Lebenslanges Lernen
Die Idee lebenslang zu lernen ist schon alt. Sie ist wahrscheinlich so alt, wie die Menschheit selbst. Immer wieder haben wir uns in unserer Geschichte an neue Gegebenheiten angepasst. Lange war die Veränderungsgeschwindigkeit moderat und wir haben „en passent“ gelernt mit dem Neuen umzugehen. Heute ist das anders.
Aktives und kontinuierliches Lernen ist entscheidend geworden, um an den Entwicklungen teilzuhaben und unsere Arbeitsfähigkeit, unsere „employability“, zu erhalten. In vielen Bereichen liegt es in unserer eigenen Verantwortung zu erkennen, welche Entwicklungen sich auf das (Arbeits-)Leben auswirken und wir diese konkret nutzen. In der Zukunft wird es die große Kunst sein zu wissen, was zu erlernen lohnt und was nicht.
Grundlegend ist es, unsere eigenen Talente und die der Kollegen und Mitarbeiter zu entdecken und zu kennen. Nur dann wissen wir bei Bedarf, welche Kompetenzen wir zur Verfügung haben. Schätzungsweise ein Drittel der Potenziale, die Mitarbeiter in die Unternehmen tragen, bleiben heute unerkannt und ungenutzt.
So, wie das Weltwissen in einer fast unvorstellbaren Geschwindigkeit zunimmt, beherrscht schon lange niemand mehr alleine das gesamte Fachwissen in einem bestimmten Bereich. Wir können uns entscheiden in einem Themenbereich extrem gut zu sein oder den Fokus bewusst auf das „Big Picture“ zu legen. Welchen Weg wir auch gehen, zu den neuen Kernkompetenzen gehört immer eine ausgeprägte Fähigkeit zur Kommunikation und Kollaboration.
In einigen Bereichen wird, bedingt durch die kurze Halbwertzeit von Fachwissen, der faktische Erwerb von Wissen immer unwichtiger. Stattdessen gewinnt für uns an Bedeutung, das richtige Wissen schnell zu finden und anwenden zu können.
Um uns für die damit verbundenen Anstrengungen zu motivieren, brauchen wir Kontext. Wir können nur dann den, für die Verankerung des Wissens so wichtigen emotionalen Bezug herstellen, wenn uns die Bedeutung des Lerninhalts auf ganz persönlicher Ebene klar ist. Dann kann man in jedem Alter alles Lernen, wie Prof. Dr. Gerald Hüther am Beispiel des 85-Jährigen erläutert, der aus sehr emotionalen Gründen chinesisch lernen will. Durch die Ergänzung von Wissen mit unseren persönlichen Erfahrungen gewinnt es an Anpassungs- und Anwendbarkeit und wir entwickeln echte neue Kompetenz.
Um auf organisationaler Ebene für kontinuierlichen Nachschub an Wissen zu sorgen, die Lernbereitschaft aller optimal zu unterstützen und einen kollaborativen Wissensaufbau zu verbessern, brauchen wir ein wachsendes Angebot an echten Lernräumen. Damit verändern wir die Aufgabe und Rolle von Führung: ermöglichen, Talent erkennen und als Coach und Mentor fördern, sind einige der neu geforderten Eigenschaften.
Wie die Universität Chicago nachgewiesen hat, hängt unser Lernerfolg auch direkt von unserem Umfeld und dem Engagement dieses Umfelds ab. Die Unterstützung und das Interesse von Kollegen, Familie und Freunden macht Lernen für uns leichter und bestärkt das Gefühl der Bedeutsamkeit des Gelernten für uns und unser Umfeld. Gelingt es uns unsere Umwelt, zum Beispiel durch die Nutzung sozialer Medien, in den Lernprozess einzubeziehen, kann dies unseren Lernerfolg deutlich erleichtern und vergrößern.
