Führungstool für unsere neue Arbeitswelt ...

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... das interne Touchpoint Management

#leanmagazin
15. Januar 2021 um 04:30 Uhr in LeanMagazin von Anne M. Schüller


Unternehmen können nur dann erfolgreich sein, wenn sie die Intelligenz, die Kreativität und die volle Schaffenskraft von Toptalenten für sich gewinnen. Passende interne Rahmenbedingungen und eine moderne Führungskultur sind unausweichlich, damit die Zukunft erreicht werden kann. Das interne Touchpoint Management unterstützt diesen Wandel.


Die zunehmende Digitalisierung hat nicht nur das Kaufen und Verkaufen, sondern auch die Arbeitswelt grundlegend verändert. Heute entscheiden vor allem die eigenen Kunden darüber, ob neue Kunden kommen und kaufen. Und die eigenen Mitarbeiter entscheiden maßgeblich mit, wer die besten Talente gewinnt. Dies erfordert eine humanisierte Unternehmenskultur, einen kollaborativen Managementstil und einen Rückbau von Ressourcen-Verschwendung, die durch Command & Control verursacht wird.

Dies fordern nicht nur die Millennials vehement ein. Neue Führungsmodelle sind schon allein deswegen unumgänglich, weil es neben einer Kernbelegschaft in herkömmlichen Arbeitsverhältnissen bald immer mehr Mitarbeitende ohne klassischen Arbeitsvertrag gibt: Zeitarbeiter, Freelancer, Interim Manager, Projektspezialisten, Geschäftspartner, Lieferanten – und sogar Kunden. Zunehmend werden Unternehmen zu Netzwerkgebilden und von „Kollaborateur-Satelliten“ umkreist.

Das Collaborator Touchpoint Management

Das Collaborator Touchpoint Management, auch internes Touchpoint Management oder Mitarbeiterkontaktpunkt-Management genannt, betrachtet zum einen die „Candidate Journey“, also die „Reise“ eines Bewerbers durch den Bewerbungsprozess und zum anderen die „Employee Journey“, also die „Reise“ eines Mitarbeiters durch das Unternehmen. Aus dem Blickwinkel von Kandidat oder Arbeitnehmer heraus propagiert es optimierte Vorgehensweisen. Es berücksichtigt die Anforderungen an unsere neue Arbeitswelt. Und es ordnet deren zunehmende Komplexität in ein Gesamtsystem.

Ziel des insgesamt vierstufigen Prozesses ist die Koordination aller Berührungspunkte zwischen Mitarbeitenden, Führungskräften und Organisation, um die Interaktionsqualität zu verbessern, inspirierende Arbeitsplatzbedingungen zu gestalten und – im Rahmen eines wertschätzenden Klimas – ansprechende Leistungsmöglichkeiten zu schaffen. Hierbei kann jede Interaktion als Chance genutzt werden, die Exzellenz der Mitarbeiter zu erhöhen, ihre emotionale Verbundenheit zum Unternehmen zu stärken, ihre Selbstorganisation zu fördern und positive Mundpropaganda auszulösen.

Dazu arbeitet die Führungsmannschaft abteilungsübergreifend und mit Blick auf den kontinuierlichen Wandel. Alle Beschäftigten werden auf das Wohlergehen der Kunden ausgerichtet. So erhöht die intensive Auseinandersetzung mit jedem einzelnen internen Touchpoint nicht nur die Mitarbeiterperformance, sie führt auch zu Zeit- und Kosteneinsparungen, zu einer Stärkung der Arbeitgebermarke, zu einer höheren Kundenloyalität, zur Neukundengewinnung durch Weiterempfehlungen und damit zu gesunden Erträgen. Am Ende des Weges steht eine Organisation, die hocheffizient ist – und zutiefst human.

Schritt 1: die Ist-Analyse

Im Collaborator Touchpoint Managements werden zunächst alle Interaktionspunkte gesichtet, die zum Beispiel ein Mitarbeiter im Rahmen der Zusammenarbeit mit einer Führungskraft hat oder haben könnte. Dabei gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Arten:

  • direkte Kontaktpunkte (Mitarbeitergespräch, Gruß auf dem Flur, Meeting usw.)
  • indirekte Kontaktpunkte (E-Mail, Arbeitsanweisung, schriftliche Ermahnung usw.)

