Ivan Zubcic: Ein Mann, wie ein Baum

Ivan Zubcic: Ein Mann, wie ein Baum

Ist er ein treuer Malocher, eine bodenständige Führungskraft oder der Nachfahre einstiger Gastarbeiter aus Kroatien, der sich als fürsorglicher Vater Gedanken über die Zukunft seiner Töchter macht? Ivan Zubcic ist ein Mann, der mit beiden Füßen verwurzelt ist und mit seinem Kopf nach Freiheit sehnt. Ein Porträt über einen Mann, der wie ein Baum ist.

#leanmagazin
Podcast, 30. Januar 2023 um 04:30 Uhr in LeanMagazin von LKB Redaktion*)


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Ein Baum ist ein Holzgewächs. Er besteht aus Wurzeln und einem Stamm. An seinen weitverzweigten Ästen hängen Blätter, und wenn er im Sommer Früchte trägt, blühen kurzweilig die schönsten Blüten, die man sich vorstellen kann. Ein Baum nimmt für den Menschen gefährlichen Kohlendioxid auf und gibt für ihn den lebenswichtigen Sauerstoff ab. An heißen Tagen spendet er Schatten. Manche Verliebte verewigen ihren Namen in der Baumrinde, auch wenn es ihm eigentlich schadet.

Sohn kroatischer Gastarbeiter

So sehr ein Baum zur Ästhetik des menschlichen Lebensraums beiträgt, erkennt man an seinem Äußeren in der Regel nicht, wie es ihm geht. Dafür muss man ihn fällen. Seine Jahresringe verraten nicht nur, wie alt er ist. Anhand der Dicke und Dichte der Ringe erkennt man, die guten und schlechten Jahre.

Ivan Zubcic ist solch ein Baum. Hinter seinem dichten Bart verbergen sich ein bewegtes Leben und ein tiefes Gemüt, dessen Wurzeln tief im Erdreich verankert sind. Er ist der Sohn kroatischer Gastarbeiter, die einst nach Deutschland kamen, um das Glück für die Familie zu suchen. „Ich bin im Dorf aufgewachsen. Da fällt man als Ausländerkind auf. Es war nicht leicht. Ich glaube, dass ich deswegen gerne in der Stadt lebe.“

„In der Schule wirst du für deine Fehler bestraft“

Gleichzeitig reicht Ivans Baumkrone ganz hoch in den Himmel. Dort oben sitzen seine Kinder. „Meine große Tochter ist gerade bei der Auswahl für das Gymnasium. Als Gastarbeiter kennt man ja, dass der Drang nach sehr guten Noten stark ist. Man wünscht sich, dass die Kinder studieren. Aber im Moment stehe ich mit mir selbst im Konflikt.“

Einerseits möchte Ivan, dass seine Kinder in eine gute Zukunft blicken. Andererseits befürchtet er, dass das Bildungssystem ihnen die Chance raubt, sich selbst zu entdecken und zu verwirklichen. „In der Schule wirst du für jeden Fehler bestraft. Dabei sollen die Kinder aus den Fehlern lernen. Ich kann damit leben, wenn ich für meine Fehler kritisiert werde. Für meine Kinder ist es mir aber wichtig, dass sie machen, was sie wollen. Die Welt ist schließlich so groß und es gibt so viel zu entdecken.“

Familie in den Vordergrund rücken

Ivan ist ein Malocher. „Ich bin durch und durch ein Produktioner. Es steckt mir einfach im Blut.“ Als Jugendlicher hat er in den Ferien in derselben Fabrik, wie seine Großeltern und sein Vater gearbeitet. Um sechs Uhr morgens aufstehen und bis 18 Uhr durcharbeiten, ist für ihn kein Problem. „Nur weil man hustet oder die Nase läuft, stellt man die Arbeit nicht ein. Andere warten und verlassen sich auf dich.“ Es sind aber nicht nur seine Kinder, die ihn ins Grübeln bringen. Dabei hinterfragt er nicht nur sein eigenes Arbeitsleben. Seine Koordinaten im Kopf und Herzen haben sich nämlich im Grundsatz verschoben.

