Ziele im Management bringen keinen Erfolg – warum?

Ziele im Management bringen keinen Erfolg – warum?

Steuerbarkeit und fixe Jahrespläne sind in der modernen Wirtschaftsgesellschaft eine gefährliche Illusion.

#leanmagazin
30. März 2021 um 04:30 Uhr in LeanMagazin von Guenther Wagner


Komplexität, Agilität, flache Hierarchien sind durch das Aufstellen und Verfolgen eines Jahresplanes nicht erfolgreich zu bewältigen. Die meisten ManagerInnen schwören jedoch noch immer auf Zielvorgaben, wie sie von den Managementpionieren zu Beginn des Industriezeitalters erfolgreich angewandt wurden. Aber in VUCA-Zeiten sind Zielvereinbarungen Zeitverschwendung, unproduktiv und erfolgsmindernd, so die Erkenntnis von Niels Pfläging, Managementberater.

Die meisten Managementsysteme orientieren sich stark an der vermeintlichen Messbarkeit von Wirtschaftlichkeit und Erfolg. Den komplexen Wirkungsmechanismen menschlicher Interaktionen können sie jedoch nur sehr begrenzt gerecht werden.

So paradox es scheint, doch gerade jetzt, in Zeiten der Digitalisierung, sind die menschlichen Wirkungsmechanismen im Business überlebenswichtig und damit erfolgsgebend. Genau darauf wird im Lean Management Wert gelegt, das ist das zentrale Thema im Lean Management. Bereits in den Jahren 1941-1945 hat sich die Lean-Kultur, die Schaffung guter Arbeitsbeziehungen – zwischen Führungskraft und MitarbeiterInnen, aber indirekt auch unter den MitarbeiterInnen, entwickelt. Die MitarbeiterInnen wurden direkt und unmittelbar in die Verbesserungsaktivitäten miteinbezogen. Neben der Schaffung wertschätzender Arbeitsbedingungen erfolgte so eine Potentialentfaltung der Beteiligten.

Doch das erfordert ein deutliches Umdenken im Management. Das Management hält jedoch verbissen an den veralteten Tools der Zielvereinbarungen fest – vermutlich, weil das Führen nach festen Zielvorgaben offensichtlich noch immer ganz gut funktioniert, aber darüber hinaus auch die persönlichen Ziele der Führungskräfte, Macht, Prestige, Ruhm und Ehre nährt.

Ziele dienen oft nur der Machtabsicherung der Mächtigen.

Das erklärt auch, warum eine Veränderung im Management Widerstand auslöst. Auf der anderen Seite wird damit ein komplexes System installiert, um diese Ziele umzusetzen und auch entsprechend zu monitoren. Sprich Hierarchie und Controlling. Das soll jetzt keine Schuldzuweisung sein. Das ist einfach menschlich. Doch sich auf Dauer dem Widerstand beugen, das wird nicht die Lösung sein, um die Herausforderungen und Probleme der VUCA-Zeit in den Griff zu bekommen.

Wir reiten auf einem Pferd, das seit Beginn des Informationszeitalters längst tot ist.

Irgendwann einmal wird die Erfolgsstrategie durch ein kontrolliertes, hierarchisch aufgestelltes Management mit fix vorgegebene Zielvereinbarungen kippen – und dann ist es vielleicht für das Unternehmen zu spät. Die Art, wie sich Märkte entwickelt haben – schnelllebig, komplex, überraschend – kann ohne Implementierung einer neuen Managementkultur, ohne Kollaboration, mit flachen Hierarchien, mit Demut, ohne Ziele und einer positiven Fehlerkultur nicht erfolgsversprechend bewältigt werden. Doch der klassische Managementstil hat lange gut funktioniert, und so ist es für viele schwierig sich vorzustellen, dass es auch Alternativen gibt, die darüber hinaus auch noch gut wirken.

Wir sind für die Wurzeln der Probleme blind, weil die Symptome uns hypnotisieren.

Doch niemanden in den Führungskreisen kann ein Vorwurf gemacht werden. Solange die Ausbildungen und Weiterbildungen nur an den Symptombehandlungen arbeiten, wird sich an den Wurzeln der Probleme nicht viel ändern. Wenn Sie meine Beiträge schon länger verfolgt haben, dann wird Ihnen vielleicht jetzt in den Sinn kommen, dass ich oft die menschliche Komponente erwähne, die leider zu selten bei der Problembewältigung Berücksichtigung findet.

Das Potential, das uns Menschen gegeben ist, Empathie, Achtsamkeit, Mitgefühl, wird als Managementtool leider kaum explizit angesprochen und vermittelt. Die Führungskräfte können daher dieses Wissen, und die damit verbundenen Erfahrungen kaum entwickeln und weitergegeben – selbstverständlich mit einigen Ausnahmen.

Zu groß ist der Widerstand, sich den Veränderungen zu stellen, die tatsächlich gefordert werden. 90 Prozent der PersonalerInnen müssten ihr Instrumentarium abschaffen und die Dinge grundlegend anders anpacken.

Zu gerne beruft man sich auf die Aussage: Es muss funktionieren, denn die anderen machen es auch noch so. Unternehmen, die ohne fixe Ziele, mit flachen Hierarchien, kollaborativ, achtsam und mit einer positiven Fehlerkultur agieren, sind Ausnahmen – darunter fällt die Drogeriekette DM, wie auch Google und Toyota.

Der Sinn der Verwendung von Zielsystemen, die mit individuellen Vergütungen verknüpft sind, werden kaum in Frage gestellt und wenn, dann zeigt sich rasch Widerstand. Dabei kann eindeutig belegt werden, dass selbst bei bester Implementierung und Gestaltung von Zielmanagementsystemen die erwarteten positiven Effekte nicht erreicht werden können, weil diese Systeme auf 4 grundsätzlichen Irrtümern beruhen:

Irrtum 1: Zielmanagement kostet wenig und bring viel.

