Vier Thesen zur Instandhaltung der Zukunft
Wie entwickelt sich die Instandhaltung der Zukunft? Bei den Mindener Instandhaltungstagen im Hause WAGO durfte ich vor kurzem die abendliche Podiumsdiskussion zu dieser Frage moderieren. Nachdem sich viele Vorträge um Themen der KI gewidmet haben (Credo: der Hype ist abgeklungen und Ernüchterung tritt ein!), haben wir hier den Blick auf das große Ganze geworfen. Aus der Diskussion habe ich vier Thesen abgeleitet, die entscheidend für die Zukunft der Instandhaltung sein werden.
Wir müssen die Kunst des Reparierens bereits im Kindesalter vermitteln
Heute leben wir in einer Wegwerfgesellschaft. Wir haben verlernt, Dinge zu reparieren. Es ist bequemer und oft auch billiger, etwas neu zu kaufen. Wir haben verlernt uns zu fragen, wie etwas repariert werden kann. Diese Sensibilisierung müssen wir wieder vermitteln, wenn die Instandhaltung eine ernsthafte Alternative zu anderen Berufsgruppen junger Menschen werden soll.
"Ich glaube, dass viele gar nicht mehr versuchen zu reparieren. Wir müssen selbst bei dem Spielzeug schon anfangen - nach dem Motto: Papa, lass uns das reparieren!"
Holger Schlink, Vice President Real Estate sowie Leiter Instandhaltung bei WAGO
Der Instandhaltungsleiter ist nicht mehr der beste Instandhalter
Viele der Instandhaltungsverantwortliche sind aufgrund ihrer fachlichen Expertise Führungskraft geworden. Das hat früher auch gut funktioniert. Allerdings werden Technologien komplexer und unsere Welt schnelllebiger. Der Aufbau von effektiven Teams und Strukturen ist daher die große Aufgabe der Instandhaltungsverantwortlichen.
„Ein guter Instandhaltungsleiter muss ein sehr gutes Auge für Strategie haben. Was wir tun müssen, ist die Menschen dazu befähigen, ihren eigenen Arbeitsplatz zu gestalten.”
Lothar Schmiegel, Leiter Instandhaltung Geroldsteiner Brunnen
Wie Teams organisiert werden, ist damit weniger eine Frage, ob man sich siezt oder duzt (auch wenn das ein guter erster Indikator für mich ist, wie eine Instandhaltung tickt). Es geht vielmehr um die Frage, wie alle Mitarbeiter in der Instandhaltung ihre Talente für kürzere Ausfallzeiten und geringere Instandhaltungskosten einsetzen können.
Gleichzeitig gilt es fachlich gute Mitarbeiter zu fördern und zu halten. Dies erfordert auch die Möglichkeit, als Fachexperte ohne Führungsverantwortung mehr Geld verdienen zu können.
„Natürlich ist es schön, mehr Geld zu verdienen. Aber ich stelle immer wieder fest, dass die Leute im hohen Maße motiviert sind, wenn man als Vorgesetzter regelmäßig sagt, dass sie etwas tun, das uns wirklich weiterbringt!”
Dr. Thomas Heller, Geschäftsführer der Fraunhofer Smart Maintenance Community und Abteilungsleiter am Fraunhofer IML
Wir müssen (endlich) unsere Hausaufgaben in der Datenerfassung und Digitalisierung machen
Digitalisierungsprojekte können langwierig und ohne Nutzen für die Anwender sein. Andreas Weber fasst seine Erfahrungen folgendermaßen zusammen:
“Digitalisierung hat nichts mit Computer und Software zu tun. Digitalisierung ist Change. Wir reden über Industrie 4.0, haben aber keine Ahnung, was es eigentlich bedeutet, in der Bestandsanlage einen zusätzlichen Sensor einzubauen.”
Dr. Andreas Weber, Vice President Commercial Interface & Development bei EVONIK
Es wird ein besseres Prozessverständnis gefordert. Die digitale Verfügbarkeit von Instandhaltungswissen ist dabei die wichtige Hausaufgabe. Wenn die Systeme und Masken zu kompliziert sind und gleichzeitig der Nutzen der Datenerfassung nicht erklärt wurde, sind Digitalisierungsprojekte zum Scheitern verurteilt. Die beste Hausaufgabe als große Herausforderung für spätere KI-Anwendungen ist es damit, eine gute Datenbasis sukzessive aufzubauen.
Die Circular Economy ist eine große Chance für die Instandhaltung
Die Kreislaufwirtschaft (engl. Circular Economy) strebt einen geschlossenen Material- und Energiekreislauf an. In diesem Zug ist die Weiterbenutzung von Produktionsequipment ein zentrales Element.
„Wir als Instandhalter sorgen dafür, dass wir die Dinge am Laufen halten, dass wir nicht ständig immer wieder Neues brauchen.“
Prof. Lennart Brumby, Studiengangsleiter von der DHBW Mannheim
Eine gut aufgestellte Instandhaltung ist Voraussetzung für die Kreislaufwirtschaft. Diese kann helfen, das Bild der Instandhaltung vom reinen Kostenverursacher hin zum Befähiger der Circular Economy zu verändern. Gleichzeitig ist die Kreislaufwirtschaft aktuell in der Praxis noch schwer umzusetzen. In vielen Fällen ist es billiger, neue Produktionsanlagen zu beschaffen, anstatt alte wiederaufzubereiten. Hier ist die Instandhaltung auf reparaturfreundliche Konstruktionen angewiesen. Mit der zunehmenden Bedeutung des CO2-Fußabdrucks von Produkten wird die Instandhaltung jedoch immer wichtiger.
Fazit:
Die Zukunft der Instandhaltung bleibt unabhängig von KI spannend. Die wichtigsten Aufgaben sind die Attraktivität der Instandhaltung für junge Menschen, eine geeignete Führungsstruktur mit Fachkarrierelaufbahn und eine möglichst breite digitale Informationsbasis. Durch die zunehmende Bedeutung der Nachhaltigkeit wird die Instandhaltung immer wichtiger. Ich empfehle Ihnen alle vier Thesen in Ihrer strategischen Ausrichtung der Instandhaltung zu berücksichtigen, damit diese fit für die Zukunft wird.
Die ganze Diskussion von den Instandhaltungstagen können sie hier anschauen und anhören:
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