Reframe Your Life!
Oder: Wie unsere Perspektive unser Erleben prägt
Vor langer Zeit machte ich eine Ausbildung in Sachen NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren). Rund 15 Jahre muss es inzwischen her sein, doch ein Leitsatz des NLP ist mir stets in Erinnerung geblieben:
„The map is not the territory.“
Interessanterweise geht diese Aussage zurück auf Alfred Władysław Augustyn Korzybski, einen ehemaligen Ingenieur und Offizier der russischen Armee im Ersten Weltkrieg. Nach mehreren Verwundungen und der späteren Emigration in die USA beschäftigte er sich mit philosophischen Thesen. Seine bekannteste These betraf die Beziehung zwischen einer Landkarte und dem realen Terrain, Demnach ist unsere Umwelt, wie wir sie wahrnehmen, ein mentales Modell der Welt – was etwas anderes ist als die Welt selbst. Korzybski wollte darauf hinweisen, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Realität und ihrer Repräsentation in Form von Sprache, zwischen der Welt und ihrer Abstraktion in Worten, Bildern oder eben Karten.
Gemäß dieser Logik beeinflusst unser mentales Modell auch unsere Wahrnehmung der Realität. So sagt zum Beispiel auch Erich Kasten, Psychotherapeut und bis 2023 Professor für Neuropsychologie an der Medical School Hamburg:
„Die Realität ist nur eine Interpretation des Gehirns.“
Die Bedeutung, die ein Ereignis für uns hat, hängt immer von seinem Kontext ab, von dem Rahmen, dem „Frame“, der unsere Wahrnehmung lenkt (respektive ihren Bedeutungsgehalt bestimmt). Etwas kann für uns zunächst eine positive Bedeutung haben und durch die Veränderung des Rahmens eine negative Bedeutung erhalten – und umgekehrt.
Für unser bewusstes Erleben bedeutet dies die Notwendigkeit, uns über unseren Frame im Klaren zu sein und möglichst einen zu wählen, der für ein gelingendes Leben „günstig“ ist – und uns nicht von außen einen in diesem Sinne ungünstigen Frame aufzwingen zu lassen.
Auch in Verhandlungen ist die Frage des Frames wesentlich. Denn wer den Frame setzt, bestimmt die Wahrnehmung aller Beteiligten und führt die Verhandlung!
Bezogen auf mein Lieblingsprinzip, dass die Energie dem Fokus folgt, ist die Frage des Frames so etwas wie die Fokuslinse, die den Brennpunkt bestimmt und damit die Basis für unseren Energiefluss bildet.
Einer der bekanntesten Frames ist die Frage, ob das Glas für uns halb voll oder halb leer ist. Wie wir das Glas wahrnehmen, bestimmt maßgeblich unsere Erlebnisse.
Selbst Berater, die so häufig mit Vorurteilen konfrontiert werden, haben einen berühmten Frame definiert:
„Es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen.“
Was für viele Menschen wie ein abgedroschener Spruch klingt, ist in seinem Kern ein genialer Frame für besseres Handeln, denn so fällt es leichter, eine aktivere Rolle einzunehmen und nicht zu verzagen!
Mir persönlich gefällt ein Gleichnis, das in verschiedenen Varianten kursiert, zum Beispiel dieser: Als der alte Weise von seinem Sultan aufgefordert wird, auf einen Ring das Gefühl zu schreiben, das inmitten des ständigen Wandels der menschlichen Angelegenheiten deren wahre Tendenz am besten beschreibe, graviert er die Worte ins Metall: „Und auch dies wird vergehen“.
Kaum ein Gedanke dürfte wahrer und universeller die menschlichen Angelegenheiten beschreiben – oder besser das ständige Schwanken zwischen dem Guten und dem Bösen in Worte fassen, das seit Anbeginn der Welt die Geschichte der Menschheit prägt und aus unserer seltsamen Mischung von Edelmut und Großzügigkeit einerseits sowie niederen und selbstsüchtigen Neigungen andererseits resultiert.
Ähnliche Worte fand der englische Dichter Edward Fitzgerald 1852 in seiner Nacherzählung der Fabel „Solomon’s Seal“. Darin fragt ein Sultan König Salomon nach einem Satz, der in guten wie in schlechten Zeiten immer wahr sein werde. Salomons Antwort:
„Auch das wird vergehen." („This also shall pass away.“)
In der neuerlichen Auseinandersetzung mit #NLP und der systemischen Psychotherapie bin ich nun wieder auf ein mit Frames verwandtes, hoch spannendes Thema gestoßen – das Reframing.
