums angewiesen. Wohl deshalb ist er diskret.

Das Familiäre und Freundschaftliche hält er aus dem Geschäftlichen heraus. Im Gespräch für dieses Porträt verlässt er diesen Rahmen nur ein einziges Mal: Das Wesentliche an seinem Studium der Agrarökonomie war, sagte Bernd, dass er seine Frau kennenlernte. Dass er auf diese Weise seine tiefe Verbundenheit zu seiner Frau spüren lässt, zeigt zudem, dass er die Kunst der sublimen Botschaften beherrscht. Eine Fähigkeit, die Empathie, Offenheit und allen voran Humor voraussetzt.

Privileg verpflichtet

So einer, der mit Konsequenz und Gradlinigkeit ausgestattet ist, wollte Tourist:innen aus aller Welt empfangen, geduldig ihre teils wirren Anliegen annehmen, sie bedienen, hofieren und unterhalten? Oberflächlich betrachtet, atmet man auf, dass sein Jugendtraum sich nicht erfüllt hat. Wer ihn gut kennt, weiß aber, dass er als Chef eines Hotels mindestens genauso erfolgreich gewesen wäre, wie er es als Geschäftsführer eines mittelständischen Herstellers für landwirtschaftliche Maschinen mit Sitz in hessischen Korbach heute ist.

Bernd macht seinen Job. Weil er verantwortungs- und pflichtbewusst ist. Er ist ein Zahnrad in einem komplexen Uhrwerk. Andere, die aus der Masse hervorstechen, berühmt und beliebt sein möchten, würden vor dieser Rolle fliehen. Teil von etwas zu sein und seinen Beitrag zu leisten, ist für Bernd ein Privileg. Nein, er empfindet sich dabei nicht als wichtig. Er weiß, andere Menschen sind von seiner Gewissenhaftigkeit abhängig. Seine Kunden aus der Landwirtschaft etwa, die zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln verantwortlich sind. Oder seine Mitarbeiter:innen, die eine Familie haben. Die Ladeninhaber:innen, die die Innenstadt einer Kleinstadt im tiefsten Hessen lebendig halten. Vereine, Clubs und andere Organisationen in der Region aus Bildung, Soziales, Sport und Kultur.

Ja, was hat Bernds Geschichte mit Lean Management zu tun?

Die Mittelstandsforscherin Professorin Nadine Kammerlander an der WHU Otto Beisheim School of Management ermittelte in einer Studie aus 2018 sechs Erfolgsfaktoren für den deutschen Mittelstand. Etwa die Präferenz der Eigenfinanzierung, das Streben nach vertrauensvoller Beziehung zur Belegschaft, das Interesse an langfristiger Ausrichtung und die Verbundenheit zur Region. Damit ist Bernds Geschichte kein Einzelfall, gar typisch für den deutschen Mittelstand. Ist es nicht spannend zu wissen, warum ein Mittelständler es als wichtig erachtet, Lean Management im eigenen Unternehmen zu praktizieren?

„Auch der deutsche Standort kann wirtschaftlich arbeiten“

„Als ich die Geschäftsführung übernahm, stand schon die Frage im Raum, ob wir im Ausland produzieren wollen“, ist seine Antwort auf die überraschende Feststellung im Gespräch, dass Weidemann GmbH in Deutschland produziert. „Auch ein deutscher Standort kann wirtschaftlich arbeiten“, führt Bernd aus, „wenn man es richtig macht!“ Ein wesentlicher Grund für den Verbleib des Unternehmens in Deutschland waren die Menschen und ihr Know-How. Sie waren die Grundpfeiler für die Rentabilität. Ein Werk im Ausland zu bauen, hätte für die Weidemann GmbH bedeutet, für den Aufbau neuer Kompetenzträger:innen vor Ort zu investieren.

„Doch es war darüber hinaus erforderlich, zusätzliche Effizienzen zu mobilisieren“, führte Bernd weiter aus. „Etwa die Durchlauflänge in der Produktion zusammenzufassen und zu kürzen.“ Vor der Optimierung betrug diese Durchlauflänge über 1,5 Kilometer, die sich auf drei Etagen erstreckte. Heute kommt sie auf knapp 750 Meter auf einer Etage. „Uns ist sogar gelungen, unsere Kapazitäten zu erweitern. Nun sind wir in der Lage, in der gleichen Zeit noch mehr zu produzieren.“

Lean funktioniert da, wo ein Bewusstsein dafür ist

In diesem Prozess unterstützte Ralf Volkmer die Weidemann GmbH. „Ralfs Beitrag war wichtig. Mit ihm gelang uns, weitere Effizienzen zu mobilisieren. Etwa in der Optimierung der Arbeitsplätze, sodass die Kolleginnen und Kollegen keine unnötig langen Wege, überflüssigen Handgriffe oder wertvolle Zeit für die Suche nach Materialien im Lager verschwenden mussten.“ Doch Lean funktioniert nur da, wo ein Bewusstsein dafür existiert. Auch dies war eine Aufgabe von Ralf bei der Weidemann GmbH: den Beschäftigten Lean und seine Prinzipien zu vermitteln, um sie auf diese Weise persönlich zu stärken. Blickt Bernd als Geschäftsführer nach vorn, dann bleibt er bei seiner Treue für den deutschen Standort. Sosehr er die russischen Landwirte bedauert und mit ihnen fühlt, bestätigt das aktuelle Weltgeschehen mit dem Ukraine-Krieg im Mittelpunkt, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Die Weidemann GmbH folgt den Sanktionen der Bundesregierung und exportiert keine Maschinen mehr nach Russland. Nun steht er vor anderen Herausforderungen, allen voran die Energieversorgung oder Probleme in der Lieferkette. Auch der Arbeitskräftemangel ist eine Herausforderung. Insgesamt bewirken diese Themen, dass er sich für neue Lösungen öffnet.

„Und fünftens, nimm Dich selbst nicht so ernst“

Diese Herausforderungen nimmt er ernst und geht sie konsequent an. Wie ein Zahnrad im komplexen Uhrwerk wird er bis zum letzten Moment funktionieren. Aber es sind zugleich Themen, die er seinem Nachfolger nicht vorwegnehmen oder bewusst ihm überlassen möchte. Ja, was würde er stattdessen dem künftigen Geschäftsführer der Weidemann GmbH mitgeben, wenn er auf sein eigenes jahrzehntelanges Wirken zurückblickt? Und die Antwort kam prompt und strukturiert, so als ob er auf diese Frage schon lange gewartet hat: „Erstens, entwickle Dir ein Bild von der Zukunft von Weidemann! Zweitens, schaffe ein Team, das Dir hilft, dieses Bild zu realisieren! Drittens, vertraue‘ den Menschen! Viertens, kümmere Dich um die Menschen! Und fünftens, und das ist das Wichtigste, nimm’ Dich selbst nicht so ernst!“

*) Mit der Erstellung dieses Textes wurde von uns das futureorg institut beauftragt, welches wiederum Herrn Kamuran Sezer hiermit beauftragt hat.



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