Besonders aufschlussreich wird eine Employee-Journey, wenn man sie in die Phasen „Kommen“, „Bleiben“ und „Gehen“ unterteilt. Dabei werden zum Beispiel in der Kommen-Phase alle Interaktionspunkte gelistet, die in Zusammenhang mit der Neueinstellung entstehen (Onboarding-Journey). Weil das Touchpoint Management alle Prozesse durch die Brille des Arbeitnehmers sondiert, können bestehende Missstände schnell aufgedeckt und abgestellt werden. Das gleiche gilt für die Gehen-Phase (Offboarding Journey), die aus Sicht scheidender Mitarbeiter in vielen Unternehmen sehr suboptimal läuft.

Sind die jeweiligen Touchpoints detailliert aufgelistet, dann werden die Erlebnisse, die ein Mitarbeiter dort hat oder haben könnte, den Kategorien „enttäuschend“, „okay“, oder „begeisternd“ zugeordnet. Dabei geht es sowohl um die kritischen Ereignisse als auch um die positiven Geschehnisse, die ihm dort widerfahren – oder im schlimmsten Fall widerfahren könnten. Hilfreiche Fragen dabei:

  • Was erwartet ein Mitarbeiter an diesem Touchpoint? Und was nicht?
  • Welcher (akute) Handlungsbedarf ergibt sich aus Sicht der Mitarbeiter?
  • Und was hat uns bislang daran gehindert, das Notwendige zu tun?

Auch wenn unangenehm, über die letzte Frage muss unbedingt gesprochen werden. Denn erst, wenn die wahren Ursachen für Handlungsblockaden offen liegen, lässt sich etwas dagegen unternehmen. Damit danach das Ausmerzen der Minderleistungen gezielt in Angriff genommen und als Herausforderung gesehen werden kann, macht es Sinn, diesem Prozess klingende Namen zu geben. Heike Bruch vom Lehrstuhl für Führung und Personalmanagement der Uni St. Gallen schlägt folgende vor: „Den Drachen besiegen“ oder „Die Prinzessin vom Eis holen“.

Übrigens können die Mitarbeiter durch entsprechende Fragen aktiv in diese Analysephase mit eingebunden werden. Meine Lieblingsfrage in diesem Zusammenhang ist die „Gewissensfrage“, und die geht so: „Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns zu …. sagen?“

Schritt 2: die Soll-Strategie

Im zweiten Schritt geht es um das Definieren der angestrebten Ziel-Situation und das Sondieren adäquater Vorgehensweisen an den Interaktionspunkten, die man für die anvisierten Mitarbeitergruppen optimieren will. Folgende Fragen lassen sich beispielhaft stellen:

  • Wie können wir über alle Leistungsbereiche hinweg ein gemeinsames Führungsverständnis für die wichtigsten Mitarbeiter-Touchpoints entwickeln?
  • Wie können wir veraltetes Führungsvorgehen schnellstmöglich auf einen zukunftsfähigen Stand bringen?
  • Wie können wir sämtliche Recruiting-Touchpoints an die Erfordernisse der Digital Natives anpassen?
  • Wie können wir uns von veralteten Strukturen, Standards und Prozessen lösen und Netzwerkstrukturen in unserem Unternehmen schaffen?
  • Wie können wir die Treue unserer Mitarbeiter fördern und uns so vor kostspieliger Mitarbeiterfluktuation schützen?
  • Wie können wir unsere Mitarbeiter zu aktiven positiven Botschaftern machen, und welche Touchpoints eignen sich besonders dazu?
  • Wie können wir unsere Mitarbeiter in operative wie auch strategische Entscheidungen effizient miteinbeziehen?
  • Wie lässt sich der Ideenreichtum unserer Mitarbeiter weiterentwickeln, für passende Touchpoints nutzbar machen und adäquat speichern?
  • Wie können wir an den einzelnen Kontaktpunkten mit nichtmonetären Begeisterungsfaktoren arbeiten, um das Wollen zu fördern?
  • Wie können wir uns von der Silodenke lösen und eine auf Dauer ausgerichtete Kundenfokussierung bereichsübergreifend erreichen?
  • Wie können wir mit dem Aufbau eines Touchpoint Managements in unserer Firma zügig beginnen?
  • Wie können wir die Summe der Touchpoints so optimieren, dass wir bei Arbeitgeber-Wettbewerben vorderste Plätze belegen?

