
Deutschland wir müssen reden!
Anfang der Woche habe ich mit einem Kollegen telefoniert. Wir mussten uns über eine bestimmte Angelegenheit austauschen. Da wir nicht regelmäßig Kontakt haben und „zwischen zwei Telefonaten“ auch mal drei Wochen vergehen können, fragte ich ihn mit meiner üblichen Floskel: „… und wie ist die Lage?“ Nach einem kurzen Zögern antwortete er: „Mies!“
Deutschland, was ist eigentlich los mit dir? Egal, mit wem ich spreche, wo ich hinhöre oder hinsehe – die Stimmung ist miserabel. Es vergeht kaum eine Woche ohne schlechte Nachrichten, sei es aus der Politik, der Wirtschaft oder meinem persönlichen Umfeld. Ich bin ein optimistischer Mensch, doch langsam muss ich aufpassen, dass mich dieser Verdruss, der mir im Baumarkt, im Lebensmitteldiscounter, im beruflichen Umfeld oder in den Medien begegnet mich nicht mit herunterzieht.
Ich bin wirklich ein optimistischer Mensch, aber selbst bei unseren vier Kindern bemerke ich eine Art Lähmung. In einem Gespräch sagte unsere jüngste Tochter neulich: „Ich habe keinen Bock mehr auf dieses Deutschland. Ich sehe niemanden mehr lachen; alle schauen nur noch auf den Boden, anstatt sich am Himmel zu erfreuen.“ Und ich verstehe, was sie meinte – unser Kind, gerade einmal 25 Jahre alt.
Dieses Gefühl der Lähmung nehme ich auch in unserer Gesellschaft wahr. Es geht mir auf die Nerven, wie die politischen Akteure der demokratischen Parteien aufeinander eindreschen, sich gegenseitig die Schuld zuschieben und Intrigen spinnen. Der endlose Streit innerhalb der Ampelkoalition, genauso wie das Verhalten der Oppositionsvertreter – sei es aus dem Sauerland oder der südlichsten Landeshauptstadt unseres Landes – empfinde ich mittlerweile als schamlos!
Dieses ständige gegenseitige Eindreschen auf den politischen Gegner ist weder im Sinne der Wähler noch fördert es das Wohl des Landes, der Menschen oder der Wirtschaft. Es ist reine Zeit- und Energieverschwendung, wenn Vertreter der CDU gegen die Grünen, die Grünen gegen die FDP, die FDP gegen die SPD – und umgekehrt – jede Gelegenheit nutzen, um sich gegenseitig zu attackieren. Das stärkt nur die extremen Ränder!
Man stelle sich vor, die Führung einer großen Organisation würde in der Kantine ein ähnliches Schauspiel abziehen: Über Brandmauern, Schuldenbremsen, Grenzschließungen und die Länge von Messerklingen fabulieren, ohne dass sich etwas ändert, und dabei kein Meeting auslassen, um die eigene Position zu betonen, statt sich an einen (runden, eckigen, ovalen) Tisch zu setzen um zu besprechen wie sie gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehen und was dafür im Sinne des Gemeinwohls gemacht werden muss.
Deutschland, wir müssen reden! Wissen wir nicht, was zu tun ist? Ist uns nicht klar, dass wir unsere Gesellschaft und Wirtschaft dringend modernisieren müssen? Es fehlt an der Bereitschaft zur Erneuerung und an dem Mut, Risiken einzugehen. Wir müssen endlich die ausgetretenen Pfade verlassen. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen stimmen, aber das allein reicht nicht. Was nützen Rahmenbedingungen, wenn die Entscheider in den Unternehmen keine Entscheidungen treffen, über den Fachkräftemangel jammern, aber gleichzeitig allen über 45 eine Absage erteilen?
Innovation beginnt im Kopf. Ich erwarte von Entscheidern, dass sie Entscheidungen treffen, ihre Prozesse überdenken und aufhören, in „das haben wir schon immer so gemacht“ zu verharren. Ich wünsche mir mutige Entscheider, die nicht nach dem Staat rufen, sondern auf den „Heizer im Maschinenraum“ hören, statt nur in Quartalszahlen zu denken. Ich wünsche mir Führungskräfte, die eine Vision entwickeln, wo ihr Unternehmen in fünf bis sieben Jahren stehen soll. Ich wünsche mir, dass Entscheidungen getroffen werden, anstatt Probleme auszusitzen. Es braucht Mut, eigene Fehler zuzugeben.
In Zeiten existenzieller Herausforderungen wird nur derjenige gewinnen, der bereit ist zu führen – dem es um Überzeugung geht und nicht um Macht, sei es politische, wirtschaftliche oder mediale. Wir sollten die Einsichtsfähigkeit der Bürger nicht unterschätzen. Wenn es um große Fragen geht, honorieren sie einen klaren Kurs. Unsere Eliten dürfen den notwendigen Reformen nicht hinterherlaufen – sie müssen an der Spitze stehen!
Roman Herzog, ehemaliger Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, sagte in seiner Berliner Rede 1997: „Die Eliten müssen vorangehen!
Deutschland, was ist eigentlich los mit dir? Ich bin Vater von vier Kindern und bin in einer Zeit ohne Internet aufgewachsen, als man noch stundenlang vor einer Telefonzelle warten musste, um seine Freundin anzurufen. Heute erlebe ich eine Gesellschaft, die an Oberflächlichkeit kaum zu übertreffen ist. Ein Blick in die (a)sozialen Medien zeigt, auf welchem Niveau wir uns bewegen. Ein jüngstes Beispiel ist die widerwärtige Äußerung von Luke Mockridge über Menschen mit Behinderungen.
Ist es denn nicht mehr möglich, sich tiefgehend auszutauschen, zu diskutieren oder zu streiten? Ich empfinde die (a)sozialen Medien mittlerweile als eine Verwilderung der zwischenmenschlichen Kommunikation. Selbst Plattformen, die ursprünglich dazu gedacht waren, Menschen im beruflichen Kontext zu vernetzen, wie LinkedIn, sind heute oberflächlich, geben pauschalem Antielitismus, allgemeiner Skepsis, Homophobie und Fremdenhass bis hin zu Rassismus Raum. Und ja, das sagt ein alter, grauer Mann!
Deutschland, wir müssen reden!
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