Die 3 Superheldinnen der Nachhaltigkeit: Effizienz, Suffizienz, Konsistenz
Effizienz ist im Lean Kontext ein alter Hut. Oft wird darunter die höchstmögliche Reduzierung von Ressourcen bei höchstmöglichem und dabei gewinnmaximiertem Output verstanden. Für Menschen, die nachhaltiges Wirtschaften bevorzugen, ist der Begriff daher negativ belegt und wird eher abgelehnt. Zu Recht, denn wenn maximales Effizienzhandeln zu Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft, natürlichen und materiellen Ressourcen führt, kann dies niemals nachhaltig sein. Ebenso dürften Menschen den Begriff kritisch sehen, deren Unternehmen Lean „einführten“ und unter Effizienz lediglich Personaleinsparungen und Entlassungen verstanden.
Der Effizienz wird oft der Begriff Effektivität beigestellt – einerseits „die Dinge richtig tun“ (Effizienz), andererseits „die richtigen Dinge tun“ (Effektivität). Unternehmen sollen bitte beides kombinieren und so vernünftig und ausgewogen wirtschaften. Klingt in der Theorie und in der klassischen BWL durchaus gut, in der Praxis führt diese Kombi bisher nicht flächendeckend zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Also, was tun?
Wie wäre es, wenn wir uns den Begriff Effizienz doch noch einmal vornehmen? Und zwar viel genauer als bisher! Der Begriffsbedeutung nach ist Effizienz erst einmal ein eher allgemeiner Begriff und bedeutet: „günstiges Verhältnis zwischen erbrachtem Aufwand und erzieltem Ergebnis, hoher Wirkungsgrad, Wirtschaftlichkeit“ (Quelle: dwds.de). Diese Bedeutung gibt auch der lateinische Ursprung her: „efficieñs“ – bewirkend, wirksam, „efficientia“ Wirksamkeit.
Schauen wir mit diesem Verständnis auf Unternehmen, die bereits Jahrzehnte erfolgreich nachhaltig wirtschaften, kann man beobachten, dass dort Effizienz eher der o.g. Bedeutung folgt – wirksam und günstig fürs gesamte Ökosystem Erde. Ergänzt wird hier allerdings die Effizienz um die Begriffe Konsistenz und Suffizienz – drei unterschiedliche Nachhaltigkeitsstrategien, die klug miteinander kombiniert werden. Was bedeutet das?
Suffizienz
Der Begriff Suffizienz stammt aus dem Lateinischen „sufficere“ und meint "ausreichen, genügen" und ist ein Schlüsselbegriff beim zukunftsfähigen nachhaltigen Wirtschaften. Es geht nicht um Wachsen um jeden Preis, sondern um die höchst individuelle Frage: Wieviel ist genug?
Vielleicht habt ihr schon einmal auf den Produkten der Richard Henkel GmbH gelegen, ohne es zu wissen. Dieses 100-jährige Familienunternehmen aus Forchtenberg stellt Stahlrohrmöbel mit Schnurbespannung für Saunen, Kur- und Wellnesseinrichtungen her und bietet Oberflächenbehandlung wie Pulverbeschichtungen als Dienstleistung an. Vor rund 10 Jahren entschied die Geschäftsführung „nicht mehr wachsen zu wollen“ – die Firma kannte sowohl Boomjahre mit 3 Schichten und zusätzlicher externer Lohnarbeit als auch Einbrüche z.B. wegen hoher Stahlpreise. "Alle standen in dieser Zeit unter Stress, die Mitarbeiter und auch die Kunden"… "Wir hatten keine Zeit mehr für Gespräche zwischen den Mitarbeitern, aus denen ja oft neue Ideen entstehen." (zum Nachlesen: https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/richard-henkel-gmbh-verzichtet-auf-kunden-und-umsatz-a-937569.html ) Geschäftsführerin Susanne Henkel wollte sich auf Wesentliches konzentrieren: "Ich will anständige Löhne bezahlen. Und ich brauche Kapital für Forschung und Investitionen, denn das erwarten die Kunden von mir." … "Und vielleicht brauchen wir alle auch ein freies Wochenende und Spaß bei der Arbeit.“
Mit einer unternehmerischen Vorstellung von „genug“ können übrigens weitgehend auch die sogenannten Rebound-Effekte verhindert werden, die u.a. mit Effizienzsteigerungen einhergehen.