Auf Basis dieser und weiterer relevanter Fragen werden nun die spezifischen Mitarbeiter-Touchpoint-Ziele bestimmt. Die Definition von Personas, das sind zielgruppentypische Prototypen einer Mitarbeitergruppe, kann dabei sehr hilfreich sein. Insgesamt geht es sowohl um die Do’s als auch um die Dont’s, also darum, was erwünscht und was unerwünscht ist.

Schritt 3: die operative Umsetzung

In diesem Schritt geht es um die Planung und Umsetzung passender Maßnahmen, die von der analysierten Ist-Situation zur gewünschten Soll-Situation führen. Folgende Fragen sind dabei zu bearbeiten:

  • Wer macht was ab/bis wann mit welchem Budget?
  • Welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden?
  • Welche Zeitlinien sind dabei sinnvoll und machbar?
  • Wie lassen sich die erzielten Ergebnisse messen?

Dies kann im kleinen Kreis oder auch im Rahmen von Großgruppen-Events gemeinsam geplant und anschließend umgesetzt werden. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Wählen Sie ein Thema, das sowieso schon allen auf den Nägeln brennt. Oder fangen Sie mit wenigen wichtigen Touchpoints an. Oder wählen Sie einen „Quick win“ zum Start, also eine Maßnahme, die schnelle Resultate verspricht. Folgeeffekte stellen sich danach meist wie von selbst ein.

Schritt 4: Monitoring und Optimierung

In diesem Schritt geht es um das Ermitteln der Ergebnisse an den einzelnen Mitarbeiter-Touchpoints zwecks Optimierung der Führungsarbeit. Folgende Fragen lassen sich stellen:

  • An welchen Kriterien wollen wir unsere verbesserte Touchpoint-Performance messen?
  • Welche Kennzahlen wollen wir dazu auf welche Weise wie oft und für wen erheben?
  • Wie wird das gewonnene Wissen dokumentiert und gemeinsam besprochen?
  • Welche Monitoring-Tools sind sinnvoll und können unkompliziert eingesetzt werden?
  • Wer leitet wann und wie die fortlaufend notwendigen Prozessverbesserungen ein?

Touchpoint-Maßnahmen sollten vor allem mittel- und langfristig positive Auswirkungen auf die mitarbeiterbezogenen Kennzahlen haben, zum Beispiel auf die durchschnittliche Bleibedauer, die Fluktuationsrate, die Kranktage, die Burnout-Rate und die Mitarbeiterproduktivität.

Und kurzfristig? Da stellen Sie den Mitarbeitern – am besten schriftlich – folgende Fragen:

  • Auf einer Skala von 0 bis 10: Würden Sie sich heute wieder für unser Unternehmen entscheiden? Und wenn ja, aus welchen Hauptgründen? Und wenn nein, weshalb nicht? Was läuft bereits gut? Und was fehlt uns ganz konkret, um einen (noch) höheren Wert zu erreichen? Haben Sie dazu eine schnell umsetzbare Idee?
  • Auf einer Skala von 0 bis 10: Würden Sie unser Unternehmen an einen interessierten Arbeitssuchenden weiterempfehlen? Und wenn ja, aus welchen Hauptgründen? Und wenn nein, weshalb nicht? Was läuft bereits gut? Und was fehlt uns ganz konkret, um einen (noch) höheren Wert zu erreichen? Haben Sie dazu eine schnell umsetzbare Idee?

Die aus den Skalenwerten abgeleiteten Kennzahlen zählen zu den wichtigsten Leistungsindikatoren im Mitarbeiterbereich. Speziell durch die Zusatzfragen – und weil die Befragten durch begleitendes Erzählen oft zusätzliche Anregungen einbringen – ergeben sich sehr rasch jede Menge Ansatzpunkte, um weitere Verbesserungen zügig in Angriff zu nehmen.



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