Wie schätzen agile Teams ihre Aufwände? Was ist Planning Poker?

Wie schätzen agile Teams ihre Aufwände? Was ist Planning Poker?

Planning Poker ist eine Methode zum gemeinsamen Abschätzen von Aufwänden, die sehr gern von agilen Teams verwendet wird.

am 29. 01. 2024 von Jan Fischbach


Das Abschätzen von Aufwänden hilft bei der Planung der Arbeit. Teams (in IT-Projekten) könnten zählbare Dinge nehmen, z. B. die Anzahl der Anwender, die auf ein neues Gerät umgestellt werden müssen. Dann prüfen sie jede Woche, wie viele Dinge noch offen sind. Was machen wir, wenn wir keine zählbaren Dinge haben?

Wir wissen aus anderen Studien, dass Schätzungen auf reiner Zeitbasis nicht funktionieren. Der Fachbegriff dafür lautet Planungsfehlschluss. Bevor wir auf die Zeit kommen, müssen wir etwas Zählbares haben. Wenn wir eine Reise machen wollen, repräsentieren die Kilometer ein Maß für Arbeit. Je nachdem, welches Verkehrsmittel wählen, können wir abschätzen, wie viele Kilometer wir pro Stunde oder Tag schaffen.

Zwei Schätzmethoden

Agile Teams nutzen häufig zwei Schätzmethoden: Affinity Estimation und Planning Poker. In der ersten Variante legen wir die Beschreibungen aller Arbeitspakete (Product Backlog Items) auf einen Tisch. Die Teammitglieder versuchen Arbeitspakete mit vergleichbarem Aufwand zu finden und bilden Stapel. Viele Arbeitspakete lassen sich schnell bündeln, einige wandern wie von magischer Hand zwischen unterschiedlichen Stapeln hin und her. (Deswegen wird diese Methode auch Magic Estimation genannt.)

Dann werden den Stapeln Namen oder Größenklassen, aber keine Zeitgrößen zugeordnet. Grundsätzlich ist das Team frei in der Wahl der Skala. Man könnte z. B. Früchte (Blaubeere, Apfel, Kokosnuss) oder Tierarten (Maus, Hund, Elefant) nehmen, um den (relativen) Aufwand der Arbeitspakete untereinander auszudrücken. In der Praxis sehen wir häufig zwei Skalen: T-Shirt-Größen (XS, S, M, L, XL, XXL) und eine Quasi-Fibonacci-Folge (1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, usw. - eine Zahl ist jeweils die Summe ihrer zwei Vorgänger).

Alle Skalen, die keine Zahlen haben, sind beim Zusammenrechnen etwas unpraktisch. Wie viel Aufwand sind zwei Mäuse, ein Hund und ein Elefant zusammen? Daher setzt sich oft die Fibonacci-Folge durch. Wir sagen dann z. B., dass ein Arbeitspaket (ein Backlog Item) einen relativen Aufwand von 5 Einheiten hat. Wir könnten diese Einheit Story Points nennen. Sie sind keine Zeiteinheit, sondern wie Kilometer ein Maß für die Arbeit.

Wichtig: Wenn wir einmal mit dem Schätzen anfangen, müssen wir eine Referenz festlegen, die bis zum Ende der Arbeit gleich bleibt.

So geht Planning Poker

Beim Planning Poker bekommt jeder im Team, der sich an der Umsetzung beteiligt, einen Satz Karten mit den Zahlen der o. g. Fibonacci-Folge (1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 usw.). Diese Technik eignet sich besonders gut, wenn man schon ein paar Arbeitspakete (Backlog Items) geschätzt hat. Zudem brauchen wir eine oder mehrere Arbeitspakete, die wir als Referenz benutzen.

