Immer Ärger mit den Mitarbeitern
Kinder und Narren sagen die Wahrheit, heißt es im Volksmund. Kinderarbeit ist hierzulande gesetzlich verboten. Wo aber sind die Narren, die auf den Chefetagen offen und unverblümt ihre Meinung sagen?
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Einsicht ist die unabdingbare Voraussetzung für Veränderung.
Allerdings: es reicht nicht aus, Mitarbeitende zu überzeugen und die Bereitschaft für Veränderungsprozesse zu wecken. Häufig sind es persönliche Barrieren und Blockaden, die überwunden werden wollen, um Flexibilität und Kreativität, partnerschaftliches Miteinander und Teamfähigkeit im praktischen Verhalten zeigen zu können.
Eine uralte Kommissweisheit kommt damit durch die Hintertür zu ungeahnten neuen Ehren: solange die Truppe offen meckert, geht es ihr gut. Und gutgehen muss es der Unternehmenstruppe, wenn sie gewinnen will. Will, wohlgemerkt. Nicht soll.
Damit wird deutlich, dass das geistige Gepäck, das die meisten Unternehmen mit sich tragen, für den Weg in die Zukunft noch komplettiert werden muss. Das Hauptproblem der Mehrzahl der Unternehmen ist ihre Unfähigkeit etwas auszuprobieren, und, was unabdingbare Voraussetzung dafür ist, mit Rückschlägen umgehen zu können, sie nicht nur zu verkraften, sondern sie gezielt kreativ-lernend zu verwerten. Es ist diese Zangenbewegung, die die Betriebe zu zerquetschen droht.
Werte wie Selbstständigkeit, Selbstverantwortung und Individualität haben Unterordnung und Gehorsam abgelöst.
Wer Flexibilität, Kundennähe und die ständige Weiterentwicklung des Unternehmens zu elementaren Bestandteilen erhebt, der muss dies auch in seinem Personalmanagement überdeutlich umsetzen. In einer solchen Struktur finden sich die besten Mitarbeiter wieder und sind gewillt, ihre Leistungsfähigkeit und ihr Wissen in das Unternehmen einzubringen. Kreativität, Experimentierfreude und kooperative Arbeitsformen dienen darin nicht nur der erfolgreichen und befriedigenden beruflichen Tätigkeit. Sie sind auch die Quellen für Innovation, Verbesserungen und den wirtschaftlichen Erfolg. Zur optimalen Nutzung vorhandener Fähigkeiten gehört auch, Fehlzeiten und Krankenstände systematisch zu hinterfragen. Zu mehr Transparenz tragen auch Personalbilanzen bei, um Verbesserungsprozesse plastisch und nachvollziehbar darzustellen.
Innovation wird in Zukunft vor allem eine soziale Innovation sein müssen, das heißt, eine umfassende Verhaltensänderung bei Führungskräften und Mitarbeitern. Diese soziale Innovation wird sich nicht auf Firmen beschränken, sie wird für die gesamte Gesellschaft notwendig. Die Fragen, die sich stellen lauten: beherrschen wir das Management der weichen Faktoren? Wie gehen wir mit uns selbst um? Wie gehen wir mit unseren Mitarbeitern um? Wie wollen wir die Organisationsproduktivität erhöhen?
Eine altbekannte Tatsache rückt damit wieder stärker ins Bewusstsein: unternehmerisches Handeln ist nur mit den Mitarbeitern möglich. Eine zweite Erkenntnis betrifft die Neuorientierung und Veränderung selbst. Bisher wurde Produktivität fast immer nur in der Produktion und Kostenstruktur verbessert. Kaum jemand richtete seine Aufmerksamkeit auf die Produktivität von Organisation und Organisationsstrukturen. Es wird deshalb auch sehr schnell deutlich, dass die Produktivität von Bürokratien oder festgefahrenen, verkrusteten Strukturen gering sein muss. Die Organisationsproduktivität verbessern heißt, die Aufmerksamkeit auf die Mitarbeiter und deren Können zu lenken, deren Zusammenarbeit zu verbessern und produktiver zu gestalten. Dazu taugen aber die traditionellen Managementmethoden nicht.
Verhindert der Erfolg von gestern den Erfolg von morgen?