Irrtum 2: Individuelle Ziele tragen zum Unternehmensziel bei

Irrtum 3: Vergütung individueller Ziele fördert Visionen

Irrtum 4: Zielsysteme können maßgeschneidert werden

Die vor rund vier Jahren herausgebrachte Studie des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung München (ISF) kann belegen, dass mit Management by Objectives (MbO) die Leistung nicht verbessert wird, sondern sich damit der Stress und Leistungsdruck für MitarbeiterInnen, wie auch Führungskräfte erhöht, was die angeblichen positiven Wirkungen eindeutig in den Hintergrund drängt. Führungskräfte nutzen Ziele vielmehr als Macht- und Kontrollinstrument, verwalten diese wie Soll-Ist-Analysen und entfernen sich damit von der menschlichen Komponente.

Das kann, wie ich schon mehrfach erwähnt habe, keinem/keiner der Führungskräfte vorgeworfen werden. Das Management wie es gelehrt und weitergegeben wird, wagt es noch zu selten die menschlichen Aspekte als Führungs- und Zielerreichungswerkzeug anzuwenden.

Wolfgang Vieweg, Unternehmensberater und Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Rechnungswesen und Wirtschaftsethik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, spricht ebenfalls sehr deutlich davon, dass das Setzen von Zielen reichlich unproduktiv sei, und den Anforderungen unserer flexiblen Zeit nicht mehr entspreche. Vieweg sieht im Modell „Management by Options“ die Chance, das Unternehmen erfolgsversprechend durch die schnelllebige Wirtschaft zu lenken.

Die Welt verlangt von uns, dass wir uns weniger darauf fokussieren, wie wir etwas dazu zwingen können, in unsere Pläne zu passen. Stattdessen müssen wir uns darauf fokussieren, miteinander in Beziehung zu sein, und uns in die Erfahrung zu begeben, um zu bemerken, was daraus entsteht. Wir werden also aufgefordert teilzunehmen, statt zu planen.

Die meisten Führungskräfte fühlen sich jedoch ohne Vorhersagungen und Zielplanungen eher hilflos. Deshalb halten viele am Plan fest anstatt der Wirklichkeit zu folgen – mit unangenehmen Nebenwirkungen. Man versucht die Planerfüllung mit Kniffen und List entsprechend zu manipulieren. Im Kleinen wie im Großen wird geschoben und paktiert Und so wird das Lügen im Management u.a. auch zur Zielerreichungsstrategie.

Doch wie schon mehrfach erwähnt, es macht keinen Sinn die Führungskräfte an den Pranger zu stellen. Es zeigt sich ohnehin, dass ein Umdenkprozess im Laufen ist. Gleichzeitig lösen diese neuen Bewegungen im Management Widerstand aus. Das verlangt respektvolle Einsicht von denen, die ein Umdenken fordern und couragiertes Vertrauen von jenen, die noch im Alten feststecken. Das kann nicht von einer Stunde zur anderen in das Handeln implementiert werden, wie beispielsweise ein Update am PC, das meist rasch ein Problem zu lösen vermag.

Ich sehe den Hype bzw. die neue Erfolgsstory, keine Ziele vorzugeben, um fit zu bleiben und am Erfolg in Zukunft teilhaben zu können, mit geteilter Aufmerksamkeit. Zum einen muss ich Recht geben, dass die Planwirtschaft als solche nicht mehr zeitgemäß ist. Zum anderen kann aber auch nicht von einem Tag zum anderen ein eingespieltes System auf Knopfdruck verändert werden. Für viele Führungskräfte, und auch MitarbeiterInnen haben Ziele eine Art Ankerfunktion, sie geben ihnen Orientierung.

Ich sehe den ersten Schritt hin zur Lösung nicht darin, Ziele einfach aufzugeben und stattdessen Optionen zu setzen, sondern ins Spüren zu gehen. Wir erliegen oft wir dem Irr-Glauben, wir müssten alles rational und effektiv mit bestmöglicher Fachkompetenz und genauer Zielfokussierung lösen, und vergessen dabei die stärkste Kraft zu nutzen – unsere Empathie, Mitgefühl, Liebe.

Ein mit der entsprechenden Haltung zum Einsatz gebrachtes Lean Management, das gemeinsame Miteinander vom Was (Prozesse, Tools), Wie (Haltung) und Warum (Sinn, Motivation) in Verbindung mit einer Achtsamkeitsschärfung kann helfen, die vermutlich immer stärker werdenden Zweifel und Unsicherheiten im Management zu reduzieren bzw. den Mut aufzubringen, die menschliche Komponente, die Gefühle, in das Business einfließen zu lassen. Damit kann das krampfhafte Festhalten an Vorgaben gelöst werden, und Herausforderungen mit Offenheit, Flexibilität und Kreativität gemeistert werden. Mit Zielen verhält es sich ähnlich wie mit Veränderungsprozessen, 60-70 Prozent scheitern bzw. gehen am Ziel vorbei – warum?

Es fehlt die Verbindung von Kopf und Herz!

Wir alle erliegen dem menschlichen Bedürfnis, Kontrolle in einer letztlich unkontrollierbaren Welt zu behalten. Angst, Unsicherheit, Widerstand sind unsere täglichen Begleiter und allzu oft auch unsere Entscheider. Doch Achtsamkeit kann den Verführungen und damit verbundenen Fehlhaltungen widerstehen. So kann Lean Management eine gelebte Haltung werden, die im Stande ist, uns verantwortungsvoll durch die Stürme des Business, durch die Stürme des Lebens zu führen.



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