Zwei Punkte, die Projekte verzögern und verlängern - und eine leane Antwort darauf
In vielen Unternehmen werden neue Ergebnisse organisationsübergreifend geliefert (Projektarbeit). D. h. Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen kommen zusammen, um gemeinsam und abgestimmt ein Problem zu lösen. Aber es gibt zwei Punkte, die einer schnellen Lieferung entgegenstehen. Und es wäre so einfach, diese beiden Punkte sofort zu entschärfen.
Multitasking verzögert die schnelle Lieferung
Die meisten Organisationen nehmen sich zu viel gleichzeitig vor. Mitarbeiter:innen und Führungskräfte lasten sich zu 100% aus, weil sie denken, dass sie dann viel Wert liefern. Aber das ist falsch. Viele Probleme können nicht allein und nicht im gleichen Team gelöst werden. Wenn jemand zu 100% ausgelastet ist, kann er kurzfristig nicht dabei helfen, ein drängendes Problem zu lösen. Eine zu 100% ausgelastete Autobahn ist unattraktiv. Niemand wird auf die Idee kommen, eine Feuerwehr zu 100% auszulasten. Warum glauben wir, dass wir das mit Menschen machen können?
Gerald Weinberg hat Anfang der 1990er-Jahre Zahlen zu den Verlusten durch Multitasking veröffentlicht. (Jeff Atwood hat dazu einen Artikel mit dem Titel "The Multitasking Myth" veröffentlicht.)
Wenn wir schnell, gute Ergebnisse in Projekten wollen, wäre Fokus besser als Multitasking. Erheblich besser. Es gibt aber noch einen zweiten Punkt, der Multitasking fördert: Spezialwissen.
Spezialwissen macht unflexibel
Der Roman "Projekt Phönix" handelt von einer IT-Organisation, die ständig Probleme lösen muss. Dort gibt es Brent. Brent kann alle Probleme lösen und weiß alles. Jedes Projekt wünscht sich Brent. (Raji Pillay hat den schönen Beitrag "The Brent Effect" geschrieben.)
In jeder Organisation gibt es einen Brent, den jeder in seinem Projekt haben will. Die Folge? Wir warten, bis Brent da ist, um das Projekt zu starten. Brent ist in mehreren Projekten gleichzeitig, um den Anfragen gerecht zu werden.
Wenn wir schnell, gute Ergebnisse in Projekten wollen, wäre es besser, dass wichtiges Wissen auf mehrere Personen verteilt ist. Wenn wir auf beide Probleme durch eine Lean-Brille schauen, haben wir unsere Lösung: Flow und Skill-Matrix.
Auch in Projekten kann man Flow schaffen
Flow ist keine Frage der industriellen Massenproduktion. Als Henry Ford mit der Lieferung von Fahrzeugen nicht mehr hinterherkam, hat er seine Fabrik anders organisiert. Und zwar so, dass Teile auf kurzen Wegen durch die Fabrik "flossen", bis die Fahrzeuge fertig waren.
Vorher wurde das Material kreuz und quer durch die Fabrik bewegt. Das hatte auch bauliche Gründe: zum einen hatten die ersten Fabriken viele Säulen, die den Maschinen im Weg standen. Erst die Umstellung auf Stahlbeton machte es einfacher, große, freie Flächen zu schaffen. Zum anderen gab es in den ersten Fabriken nur eine zentrale Quelle, deren Energie über Wellen und Riemen an die Werkzeuge verteilt wurde. Die Fabrik war also nach Maschinen und nicht nach Fluss organisiert. Elektrische Motoren erlaubten es, Maschinen freier anzuordnen.
In den Wissensorganisation fließt das Wissen nicht. Die einzelnen Wissensträger und Umsetzer sind über den ganzen Campus, über verschiedene Bereiche verteilt. Die Projektergebnisse bewegen sich kreuz und quer durch die Organisation, bis etwas fertig ist.
Wir können die Projektarbeit aber auch anders organisieren: Wir bringen alle Menschen zusammen. Wir bereiten uns vernünftig vor. Dann wird fokussiert gearbeitet. Die Arbeit fließt von einer Person zur nächsten. Es gibt keine Wartezeit. (Das ist ein Grund, warum echte Scrum Teams schneller Ergebnisse liefern, als Projektteams, in denen fragmentiert gearbeitet wird.)
Wissen kann man teilen
Als die US-Amerikaner im Zweiten Weltkrieg ihre Produktion deutlich ausweiten mussten, haben sich die kriegswichtigen Betriebe zunächst mit dem Anlernen von Mitarbeitern beschäftigt. Im Job-Instruction-Handbuch (von 1944) gibt es eine Matrix, die alle Personen im Team und alle Arbeitsgänge auflistet. Das ist praktisch die Mutter von Lean.
Die Prinzipien funktionieren in der Wissensarbeit genauso. Wir können wichtige Tätigkeiten definieren und uns gegenseitig darin ausbilden. Und damit kann jede Organisation jetzt sofort anfangen:
- Welche Kompetenzen müssen wir beherrschen, um einen guten Job zu machen?
- Was wissen wir über diese Kompetenzen?
- Wie ist das Wissen auf die Personen verteilt? Wie schätzen sie sich ein? Wo sind die Lücken?
- Was können wir jede Woche tun, um Wissen zu teilen? Wie können wir die Arbeit, die eh zu tun ist, mit dem Ausbilden kombiniert werden?
Das ist Führungsaufgabe
Wir haben also zwei einfache Hebel, um unsere Ergebnisse in Projekten zu verbessern:
- Fokus statt Multitasking
- Skilltransfer statt Wissensinseln
Da kommen aus meiner Sicht die Führungskräfte ins Spiel. Sie können dabei helfen, Projekte in eine Reihenfolge zu bringen. Sie können gegenseitige Ausbildung bei ihren Teams einfordern. Das ist praktische Führungsarbeit.
Titelbild: Foto von Alvaro Reyes auf Unsplash
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