„Ich bin mir sicher, dass wir ziemlich nah an der optimalen Arbeitswelt sind. Ich möchte nicht dieses Wort Work-Life-Balance benutzen. Mir ist es wichtig, dass die Familie in den Vordergrund rückt.“ Mit Familie meint Ivan nicht nur seine Leibliche, sondern schließt auch die Menschen in der Betriebsstätte ein. Schließlich verbringt er mehr Zeit mit ihnen als mit seiner eigenen Familie. Ein solcher Blick verändert die Wahrnehmung. Wenn die Kolleginnen und Kollegen Teil einer Familie sind, dann herrscht man sie nicht an, sondern vertraut, dass jedes Familienmitglied seinen Teil leistet. „Und das ist mir wichtig: Jeder trägt Verantwortung für den anderen. Mich haben Chefs abgeschreckt, die immer alles besser wussten und alles besser konnten.“

Anderen helfen, sich selbst zu befähigen

Als Director of Operations bei Rite-Hite ist Ivan selbst eine Führungskraft. „Wenn ich anfange, meinen Kolleginnen und Kollegen ‚Bitte mach das oder jenes‘ zu sagen, dann ist es für mich ein Warnsignal, dass ich etwas falsch mache.“ Er sieht sich als Mentor, als Coach, als Impulsgeber und „als Spiegelhalter“, also als jemand, der anderen hilft, die eigene Arbeit kritisch zu reflektieren und sich selbst zu befähigen.

Er hat in jungen Jahren seine Chance ergriffen, in Kanada in einem Industriebetrieb zu arbeiten. Dass er nicht fließend Englisch sprach, war kein Hindernis. Es passte sogar in das Jobprofil. „Mein Produktionsenglisch war absolut ausreichend. Wenn man in die kanadischen Betriebe reinschaut, findet man überwiegend Einwanderer. Vietnamesen, Rumänen und viele andere Nationalitäten waren dort vertreten. Deswegen bin ich mit meinem gebrochenen Englisch gut durch die fünf Jahre gekommen.“ Die Arbeit dort prägte ihn gleich mehrfach. Die Arbeit war körperlich anstrengend, aber daran war er ja gewohnt. Weit schlimmer fand er, dass er keinen Mentor hatte, der ihm zur Seite stehen konnte.

Der Mensch kann den Vorteil ausmachen

Er hat das gemacht, was von ihm gefordert wurde: zu produzieren, was das Zeug hält. „Und der Mensch war Nebensache.“ Eine Erfahrung, die ihn sichtbar schmerzte. Heute kommt für ihn der Mensch an erster Stelle. In Kanada erlebte er zu deutlich, dass Technik und Prozesse den Takt eines Industriebetriebs vorgeben. Gleichzeitig erkannte er, dass keine Technik und keine Prozesse ohne den Menschen nichts wert sind. So entdeckte er für sich die Kata-Philosophie, die ihn prägte.

„Wenn zwei Personen jeweils fünf Millionen Euro besitzen, dann können beide die gleiche Maschine kaufen. Keiner kann von sich behaupten, einen Vorteil zu haben. Aber ein Mensch, der für sie arbeitet, kann den Unterschied machen. Indem ich den Menschen einbinde, ernst nehme und herausfordere, kann er mir einen Vorteil bringen.“ Entsprechend ist sein wichtigstes Ziel, Talente nach Volkmarsen, dem Hauptsitz von Rite-Hite zu holen. „Obwohl wir sehr weit abgelegen sind, möchte ich die Besten zu uns locken. Am liebsten möchte ich einen Glaskasten hinstellen, sodass jeder auf der Autobahn hineinschauen kann, wie es bei uns läuft. Wir haben hervorragende Leute. Wir wollen aber wachsen und benötigen daher mehr Talente.“ Daher ist er stolz, dass Rite-Hite mit „Great Place To Work“ ausgezeichnet wurde.

Wenn Ivan sein bisheriges Wirken zusammenfasst, dann erinnert er sich an Weisheiten von Menschen, die ihn inspirieren, wie der Buchautor und Unternehmensberater Simon Sinek, der sagte: Progress is more important than perfection. Kann es einen besseren Beweis geben, dass Ivan ein Mann wie ein Baum ist, weil er jeden Tag ein Stück wächst?

*) Mit der Erstellung dieses Textes wurde von uns das futureorg institut beauftragt, welches wiederum Herrn Kamuran Sezer hiermit beauftragt hat.



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