Konsistenz
Unter Konsistenz versteht man im Nachhaltigkeitskontext, dass man Prozesse und Produkte daraufhin prüft, wie sie mit alternativer Technologie oder Materialien umweltbewusster hergestellt werden können oder wie Materialkreisläufe geschlossen werden können. Konsistenz ist auch bei Henkel zu finden: Die Stahlrohrmöbel sind langlebig und werden bei Henkel repariert – ein stabil profitabler Teil des Unternehmens.
Noch einmal Susanne Henkel: "Ich muss keinen Stahl einkaufen, habe die Hälfte des Materialeinsatzes, meine Mitarbeiter werden beschäftigt und die Löhne bezahlt. Was will ich mehr?"
Konsistenz bedeutet auch, dass Unternehmen sich Zeit nehmen, um Neuerungen zu testen und auszuprobieren. D.h. es braucht dazu auch unternehmerischen Mut, unbekannte Wege zu gehen – was manch einem noch schwerfällt. Macht man sich jedoch bewusst, dass unterlassenes Handeln Richtung Nachhaltigkeit mit jedem Monat, jedem Jahr für Unternehmen teurer wird, dann ist die in Konsistenz investierte Zeit absolut sinnvoll und wirtschaftlich notwendig.
Ein tolles, ganz aktuelles Beispiel für die kluge Kombination aus Konsistenz und Effizienz zeigt gerade die Firma Veganz – das Team um Jan Bredack will Tetrapaks überflüssig machen. Tetrapaks werden lt. Deutscher Umwelthilfe nur zu 35% recyclet. Nicht geklärt ist außerdem, welche Schäden das darin enthaltene Aluminium und Plastik in der Natur und/oder in Gewässern verursacht. Veganz hat sich des Haferdrinks, der zu aus 90% Wasser besteht, angenommen und stellt Haferdrinkplatten per 3D-Druck her. Dies spart 90% Verpackungsvolumen, 85% Gewicht und 9 LKW-Transporte werden überflüssig.
Also, laßt Euch beim Umsetzen Eurer Nachhaltigkeitsstrategien von den 3 Superheldinnen leiten, die haben‘s einfach drauf.
Zeit und Lust über die 3 Superheldinnen zu sprechen?
Dann komm' gerne zur LeanGreen am 25./26. Oktober 2023.
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Kommentare
wie drüben bei LinkedIn schon geschrieben, denke ich, dass der Begriff Effektivität super ist für Diskussionen und auch als strategischer Begriff. Die Trias oben ist m.E. überall besser, wo es um konkretes wirtschaftliches Handeln geht - in je unterschiedlicher Ausprägung. Das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist extrem groß und komplex, so dass es eine sehr lange Zeit der Transformation und des Übergangs bedarf. Wir werden uns mit Zwischenlösungen (und auch Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten) abfinden müssen und können nur iterativ verbessern. Besser als "netto-null" gefällt mir übrigens klimapositiv, da bin ich eher bei Prof. Braungart. Warum nicht einen klimapositiven Fuß- und Handabdruck hinterlassen?
Ich bin überrascht, dass Du an der "Effizienz" weiter festhältst. Aus den von Dir genannten Gründen bin ich dazu übergegangen, "Effektivität" in den Fordergrund zu stellen. Das Richtige tun. Aus meiner Sicht ist es "besser", wenn wir das Richtige vielleicht weniger effizient (optimiert) tun als das "Falsche" dafür umso effizenter.
Was das "Richtige" ist, leitet sich in meinem Weltbild ab aus dem Grundsatz des zirkulären Wertschöpfens, bei dem das Ziel ist, überall dort aus dem Vollen zu schöpfen, wo wir "netto-null" agieren können in Bezug auf CO2-Ausstoß (nicht nur klima-neutral) sowie sämtlicher Output zum "Rohstoff" wird, wir also keinerlei Ressourcen aufbrauchen, sondern alles – nach Abschluss des NutzungsZyklus – wieder in den Rohstoff-Kreislauf zurück-überführt werden kann.
Effizienz kommt in meiner Vorstellung somit nur noch dort zum Tragen, wo wir Brüche im Zyklus haben, um so schonend wie nur irgendmöglich mit verbrauchten Ressourcen umzugehen.
Macht das so für Dich auch Sinn?
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