Eine bemerkenswerte Begegnung - Folge 74
Das Einzigartige des Interviews, das im Folgenden erscheint, liegt darin, dass es wohl kaum Aufzeichnungen darüber gibt, dass ein Künstler einen Topmanager, z.B. den CEO des größten Unternehmens der Welt, WMIA Incorporated oder seinesgleichen im Gespräch hat. Diese Herrschaften konferieren eigentlich und immer unter sich. Wer das geistige Inzucht nennt, ist vielleicht gar nicht so weit weg von den guten Geistern ...
Fortunata, die Gattin des Dr. Nemo, die sich mit ihm zum Gespräch, an dem auch der Interviewer teilhat, trifft, ist eine Künstlerin, eine Malerin. Sie entstammt einer Schmugglerfamilie aus Neapel. Darüber kann man die Nase rümpfen, aber für seine Familie kann man ja nichts, höchstens dafür, was man daraus macht. Ihr Geld verdiente sie vor ihrer Hochzeit mit dem Abbilden von Konterfeien der Touristen in den orange-blau-grün-bunten in der Sonne verblichenen Gassen Neapels. Mit einem Satz, sie ist da aufgewachsen, wo die Schiffe des Lebens den Grund streifen und wo Einfachheit Maxime oder Notwendigkeit ist und Kunst manchmal wie ein Lotus aus dem Sumpf entsteht.
Fortunata erscheint im Vorstandsbüro. Fortunata: „Ich war lange nicht in Deinem Büro.“
Nemo: „Na ja, Du malst ja lieber Bilder auf Deiner Insel im mittleren Meer.“
Wenn man zwischen die Zeilen dieser Begrüßung hört und das tut der Interviewer, bemerkt man leicht die in diesem Aspekt geistige Entfernung der beiden Eheleute. Das Wörtchen „Entfernung“ bezeichnet eigentlich schon den Kern, den Unterschied zwischen einer Künstlerin und einem Topmanager. Insofern ist die Ehe der Unterschiedlichkeit der Nemos, die sich eben nicht zahnradartig ergänzt wie in den meisten Ehen, deren Fensterkitt das „Zueinanderpassen“ der jeweiligen Neurose ist, etwas Bemerkenswertes. Bemerkenswert insofern, als dass Unterschiedlichkeit, die Akzeptanz des Unlösbaren ja in gewisser Weise nicht nur den Erfolg des Zusammenlebens von Mann und Frau ausmacht, sondern in Zeiten der Komplexität der Wirtschaftswelt auch eine Option des Managements wäre … aber bis dahin, bis das gelebte Realität wird, verglühen wohl noch Jahrtausende … aber wir wollen nicht vorgreifen.
Nemo steht inmitten seiner Buddhastatuen.
Nemo: „Schau mal, das müsste Dir doch gefallen!“
Fortunata: „Es sind nicht die Statuen, es ist nicht die Philosophie, es würde mich mehr interessieren, was dich dieser Kram überhaupt angeht.“
Nemo: „Fortunata! Die alten Weisheiten, die haben wir jetzt wieder. Endlich …“
Fortunata: „Verwechselst du da nicht etwas?“
Nemo: „Was?“
Fortunata: „Die Weisheit mit Wahrheit …“
Nemo: „Als Manager brauche ich doch die Wahrheit als Grundlage seriösen Handelns, ich habe immerhin studiert, die Wissenschaft lügt doch nicht.“
Fortunata: „Nein, sie lügt nicht.“
Nemo: „Na also!“
Fortunata: „Allerdings …“
Und bevor wir sie weitersprechen lassen, sei hier gesagt, dass die Ehe der Nemos wirklich bemerkenswert ist und was sie sagt, kennen alle Kerle aus dem Munde ihrer Frauen.
Fortunata: „Du suchst nicht Wahrheit, sondern Sicherheit!“
Nemo: „Wer tut das nicht?“
Fortunata: „Ja gut. Und was ist mit der Kunst, was glaubst du, was ich tue?“
Nemo: „Bilder malen.“
Fortunata: „Auf den ersten Blick ist das so. allerdings,“ und hier kommt das Weibliche und Schöne Fortunatas, „allerdings ist es so, dass die Wissenschaft sicher macht und die Kunst ist dafür da, uns zu beunruhigen.“
Nemo: „Das also ist Kunst, na ja.“
Fortunata: „Um in deiner Sprache zu sprechen, der Sprache des Managements, die meint, die Wahrheit zu kennen, hier ist ein Satz von Picasso: Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.“
Interviewer: „Mmmh …“
Fortunata: „Vielleicht ist die Kunst dazu da, dass wir an der Wahrheit nicht zugrunde gehen.“
Nemo schaut auf die Buddhas. Dann schaut er auf Fotunata.
Nemo: „Grazie amore!“
Fortunata: „Ich habe ein kleines Geschenk für dich.“
Dann wickelt sie ein kleines postkartengroßes Bild aus. Darauf steht: Was sieht ein Künstler und was sieht ein Unternehmenslenker nicht?
Dann muss Nemo bekanntlich wieder zu einem Termin. Elvira, die Schwester Fortunatas begleitet sie und den Interviewer zum Fahrstuhl.
Interviewer: „Und wie geht es jetzt weiter?“
Elvira: „Ich habe da eine Idee.“
Was geschehen wird und welche Idee Elvira hat, erfahren wir nächsten Dienstag …
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