Schlendern gegen Schlendrian
Es ist neun Uhr morgens, die Produktivität der ganzen Firma geht fast auf Null zurück, wären da nicht ein paar Maschinen, deren Körbe mit Vormaterial gefüllt und so unbeobachtet vor sich hin produzierten.
Jeder Mitarbeiter hatte es sich an seinem Arbeitsplatz ein wenig gemütlich gemacht und widmete sich seinem Frühstück. Vereinzelt saßen sie auch plaudernd beieinander oder die Zeitung lesend, manchmal werkelten sie auch nur mit dem Smartphone. Das friedliche saubere Bild war für einen Beobachter schon ein wenig beeindruckend: keine Unordnung, keine Ölflecken unter den Maschinen, Werkzeuge aufgereiht und parat, Gänge sauber gekehrt: nichts stand herren- noch nutzlos herum, der Müll war sauber getrennt, kein Rufen und Geschrei.
Gleich waren die 15 Minuten um und jeder machte sich bereit wieder ‚auf Station‘ zu gehen. Aber es war kein Tag wie jeder andere. Eine Frage stand noch im Raum, erst leise geäußert, dann laut artikuliert: „Hat jemand den Schorsch schon gesehen?“, „War Schorsch schon da?“ klang es aus der anderen Ecke. Kopfschütteln und Ahnungslosigkeit.
Schorsch, wie er liebevoll genannt wird, ist Gründer und Eigentümer dieser Firma: Spezial-Werkzeugbau und Spritzgussproduktion – eine kleine Mehrwertkette in der Reihe der Automobilzulieferer. Er, Schorsch, hatte diese Firma aus kleinsten Anfängen zu einer Organisation mit ca. 150 Mitarbeitern gemacht. Konstruktion, Vertrieb, Finanzen, Kostenrechnung, Controlling, Personal – alle Funktionen hatte er anfänglich inne; dem produktiven Wachstum ging natürlich auch ein administratives Wachstum einher – aber immer mit von ihm ausgesuchten Leuten. Er drückte so seinen Stempel auf die Mitarbeiter. Seine Wahl traf er jedes Mal nicht leichtfertig, er machte es sich geradezu schwer, was manchmal zu Verzögerungen führte. Und die eine oder andere Entscheidung musste durch kurzfristige Auflösung wieder revidiert werden.
Die Frage war immer noch offen; Karl, einer der Meister, rief kurz entschlossen im Vorzimmer an und fragte. „Nein, Schorsch musste überraschend ins Krankenhaus.“ „Warum, was hat er?“ „Keine Ahnung“, war die Antwort. Karl gab’s bekannt. Eine leichte Sorge machte sich breit. Karl im Krankenhaus, das war etwas ganz Neues.
Alle, vom Lehrling an, hatten sich an die tägliche Begrüßung gewöhnt, auch das kleine Schwätzchen, das kurze Feedback, Lob oder Kritik: das tägliche Ritual.
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