Den Anstoß, mich erneut mit diesem Thema zu beschäftigen, gab mir das neue Buch von Scott Adams, dem US-Cartoonist und Autor, der vor allem durch seine Cartoon-Serie „Dilbert“ bekannt wurde. Vor einigen Jahren schrieb Adams schon einmal ein Buch, das mich sehr beeindruckt hat: „How to Fail at Almost Everything and Still Win Big“, in dem er seine Ansichten über Karriere, Erfolg und Leben teilt. Der für mich beste Satz daraus, über den ich an anderer Stelle bereits ausführlicher geschrieben habe, ist:
„Goals are for Losers.“
Adams‘ neues Buch heißt nun „Reframe Your Brain: The User Interface for Happiness and Success“ – und hat mich sofort in seinen Bann gezogen.
Vor allem die pragmatische Herangehensweise an das Thema fand ich sehr einleuchtend. So betont er:
„Reframes don’t need to be true. They don’t even need to be logical. They only need to work.“
Gewissermaßen in der Tradition von Korzybski – der zufolge der Mensch der Karte mitunter mehr Bedeutung beimisst als der realen Welt, ja, dass er etwas für wahr halten kann, was es gar nicht gibt – steht die Begründung, die Adams mitliefert:
„Your brain will process a lie – or any form of fiction – the same way it processes a truth. That’s why a movie can make you laugh, cry, or feel inspired even while you know the story is made-up.“
Für ein erfolgreiches Reframing sind aus Sicht von Adams nur drei Bausteine notwendig:
1. Fokus
2. Wiederholung
3. Emotionen
„Focus and repetition move an idea (or reframe) from conceptual to physical, meaning physical changes in your brain structure. Adding emotion can make the rewiring happen faster, but again, that part is optional.“
Beispiel gefällig?
Klassischer Frame: Alkohol ist ein Getränk.
Reframe: Alkohol ist Gift.
Es ist klar, dass dieser Reframe nicht für Alkoholiker geeignet ist. Für den Rest von uns könnte es funktionieren und dazu führen, dass wir weniger Alkohol trinken oder ganz damit aufhören.
Ein Grund dafür, dass Reframing funktioniert, liegt darin, dass unsere Sicht der Dinge auch die Reaktionen unseres Körpers auf eine Situation beeinflusst. Ein schönes Beispiel dafür liefert die US-Podcasterin Mel Robbins, die in einem Interview berichtet hat, wie Menschen, die nervös waren, bessere Leistungen ablieferten als andere, wenn sie gelernt hatten, die Nervosität für sich positiv umzudeuten – indem sie sich sagten: „I’m so excited“. Denn das führe dazu, dass der Körper nicht das Stresshormon Kortisol ausschütte und die Leute sich besser fokussieren könnten.
Hier noch ein paar andere sehr gelungene Reframes, die mir besonders gefallen haben oder die ich bereits nutze:
Klassischer Frame: Manage Deine Zeit.
Reframe: Manage Deine Energie.
Wie bei Prof. Dr. Volker Busch in unserem Podcast „SMP LeaderTalks“ (siehe hier oder auf allen gängigen Plattformen) und in seinem Buch „Kopf frei!“ geht es dabei darum, die eigene Aufmerksamkeit bewusst zu steuern und im Lauf des Tags die richtigen Zeiten für die maximale Performance einzusetzen.
Ein anderes Beispiel:
Klassischer Frame: Ich kann das nicht.
Reframe: Ich kann es noch nicht.
Dieses eine, kleine Wort „noch“ ist eines der mächtigsten überhaupt und wird besonders von Professorin Carol Dweck in ihrem sehr empfehlenswerten Bestseller „Mindset“ erklärt – und angeraten, wenn es darum geht, sich einen „Growth Mindset“ zuzulegen (für mehr dazu siehe die „Thoughts for Leaders“ #20).
Auch gut:
Klassischer Frame: Das schaffe ich nie!
Reframe: Ein Schritt nach dem anderen. Nur die Richtung muss stimmen.
Oder:
Klassischer Frame: Man muss sich nur die richtigen Ziele setzen.
Reframe: Es kommt auf das System hinter dem Ziel an.
Oder:
Klassischer Frame: Ich will nicht hart erscheinen.
Reframe: Inkonsequenz rächt sich immer. Der kleine Schmerz steht immer am Anfang.
Die Kraft, die in der hohen Kunst des Reframing liegt, wird im besten Sinne in einem Zitat deutlich, das so (oder ähnlich) mal dem österreichischen Neurologen und Psychiater Viktor Frankl, mal dem persischen Mystiker und Dichter Rumi zugeschrieben wird:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum haben wir die Freiheit und die Macht, unsere Antwort zu wählen. In unserer Antwort liegt unser Wachstum und unsere Freiheit“.
Es ist somit an uns. Wir haben die Wahl. Und wir entscheiden.
Welche Reframes stehen in Ihrer persönlichen Hitparade ganz oben?
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