Mit Zahlen führen
Implementierung eines unternehmens- und ergebnisorientierten Kennzahlensystems (Part 1)
Key-Performance-Indicators
Key-Performance-Indicators (KPIs) können Anreize schaffen, die signifikanten Einfluss auf Unternehmen haben. Ob Unternehmen von diesen profitieren oder nachteilige Effekte entstehen, hängt von zwei Faktoren ab:
- Definition der KPIs
- Einsatzart der KPIs
Das folgende Projektbeispiel verdeutlicht dies.
Der Kunde
Im Projektkontext gibt es zwei relevante Stakeholder. Auf der einen Seite gibt es unseren Auftraggeber, ein U.S. amerikanischer Großhändler für zahnmedizinische Produkte. Der Zweite ist ein britischer Hersteller zahnmedizinischer Produkte, der diese u. a. an das amerikanische Unternehmen verkauft. Der Großhändler hat den Hersteller übernommen und unbekanntes Terrain betreten, da das Management des Großhändlers bisher keine Erfahrung mit einem produzierenden Betrieb hatte.
Die Ausgangssituation
Die Liefertreue des Herstellers, gemessen als On-Time-In-Full (OTIF), ist sehr gering. Das Management des Großhändlers fordert daher die Geschäftsführung des Herstellers auf, wöchentlich KPIs zu erheben. Die erforderlichen Informationen werden wöchentlich manuell zusammengetragen und die KPIs in einer Tabelle aufbereitet. Zentral ist die wöchentliche Ausbringungsmenge, die meist dem Planwert entspricht. Das Management kann sich aus den KPIs die schwache OTIF nicht erklären und vermutet, dass es die falschen KPIs sind und/oder die Datenbasis fehlerhaft ist.
Mit dieser Vermutung wendet sich der Großhändler an uns. Durch ein geeignetes KPI-Portfolio soll die Prozesstransparenz der Auftragsabwicklung beim Hersteller erhöht werden.
Das Vorgehen
Um den Kunden besser zu verstehen, nehmen wir in einem initialen Workshop mit dem Management beider Unternehmen die Erwartungshaltung auf, schärfen die Projektziele und das gemeinsame Vorgehen. Dabei stellt sich heraus, dass OTIF, die aus Kundensicht zentrale KPI, bisher nicht durch den Hersteller, sondern ausschließlich von Kunden ermittelt wird.
Im nächsten Schritt vollziehen wir den Prozess der Auftragsabwicklung nach – angefangen beim Forecast, über die Fertigung bis zum Versand. Um den Prozess aufzunehmen, setzen wir die SIPOC-Methode ein. Diese eignet sich besonders, um Prozesse grob zu erfassen, Probleme im Ablauf aufzudecken und Abweichungen von standardisierten Prozessen zu identifizieren. Wir ergänzen außerdem das System bzw. Format, in dem Informationen übermittelt werden. So decken wir Informationen auf, die am (ERP-)System vorbeilaufen und nur lokal verfügbar sind.
Folgendes Ergebnis der Prozessanalyse macht deutlich, weshalb stets Definition und Einsatzart von KPIs beachtet werden sollten. Der Hersteller ist stark durch Ziele bezüglich der Produktionsmenge getrieben. Um diese zu erreichen, wird gefertigt, wofür Produktionskapazität verfügbar ist – unabhängig davon, ob die Produkte dem aktuellen Kundenbedarf entsprechen. Dadurch stimmen Ausbringungsmenge und Auslastung, Bestellungen können aber trotzdem nicht bedarfs- und termingerecht bedient werden. Eine möglicherweise sinnvolle KPI führt hier isoliert betrachtet zu Überproduktion und zu hohen Beständen.
Das Ergebnis
Die beschriebenen Fehlanreize werden durch das neue KPI-Portfolio abgestellt. Wir definieren entlang des aufgenommenen Gesamtprozesses unternehmens- und ergebnisorientierte, SMARTe KPIs für die einzelnen Abteilungen. Die KPIs erfassen Ein- und Ausgangsgrößen (z. B. Lagerreichweite, Auftragsbacklog & Durchlaufzeit), die in die Steigerung der OTIF einzahlen und proaktives Handeln fördern.
Die zur Erzeugung der KPIs erforderlichen Informationen werden bereinigt und in Echtzeit im ERP-System zusammengeführt. Dafür sind Änderungen an Hard- und Software erforderlich, die vom Hersteller durchgeführt werden. So entsteht eine zentrale Datenbank, auf die mit Power BI zugegriffen wird. In Power BI werden, durch uns angeleitet, übersichtliche und aussagekräftige Dashboards nach den Bedürfnissen der Nutzer erstellt. Das Management beider Unternehmen – und theoretisch jeder andere Mitarbeiter – kann nun ‚live‘ auf die KPIs zugreifen.
Damit KPIs ihre positive Wirkung entfalten, ist es außerdem erforderlich, ein geeignetes Performance Management zu etablieren. Durch einen kaskadierten Performance Dialog können alle Hierarchieebenen des Unternehmens eingebunden werden, individuelle Ziele gesetzt und durch die jeweils Verantwortlichen proaktiv beeinflusst werden.
Der Ausblick
Bei der Prozessanalyse haben wir weitere Verbesserungspotentiale beim Hersteller identifizieren können. In einem nächsten Beitrag werden wir Einblicke geben, wie durch die Implementierung geeigneter Produktionsstrategien die Pufferbestände gesenkt, die Durchlaufzeit verkürzt und der Aufwand in der Produktionsplanung und -steuerung reduziert werden.
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