Viele bislang erfolgreiche Führungskräfte, aber auch Mitarbeitende müssen dabei lernen, über ihren eigenen Schatten zu springen, und akzeptieren, dass ihre Erfolgsrezepte von früher kein Garant für die Zukunft sind. Lernen in Unternehmen und im Management bedeutet, ein neues Verständnis für ein Miteinander, wie es uns viele Kreisläufe in der Natur vormachen, zu entwickeln. Bislang bleiben die Kompetenz und der Ressourcenreichtum des Mitarbeiterpotentials weitgehend ungenutzt.
Anstatt sich mit den menschlichen Partnern zu beschäftigen, mit ihnen zu plaudern, zu diskutieren und zu spielen, bevorzugen Erwachsene und Kinder immer häufiger den technischen Partner Computer als Interaktions- und Spielgefährten. Diese Entwicklung wirkt sich auch im Unternehmen aus und findet dort seine Fortsetzung. Das Management hat mit dem Computer einen qualitativ neuen und völlig anders gearteten Kommunikations- und Interaktionspartner gewonnen. Der Mensch-Maschine-Dialog hat für mich damit eine andere Dimension erreicht, oft auf Kosten der Mensch-Mensch-Kommunikation. Auch dagegen gibt es ein einfaches Rezept, das sich oft mit dem Schlagwort Management-by-walking-around verbindet, aber deswegen noch lange nicht umgesetzt wird. Meistens werden so die nächsten Fehler bereits programmiert, und der Pendel- oder Reparaturkreislauf beginnt von vorne, nur mit anderen Vorzeichen.
Meines Erachtens liegt der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens im Umgang mit den Menschen. Da hilft kein Programm, egal ob es Lean Production, Business Reengineering oder TQM heißt. Entscheidend ist einzig und allein der Umgang miteinander.
Braucht lean einen neuen Manager-Typ?
Flache Hierarchien sind keine Selbstläufer, wenn die Bereichsgrenzen nicht in den Köpfen beseitig werden. Sie werden sogar zum Hemmnis, wenn nicht mehr Verantwortung und Entscheidungsfreiheit an untere Ebenen delegiert werden. Wenn Führungskräfte auf mittlerer und unterster Ebene nicht die notwendige Reife und Erfahrung, nicht das notwendige Wissen für sachgerechte Entscheidungen haben, kommt es zu umfassenden Rückdelegationen, die häufig vorzufinden sind.
So sind viele Manager nach Japan gereist und haben erfahren, dass der Geist und Wille des Vermeidens von Verschwendung, der hinter den Lean-Techniken steht, sich nicht nur auf die Produktion erstreckt, sondern alle Funktionen des Unternehmens umfasst. Allzu oft betrachtet man diese neue Managementkonzeption nach dem Motto, wie man ganz schnell zu geringsten Kosten und möglichst ohne Änderung des eigenen Denkens und Verhaltens die Früchte einer höheren Produktivität ernten kann. Leider vererbt sich diese Einstellung, indem sich die Mitarbeiter dann nicht mit den Zielen ihrer Meister oder Schichtleiter identifizieren. Sie tun ebenfalls nicht mehr als das Notwendigste. Man hat kein Vertrauen zueinander.
Jede Organisation, das Unternehmen, der Sportklub, der Karnevalsverein und mit Abstrichen auch die Familie – befinden sich ständig zwischen diesen zwei Extremen: der absoluten Ordnung, dem Zustand völliger Stabilität, und dem Chaos, dem Moment, in dem alles möglich ist und eine völlige Flexibilität herrscht. Jede Firma hat eine Tendenz zur Ordnung – keine Struktur ist darwinistischer, keine fördert mehr den Fitten. Demgegenüber begünstigen verflüssigte Strukturen die inneren Konkurrenzen und sind manchmal Nährboden für heftige Machtkämpfe. Dafür haben Franzosen eine bildhafte Prozessbeschreibung: un panier de crabes – ein Korb voller Krebse; alle kneifen sich, um höher oder gar herauszukommen. Warum richten sich Unternehmen jetzt nicht bequem in dem für sie natürlichen Zustand der Bürokratie und Hierarchie ein?