Wenn viele gleichzeitig lernen, lohnt es, gemeinsam mit den übrigen Lernenden in die Diskussion über das „Warum“ und das „Wie“ gehen. Diese Diskussion erzeugt gegenseitiges Verständnis und öffnet den Raum für eine neue Lern-Kultur. Mit dem gemeinsamen Grundverständnis, verbunden mit der Erkenntnis über die Unterschiedlichkeit von Lerngeschwindigkeiten und Lerninteresse, können wir auch Misserfolge leichter verkraften. Ganz im Sinne von Thomas A. Edisons „Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man keine Glühbirne baut.“
Im so geschaffenen Lernraum entsteht interaktiver Freiraum, insbesondere auch über Organisationsgrenzen hinweg. Dazu müssen wir unsere Geheimhaltungs- bzw. Offenheits- und Transparenzregelwerke überdenken. Neben mehr Wissen und Kompetenz können wir auf der Grundlage von mehr gegenseitiger Offenheit leicht neue Ideen für Kooperation und Innovation entwickeln.
Das Internet hat dafür gesorgt, dass Wissen keine Machtbasis mehr ist. Nun sorgt es dafür, dass „sharing“ in jedem Wissensbereich zu einem wesentlichen Hebel für Erfolg wird. Hier entsteht neben dem etablierten Bildungssystem ein immer breiteres informelles Bildungsangebot. Wir können jederzeit und von jedem Ort der Welt aus unsere Kompetenzen weiterentwickeln und vertiefen, zum Beispiel auch in ganz neuen Arbeitsbereichen, zu denen noch keine formalen Stellenbeschreibungen existieren. Das bislang bereits so wichtige “Training on the job” wird damit um das “Training on the web” ergänzt, wobei hier deutlich mehr unsere persönlichen Interessen zum Tragen kommen können.
Die Möglichkeiten, autodidaktisch Wissen zu erlangen, nehmen ebenfalls in rasantem Tempo zu. Für unsere Organisationen wächst damit die Herausforderung unsere neuen Fähigkeiten zu verstehen, zu akzeptieren und gezielt einzusetzen – oft auch ohne, dass wir den formalen Nachweis antreten zu können. Clevere Wege Kompetenz bereits im Recruiting zu erkennen, zum Beispiel durch frühe Fachgespräche oder Arbeitsproben, sind gefragt.
War früher in Schulen und Weiterbildungsseminaren Frontalunterricht üblich, so ist das Feld der Lernmethodiken heute deutlich breiter geworden. Gruppenarbeit in Workshops, der Austausch mit dem Trainer und insbesondere auch untereinander, hilft uns, das neue Wissen zu vertiefen und zu verifizieren. Heute geschieht dies zum Beispiel in MOOCs bei denen Lerninhalte über Online Plattformen vorgestellt und dann gemeinsam im analogen und digitalen Austausch weiter erarbeitet werden.
Spielen während der Arbeitszeit? Was früher verpönt war, ist heute nicht mehr nur geduldet oder erlaubt, es ist inzwischen immer mehr gefordert. Serious Games, mit dem derzeit wohl bekanntesten Beispiel „LEGO Serious Play®“, wie auch Mobile Learning, das Lernen auf dem Smartphone und Tablet, gehören heute schon zum Alltag.
Noch intensiver – weil nicht nur auf Lernen, sondern auch auf die Motivation abzielend ist das Konzept der „Gamification“. Hier werden Motivationselemente, die wir aus dem Bereich des Spielens längst kennen, genutzt, um lernen und arbeiten so auszugestalten, dass von innen heraus Motivation entsteht dran zu bleiben und besser zu werden.
Reflexionsfragen
Individualebene
- Welche Lerninhalte aus meiner Ausbildung kann ich noch heute im Arbeitsalltag anwenden?
- Welche Themen interessieren mich am meisten und machen mir das Lernen leicht?
- Wo habe ich Lücken, die ich gerne füllen würde, um meine Potenziale weiter zu entfalten?
- Welche analogen und digitalen Lernmöglichkeiten liegen mir? Wo möchte ich Neues ausprobieren?
Organisationale Ebene
- Wie können wir für unsere Mitarbeiter eine optimale Lernumgebung schaffen?
- Welche Themen sind interessant?
- Können wir mit anderen Unternehmen gemeinsame Lernprojekte / Lerninseln verwirklichen?
- Welche Lernmöglichkeiten und Lernwege könnten unsere Mitarbeiter nutzen? Wie können wir sie dabei unterstützen?
- Wie können wir als Organisation neues Lernen lernen?
Anmerkung des Autors: Dieser Text ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Buch „ArbeitsVisionen2025“.
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