Sollen nun neue Arbeitspakete geschätzt werden, werden zunächst alle inhaltlichen Fragen geklärt. Danach wird geschätzt. Jeder im Team zieht verdeckt die Karte aus der Fibonacci-Folge, die für ihn am ehesten den Aufwand im Vergleich zur Referenz darstellt. Während des Schätzens soll es keine Bemerkungen wie "Das ist einfach" oder "Puh" geben, damit sich die Teammitglieder nicht beeinflussen. Wenn alle ihre Karte gezogen haben, werden alle Karten gleichzeitig aufgedeckt. Nun kann es folgende Situationen geben:

  • Alle haben die Karte mit dem gleichen Wert gezogen. Alle sind einig. Dieser Aufwandswert wird dem Arbeitspaket zugeordnet.
  • Alle Karten sind nicht weiter als drei benachbarte Werte auseinander, z. B. 3-3-5-5-8 oder 3-3-3-5-5-5. Dann gehen wir von einem gleichen Verständnis des Aufwandes aus. Wir fragen nach, welchen Wert wir notieren sollen, z. B. den Mittelwert oder den höchsten Wert.
  • Die Karten liegen zum Teil sehr weit auseinander, z. B. 1-3-3-3-5-21. In diesem Fall bitten wir die Personen, die am weitesten auseinander liegen, ihre Erkenntnisse zu teilen. Beim Austausch ergeben sich oft neue Hinweise. Jeder nimmt seine Karten wieder auf und es wird erneut geschätzt.

Wenn auch nach dem dritten oder vierten Mal immer noch kein gleiches Verständnis vorhanden ist, muss das Arbeitspaket überarbeitet werden. Warum ist eigentlich die Fibonacci-Folge so praktisch? Dazu gibt es einen Beitrag von Jeff Sutherland auf den Seiten der Scrum Inc. (siehe Why Do We Use Fibonacci Numbers to Estimate User Stories?).

Wie schätzt man Online?

Wenn alle Teammitglieder im gleichen Raum sind, kann man sich aus Pappe oder Blanko-Spielkarten mehrere Sätze von Karten gestalten. (Es gibt vorgedruckte Planning-Poker-Karten. Die sind aber oft sehr teuer.) Es gibt Teams, die können mit einer Hand schätzen (1, 2, 3, 5), wenn sie wissen, dass kein Arbeitspaket (Backlog Item) aufwändiger als 5 Einheiten ist.

Für Online-Meetings gibt es spezielle Schätzräume (einfach nach "Online Planning Poker" suchen). Es gibt aber eine ganz einfache Variante: Beim Schätzen gibt jeder seinen Schätzwert im Chat der Videokonferenz ein, wartet aber noch mit der Enter-Taste. Erst, wenn alle ihren Wert eingetragen haben, drücken alle gleichzeitig die Enter-Taste.

Wie wird der Aufwand geschätzt, bevor es ein Team gibt?

Häufig gibt es den Wunsch bei neuen Projekten, zunächst alle Arbeitspakete zu notieren und dann zu schätzen. Dieser Ansatz ist aufwändig. Außerdem schwanken die Werte, je weiter man von der Umsetzung entfernt ist (Stichwort: Cone of Uncertainty, dt. Konus der Unsicherheit).

Da in vielen Fällen jemand im Unternehmen bereits ein ähnliches Projekt gemacht hat, ist es viel einfacher, Werte aus der Vergangenheit heranzuziehen. Dazu suchen wir uns fünf vergleichbare Projekte aus der Vergangenheit: Wie viel Zeit ist wirklich zwischen Start und Abschluss vergangen? Wie viele Stunden wurden wirklich auf das Projekt gebucht? Wie viel Geld wurde wirklich in Rechnung gestellt?

Im Bereich der IT-Projekte ändert sich der Aufwand oft mit der Anzahl der aktiven Anwender und mit der Anzahl der wesentlichen Module. Es macht einen Unterschied, ob man ein System für 10 User oder für 10.000 User einrichtet. Es macht einen Unterschied, ob man nur Buchhaltungsprozesse abbildet oder eine ganze Fertigung begleitet.

Wir schauen uns in der Stichprobe die Anzahl der Anwender und die Anzahl der Geschäftsprozesse an und vergleichen dies mit dem neuen Vorhaben. (Stichwort: Reference Class Forecasting, dt. Referenzklassenprognose) Das ist dann die erste Basis für die weitere Planung. So geht das Schätzen schneller und die Werte sind oft genauer.

Bildquelle: Foto von Michał Parzuchowski auf Unsplash 



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