In einer chaotischen Welt, zum Beispiel einem Dorfplatz, habe ich die verschiedensten Möglichkeiten, bin – jedenfalls theoretisch – hoch flexibel: ich kann anfangen, Leute zu interviewen, Blumen zu verkaufen, Purzelbäume zu schlagen, ein Buch zu lesen oder zu predigen. In dem Moment jedoch, wo ich diesen Dorfplatz organisationell strukturiere und zum Beispiel eine Fabrik errichte, wird das Verhalten von mir zu meinen Nachbarn berechenbar. Der Chef und meine Kollegen können erwarten, dass ich nicht versuche, sie von den Vorzügen des Buddhismus oder der Brillanz meiner Turnkünste zu überzeugen. Das ist unser Versuch, Anregungen aus Coworking Prinzipien in den Arbeitsalltag zu übernehmen!
Während früher unser Unternehmen fast identisch war mit unseren Standorten, an denen produziert wurde, findet jetzt immer mehr Wertschöpfung direkt beim Kunden außerhalb des Stammhauses statt. Der klar definierte Arbeitsplatz, der garantierte, die Mitarbeitenden immer am gleichen Ort zu finden, ist der Aufforderung gewichen, dass sich die Mitarbeiter dort aufhalten, wo sie gebraucht werden. Die Stellen, die früher die genaue Lokalisierung von Funktionen in unserer Unternehmensgruppe waren, sind einer prozessorientierten Arbeitsorganisation gewichen. Unsere propagierte Abschaffung des Satzes: dafür bin ich nicht zuständig, rufen Sie doch meinen Kollegen an – ist letztendlich die Aufforderung an alle Mitarbeitenden, bei Problemen direkt Kontakt zu Kunden und Lieferanten aufzunehmen.
Es reichte eben nicht aus, Hierarchieebenen, Abteilungen und die Anzahl von Produkten zu zählen, um die Komplexität unseres Unternehmens zu bestimmen. Die auf den ersten Blick einleuchtende Annahme, dass einfache Regeln und einfache Strukturen zur einfachen, niedrigkomplexen Organisation führt, ist trügerisch. Unser verzweifelter Kampf gegen Komplexitätstreiber richtete sich gegen das gleiche Phänomen, das Schach zu einem so hochkomplexen Spiel macht und den Tropfen auf der Oberfläche zu einem bizarren und einmaligen Muster formt: konkret erfuhren wir, dass jeder Versuch, Komplexität durch Lean Management oder Reengineering zu reduzieren, letztendlich zur weiteren Erhöhung der Komplexität führte. Jeder konnte und sollte mit jedem kommunizieren, verschiedene Positionen einnehmen und Kontakte zu anderen Teams aufnehmen. Je turbulenter unsere Umwelt, je labiler unsere Kommunikations- und Entscheidungswege und je offener und damit komplexer unsere internen Abläufe, desto stärker und verständlicher wurde wiederum das Streben nach klaren, einfachen Strukturen und Prozessen. Alle Aushandlungsprozesse werden heute nach offenen Coworking Auseinandersetzungen oder Makerspace Grundlagen gelöst.
Ein neuer Manager-Typ brächte uns verhängnisvollerweise hier Therapievorschläge wie Rightsizing oder Komplexitätsoptimierung, aber nicht den Stein der Weisen.
Denn die sinnorientierte Leistungsmotivation der Mitarbeiter kann man nicht wie Maschinen zur Automatisation kaufen; wir mussten sie uns über Jahre erarbeiten. Was wir von den Japanern lernen durften, ist ihr sowohl-als-auch. Sie setzen auf Gleichheit und Leistungsdifferenzierung, betonen sehr stark die Mitarbeiterproduktivität durch Leistungsmotivation, ohne auf Automatisation zu verzichten. Was uns früher fehlte, waren innerlich voll engagierte, voll konzentrierte, bewusst mitdenkende und mitverantwortende Mitarbeiter.
Wegen der bekannten Ungeduld der Macher auf deutschen Managementetagen, brauchen die Japaner vorerst wohl nicht zu befürchten, dass sie ein- oder gar überholt werden, denn mit Machertum gelingt dies alles nicht. Solange vielfach eine Ebene auf die Veränderung der anderen Ebene wartet, wird sich nichts Grundlegendes ändern. Die Japaner machen aus den Unternehmen, auch in ihren Fabriken in Übersee (Transplants), tendenziell überwiegend eine Sinn-Gemeinschaft, während für uns Deutsche das Unternehmen immer noch eher eine Zweck-Gemeinschaft darstellt. Das ist es. Und dabei sollte sich das Management als Person nicht so furchtbar wichtig nehmen.
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